Binnenhäfen fürchten Näherrücken von Wohnbebauung

Der schon im Januar vom Kabinett verabschiedete Gesetzentwurf zur Novelle des Städtebaurechts sieht unter anderen vor, in der Baunutzungsverordnung zusätzlich zur existierenden Baugebietskategorie „Mischgebiet“ die neue Kategorie „Urbane Gebiete“ zu schaffen: „Urbane Gebiete dienen dem Wohnen sowie der Unterbringung von Gewerbebetrieben und sozialen, kulturellen und anderen Einrichtungen, die die Wohnnutzung nicht wesentlich stören“, heißt es im Gesetzentwurf. Ziel ist es, den Flächenverbrauch in Deutschland zu reduzieren, indem bereits „verbrauchte“, aber nicht mehr genutzte Flächen einer neuen Verwendung zugeführt werden.

Damit die Lärmschutz­ die verbliebenen Gewerbebetriebe nicht verdrän­gt, will Bauministerin Barbara Hendricks in einem parallelen Verfahren auch die Lärmvorschriften so ändern, dass Immissionsrichtwerte für urbane Gebiete die Mischgebietswerte um 3 db(A) übersteigen dürfen. Das bedeutet, dass es dem Wohnungsbau obliegt, den passiven Lärmschutz für die Bewohner entsprechend stärker auszulegen.

Deutlicher beschrieb Bremens Bau- und Verkehrssenator Joachim Lohse das Vorhaben im Bundesrat: Es gehe darum, brachliegende Flächen in größeren Industrie- und Gewerbegebieten einer neuen Nutzung zuzuführen, auch wenn noch nicht alle Unternehmen ihre Aktivitäten eingestellt haben. „Häufig sind diese Flächen grundsätzlich auch attraktive Standorte zum Wohnen, obwohl in der Nachbarschaft noch einige der Unternehmen aktiv sind und störende Einflüsse auf die Nachbarschaft ausüben.“ Typische Konversionsgebiete dieser Art seien die Hamburger Hafencity oder die Überseestadt in Bremen.

Konflikte mit Neubewohnern befürchtet

Der Bundesverband öffentlicher Binnenhäfen (BÖB) sieht in „urbanen Gebieten“ eine latente Bedrohung für die Binnenhäfen. Sie liegen häufig in Industriegebieten, die nur noch teilweise gewerblich genutzt werden. „Die ausdrückliche Möglichkeit in dieser neuen Baugebietskategorie reine Wohngebäude zuzulassen, ist ein Angriff auf andere Nutzungen in unmittelbarer Nähe, die erhöhte Lärmemissionen in ihrer Baugebietskategorie ausdrücklich zulassen,“ sagt BÖB-Geschäftsführer Boris Kluge. „Wir fühlen uns von dieser Baugebietskategorie bedroht.“

Der Verband befürchtet aus seiner bisherigen Erfahrung heraus, dass aus dem Heranrücken der Wohnbebauung Konflikte mit bestehenden Betrieben entstehen, die so in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung eingeengt werden. Erst recht werden Gewerbeneuansiedlungen erschwert.

Kluge zeigte sich gegenüber dem Verkehrsbrief enttäuscht, dass auch Nordrhein-Westfalen – das sich erst im April 2016 in seinem Hafenkonzept gegen eine Erleichterung des „Wohnens am Wasser“ auf Kosten von Häfen ausgesprochen hatte – bei ersten Durchgang des Gesetzentwurfes im Bundesrat für die neue Baugebietskategorie ausgesprochen hat.

Lärmgrenzen noch umstritten

Unterdessen gibt es auch Widerstand gegen das Vorhaben des Ministeriums, für urbane Gebiete höhere Lärmbelastung zuzulassen. Bei einer Anhörung im Bundestags-Bau- und Umweltausschuss am Mittwoch sprachen sich die geladenen Experten mehrheitlich gegen die Anhebung aus. Lediglich Vertreter die Immobilienbranche räumten ein, dass „mehr Stadt in der Stadt“ nicht ohne mehr Lärm zu haben sei.

Externer Link: Gesetzentwurf zur Novelle des Städtebaurechts

Lkw gewinnt, Schiene und Binnenschiff verlieren

Das geht aus den am Freitag vorgelegten vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervor. Die Schiene verlor gegenüber 2015 1,5 Prozent des Aufkommens (in Tonnen) und 0,5 Prozent der Verkehrsleistung (Tonnenkilometer). Das Binnenschiff verlor 0,8 Prozent des Aufkommens und sogar 3,7 Prozent Verkehrsleistung. Der Lkw hingegen legt um 1,5 bzw. 2,8 Prozent zu.

Das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen sprach am Freitag von einem „Trendbruch mit Ansage“ und einer „Quittung für Wegschauen“ in der Politik. Obwohl die Wettbewerbs­bahnen ein Wachstum verzeichnen konnten, sei der Markt aufgrund des starken Rückgangs bei DB Cargo insgesamt ins Kip­pen geraten. NEE-Geschäftsführer Peter Westenberger unterstellte der Bundesregierung, dass sie einen konkurrenzlos preiswert Lkw-Transport wolle. Neue Zugverbindungen seien daran gescheitert, dass die Beförderung pro Container oder Sattelauflieger 40-60 EUR teurer sei als beim Lkw.

Vor allem bei den Kosten für die Infra­struktur­nut­zung und beim Preisverhältnis von Bahnstrom und Lkw-Diesel habe Berlin für die Straße immer bessere und für die Schiene immer schlechtere  Rahmenbedingungen gesetzt. Baubedingte Beschränkungen im Schienennetz und ein unterschiedliches Sicherheits- und Kon­trollniveau zwischen Straße und Schiene täten ihr übriges.

Um die Entwicklung zu korrigieren, benötigten die Bahnen kurzfristig faire wirtschaftliche Bedingungen sowie mittelfristig mehr Kapazität im Schienennetz und eine technologische Modernisierung, die vom Staat gefördert und begleitet werden muss.

Positive Konjunkturanzeichen?

Die als Konjunktur-Frühindikator geschätzte Luftfracht legte 2016 im Aufkommen deutlich um 3,3 Prozent zu. 2015 hatte das Luftfrachtaufkommen stagniert, 2014 war es um 1,9 Prozent gewachsen.

Das Seefracht-Aufkommen wuchs 2016 nur geringfügig um 0,3 Prozent. (roe)

Erdgas bleibt länger steuerbegünstigt

Die Steuermäßigung für Druckerdgas (CNG) soll nun doch bis Ende 2026 weiterlaufen und nicht schon 2024 enden. Das sieht der am Mittwoch verabschiedete Kabinettsentwurf für eine des Energie- und Stromsteuerrechts vor. Allerdings soll die Begünstigung beginnend im Jahr 2024 in gleichmäßigen Schritten so abgeschmolzen werden, dass ab 2027 ohne einen großen Sprung die normale Erdgasbesteuerung greifen kann. Für Autogas hingegen endet die Steuerbegünstigung wie bisher im Gesetz vorgesehen Ende 2018.

Die Regierung begründet die unterschiedliche Behandlung damit, dass bei Erdgas wegen der geringeren Verbreitung noch mehr Förderbedarf besteht und der Beitrag zum Klimaschutz höher ist (Erdgas enthält weniger Kohlenstoff als Autogas). Im übrigen fallen wegen der geringeren Verbreitung auch die Steuermindereinnahmen geringer aus.

Erdgas für die Verwendung im öffentlichen Personennahverkehr ist vom Abbau der Vergünstigung unter dem Strich nicht betroffen. In §56 des Energiesteuergesetzes wird eine Entlastungsregelung eingebaut, die das Abschmelzen der Steuerermäßigung kompensiert.

Verkehrsetat wird herangezogen

Die Mindereinnahmen werden künftig in äußerst ungewöhnlicher Weise aus dem Etat des BMVI gegenfinanziert. In der Summe sind es 591,5 Mio. EUR: Sie steigen von 12 Mio. EUR im Jahr 2020 auf 152 Mio. EUR im Jahr 2023 und sinken dann wieder auf 48,5 Mio. EUR 2026.

Ulrich Nußbaum, Präsidiumsvorsitzender des Deutschen Verkehrsforum, begrüßte den Gesetzentwurf, weil er Planungssicherheit schaffe. Das DVF hätte sich zwar gewünscht, dass die Ermäßigung zumindest bis 2026 auf dem heutigen Niveau gehalten wird. „Im Ergebnis ist das aber ein vertretbarer Kompromiss.“ (roe)

Externer Link: Regierungsentwurf für eine Novelle des Energiesteuerrechts

Aufgefischt 17.2.2016

Laut einem neuen Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages für die Grünen könnte die Pkw-Maut trotz der Nachbesserungen europarechtswidrig sein, berichtet unter anderem Spiegel Online (das Gutachten ist bereits vom Bundestag veröffentlicht). Das Gutachten dürfte Wasser auf die Mühlen Österreichs und anderer Länder sein, die Deutschland notfalls vor dem EuGH verklagen wollen.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hat sich am Donnerstag im Abgasskandal-Untersuchungsausschuss als Aufklärer präsentiert, berichtet Heute im Bundestag. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, zugleich VW-Aufsichtsratsmitglied, hat nach eigenen Angaben erst im September 2015 aus den Medien von den Abgasmanipulationen erfahren. Der ebenfalls als Zeuge geladene EU-Beamte Alois Krasenbrink vom EU-Forschungszentrum JRC berichtete laut Heute im Bundestag, dass man bei Messungen im Realbetrieb 2011 zwar erhebliche Abweichungen festgestellt , aber keine Manipulation vermutet habe.

Bayerns Landesverkehrsminister Joachim Herrmann hat dem Verkehrsausschuss des Landtages laut Münchner Abendzeitung aktuelle Zahlen zur 2. S-Bahn-Stammstrecke berichtet. Danach zahlt das Land etwas weniger als früher angekündigt; Bund, Stadt München und DB zahlen etwas mehr. Die Gesamtkosten von gut 3,8 Mrd. EUR (inkl. Risikopuffer) bleiben gegenüber November 2016 unverändert.

Bund und Länder streiten laut Wirtschaftswoche über die Höhe von Bahnsteigen. Der Bund will möglichst die Standardhöhe von 76cm über der Schienenoberkante durchsetzen, während die SPNV-Besteller in den Ländern auf regionale Abmachungen verweisen.

Das BMVI bleibt im Streit um neue Sicherheitsverordnung für Traditionschiffe hart und will sie Kraft setzen, sobald die EU-Kommission zugestimmt hat, berichten die SHZ-Zeitungen.

Im Streit um die Mittelrheinbrücke legt der von Landesverkehrsminister Volker Wissing als neutraler Gutachter eingeschaltete Rechnungshof eine Einstufung als Landesstraße nahe (statt als Kreisstraße) und damit als alleinige Aufgabe des Landes. Das berichtet der Trierische Volksfreund. Wissing lehnt das laut Pressemitteilung ab und begründet es mit dem Schutz des Unesco-Weltnaturerbes vor Durchgangsverkehr. (roe)

Autobahngesellschaft im Bundestag angekommen

„Keine Hintertürchen für Privatisierung offen lassen“

Die SPD-Haushaltspolitikerin Bettina Hagedorn und die Grünen-Verkehrsexpertin Valerie Wilms forderten am Donnerstag in der ersten Lesung im Bundestag, alle verbliebenen Privatisierungsschlupflöcher zu schließen. Auf keinen Fall dürfe es möglich sein, über umfangreiche ÖPP funktionell zu privatisieren.

Die Bundesregierung selbst lehnt in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates (siehe auch hier und hier) weitergehende Privatisierungsbremsen und einen Ausschluss von ÖPP ab.

Thema Kreditaufnahme bleibt strittig

Weiter forderten Wilms und Hagedorn, das Verbot einer Umgehung der Schuldenbremse über die Autobahngesellschaft ins Gesetz aufzunehmen. Wilms plädierte dafür, auch eine Staatsgarantie für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft hineinzuschreiben, um so die Zinsen niedrig zu halten und einen Missbrauch als „Rettungsschirm“ für Lebensversicherungen zu verhindern. Die Bundesregierung lehnt in der Gegenäußerung eine Staatsgarantie allerdings ab – sie sei nicht Bestandteil des Beschlusses vom 8. Dezember gewesen.

Hagedorn ging darüber hinaus und forderte, im Gesetzestext ausdrücklich jede Kreditaufnahme zu verbieten. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte zuvor eine Kreditermächtigung grundsätzlich in Abrede gestellt: „Ich möchte betonen, dass ich nicht sehe, dass die Gesellschaft eine Ermächtigung zur Aufnahme von Krediten bekommen hat.“

Hagedorn begrüßte auch, dass das Bundesfinanzministerium jetzt Prüfrechte für den Bundesrechnungshof befürwortet, zeigte sich aber verwundert, warum eine solche Regelung dann nicht im Gesetzentwurf enthalten ist.

Absage an AG

In Sachen Gesellschaftsform gibt es nur insoweit Einigkeit, als eine Aktiengesellschaft von SPD und Grünen kategorisch abgelehnt wird. Die Union positionierte sich nicht. Hagedorn plädierte zwar erneut für eine Anstalt öffentlichen Rechts, ließ aber durchblicken, dass eine GmbH kein No-Go sei. Wenn aber schon die Gründung der Infrastrukturgesellschaft als GmbH vereinbart sei – womit die AöR für die Zukunft faktisch ausgeschlossen ist – und Konsens über die Ablehnung einer AG bestehe, dann könne man sich die Evaluation der Gesellschaftsform auch sparen, deutete sie an.

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sieht nach wie vor die Gefahr von Privatisierungen und lehnte das Vorhaben daher grundsätzlich ab. „Sie reiten ein Trojanisches Pferd über die Autobahn“, warnte er. (roe)

Externe Links:

Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates zur Grundgesetz-Novelle

Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Begleitgesetz

Bund-Länder-Kompetenzstreit erreicht Luftverkehr

Condor-Chef Ralf Teckentrup, zugleich Präsident der Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften (BDF), der Grünen-Verkehrsexperte Stephan Kühn und Unionsfraktionsvize Arnold Vaatz plädierten am Dienstag auf einer Veranstaltung des Deutschen Verkehrsforums (DVF) dafür, den Wildwuchs von Regionalflughäfen einzudämmen und auf Bundesebene ein Kernnetz zu definieren.

Nach Teckentrups Auffassung kannibalisieren die vielen kleinen Flughäfen den Rest. Er verwies darauf, dass von den knapp 20 deutschen Verkehrsflughäfen mehr als die Hälfte Verluste schreibt und nur eine kleine Minderheit wirklich Gewinn macht. „Deutschland sollte die Luftverkehrspolitik als Bundesangelegenheit definieren“, forderte er.

Auch Vaatz sprach davon, dass Föderalismus und leistungsfähiger Luftverkehr inkompatibel seien. „Wir können die Flughäfen nicht mehr dem Selbstlauf überlassen“, betonte er.

Kühn bedauerte, dass das Luftverkehrskonzept des Bundes immer noch nicht vorliegt. Ich hätte mir gewünscht, dass wir schon im Bundesverkehrswegeplan 2030 die multimodale Anbindung des Flughafen-Kernnetzes bestimmen.“

Luftverkehrskonzept doch noch vor der Wahl?

Verkehrsstaatssekretär Norbert Barthle quittierte überraschenderweise die Aufforderung von Vaatz, das Luftverkehrskonzept „unverzüglich“ vorzulegen, mit einem Kopfnicken. Zuletzt war in Branchenkreisen zu hören, dass die anderen involvierten Ministerien ein umfassend abgestimmtes Regierungskonzept wünschen und ein reines BMVI-Konzept ablehnen, weswegen sich das Verfahren auf unbestimmte Zeit verzögere.

Hinter vorgehaltener Hand war am Dienstag aus der Branche allerdings auch zu hören, dass es für ein Wirkung entfaltendes Konzept jetzt ohnehin zu spät sei. Es komme viel mehr darauf an, die bekannten Inhalte im nächsten Koalitionsvertrag zu verankern. (roe)

Dieselskandal bewegt das Kfz-Gewerbe

Bei 12,5 Mio. Abgasuntersuchungen 2016 sei über eine Million „abgasrelevanter Mängel“ entdeckt worden, sagte ZDK-Präsident Jürgen Karpinski am Donnerstag vor Journalisten in Berlin. Die für Pkw ab Erstzulassung 2006 zulässige rein elektronische Prüfung durch Auslesen des Fehlerspeichers sei nicht ausreichend. Das BMVI plant vor dem Hintergrund dieser Beobachtungen und des VW-Skandals, ab Mitte 2017 wieder die Messung mit Prüfsonde am Auspuff einzuführen. Ab 2019 sollen außerdem die Partikelanzahl am Auspuff gemessen werden.

Verbandsvize Wilhelm Hülsdonk forderte außerdem, dass die Hersteller offene Zugänge zur Motorsteuerungs-Software schaffen. Dafür setze sich der Verband in Berlin und Brüssel ein. Heute sei es den Werkstätten zwar möglich, die Versionsnummer der Software auszulesen, aber nicht, etwaige Manipulationen festzustellen.

Wenden sich Privatkunden vom Diesel ab?

Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage unter Privathaushalten im Auftrag des ZDK würden aktuell nur noch 28 Prozent einen Diesel-Pkw kaufen, wenn ein Autokauf in diesem Jahr anstünde. 51 Prozent würden sich einen Benzin-Pkw zulegen. Immerhin 10 Prozent würden ein Hybridfahrzeug kaufen, 5 Prozent ein Elektroauto und 3 Prozent einen Pkw mit Gasantrieb.

Laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) entfielen 2016 auf Diesel-Pkw knapp 46 Prozent der Neuzulassungen, wobei allerdings ein hoher Anteil Firmenwagen enthalten ist. 52 Prozent waren Benziner, und nur 2 Prozent entfielen auf alternative Antriebe. Karpinski bedauerte die Verunsicherung der Kunden durch die Diskussion über Einfahrverbote.

Ein Nachrüstung von Euro-5-Diesel-Pkw auf Euro 6 hält Verbandsvize Wilhelm Hülsdonk für unrealistisch. Er schätzte die Kosten je Fahrzeug auf 10.000 EUR, damit sei sie unwirtschaftlich. In kleineren Fahrzeugen fehle darüber hinaus der Einbauraum für die Abgasreinigungstechnik. (roe)

Aufgefischt 16.2.2017

Im Bundestags-Umweltausschuss gibt es bis in die Union hinein Zweifel, ob das ICAO-Kompensationsschema Corsia (siehe hier) für eine wirksame Reduzierung der Treibhausgasemissionen des Luftverkehrs ausreicht, berichtet Heute im Bundestag. Kritisch wird auch betrachtet, dass die EU den außereuropäischen Luftverkehr dauerhaft vom Emissionshandel ausschließen will.

Die SPD-Haushaltspolitikerin Bettina Hagedorn wirft der Deutschen Bahn in einem offenen Brief (nicht online) vor, bei der Variantenuntersuchung für eine neue Fehmarnsundquerung einen Tunnel nicht ernsthaft in Betracht zu ziehen. Sie wirft der DB außerdem vor, bei ihren Zeitplanungen für Neu- und Ausbau der Hinterlandanbindung der Fehmarnbeltquerung Verzögerungen durch Klagen gegen die Planfeststellungsbeschlüsse nicht einbezogen zu haben. NABU und BUND hätten aber bereits Klagen angekündigt.

Im Streit um zweifelhafte Abschalteinrichtungen hat Fiat laut Wirtschaftswoche eingelenkt und wird die Fahrzeuge nachrüsten. Dafür darf Italien darauf beharren, dass diese Abschalteinrichtungen rechtmäßig sind.

Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel fordert vom Bund ein Förderprogramm von 500 Mio. EUR/Jahr für die Elektromobilität, um Gerichtsurteilen wegen mangelhafter Luftreinhaltung abzuwenden. Uneins ist er sich mit dem Verkehrsminister, ob auch eine Blaue Plakette erforderlich ist, berichtet die Neue Osnabrücker Zeitung.

Blick über den Zaun: Die Schweiz vergibt ihren Bahn-Fernverkehr per Konzession an die Bahnunternehmen. Aktuell muss das Bundesamt für Verkehr über (BAV) widerstreitende Anträge der drei involvierten Unternehmen entscheiden, berichtet das Nachrichtenportal Bluewin. (roe)

BMVI will an Trassenpreisen drehen

Verkehrsstaatssekretär Enak Ferlemann bestätigte am Mittwoch in einer Anhörung des Bundestags-Verkehrsausschusses zum Nachtzugverkehr Überlegungen des BMVI, ab 2018 die Trassenpreise zu senken. Im Fokus stehe allerdings der Güterverkehr. Dort bestehe aktuell der größte Handlungsbedarf. Knackpunkt sei, wie die Mindereinnahmen bei DB Netz ausgeglichen werden können. Ob ein Durchbruch gelinge, werde bei der Vorlage des Haushaltsentwurfs im Juni zu sehen sein.

Politik nicht am Aus für DB-Nachtzüge schuld

Für die Entscheidung der DB, ihren Nachtzugverkehr einzustellen und an die ÖBB abzugeben, spielten die Trassenpreise offenbar keine maßgebliche Rolle. DB-Vorstand Berthold Huber hob in der von den Linken beantragten Anhörung hervor, dass Nachtzüge im DB-Portfolio eine Nebenrolle spielten und nicht „industriell produziert“ werden konnten. Anders sei es bei der ÖBB, die aufgrund der schlechten Hochgeschwindigkeitsanbindung von Wien Nachtzüge immer als Teil ihres Kerngeschäftes angesehen habe und daher industriell produzieren könne.

Die DB hat nach Hubers Angaben 2015 bei 90 Mio. EUR Umsatz mit Nachtzügen rund 30 Mio. Verlust eingefahren, 2016 bei 85 Mio. EUR Umsatz 20 Mio. EUR Verlust.

Mit der Fahrgastentwicklung der jetzt angebotenen zusätzlichen ICE-/IC-Nachtverbindungen zeigte sich Huber sehr zufrieden, er sprach von 150 Fahrgästen pro Zug. Schon jetzt würden 10 Prozent mehr Fahrgäste in der Nacht befördert als vorher mit den Nachtzügen. Vorteil sei, dass die ICE-/IC-Züge im vorhandenen System industriell und kostengünstig produziert werden könnten. (roe)

Gegenwind für Diesel aus Brüssel

Wegen wiederholter Überschreitung der Stickstoffdioxid-Grenzwerte sende sie jetzt ein letztes Mahnschreiben („Reasoned Opinion“) am Deutschland, teilte sie am Mittwoch in Brüssel mit. Reagiert Deutschland nicht binnen zwei Monaten, kann die Kommission Klage vor dem Europäischen Gerichtshof erheben. Neben Deutschland werden auch Frankreich, Spanien, Italien und Großbritannien Klagen angedroht. Grundlage ist die Richtlinie 2008/50/EG, die Grenzwerte für die Luftschadstoffbelastung vorgibt.

Stuttgart spielt Varianten für Einfahrverbote durch

Unterdessen hat Stuttgart am Dienstag einen Maßnahmenplan zur Diskussion gestellt, mit dem die Überschreitungen der Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub gleichermaßen möglichst schnell eingedämmt werden sollen. Hintergrund ist ein Vergleich, den die Landesregierung Ende April 2016 mit einem klagenden Bürger abgeschlossen hat für den Fall, dass auch 2017 die Grenzwerte überschritten werden (siehe hier). Oberbürgermeister Fritz Kuhn stellte zwei denkbare verkehrsbeschränkende Maßnahmen vor, die ab 1. Januar 2018 in Stuttgart umgesetzt werden könnten.

Plan A unterstellt, dass der Bund bis zum 1. Januar 2018 bundesweit die Blaue Plakette eingeführt hat. Das Land könnte dann bei Feinstaubalarm – also nicht dauerhaft – im Talkessel Verkehrsbeschränkungen für Fahrzeuge ohne Blaue Plakette festsetzen. Durch das Zufahrtsverbot für Diesel, die nicht die Euro-6/-VI-Norm besitzen, könnte der Verkehr um 24 Prozent im Talkessel reduziert werden.

Plan B geht davon aus, dass der Bund die Blaue Plakette bis zum 1. Januar 2018 noch nicht eingeführt hat. Dann würde auf Basis der Straßenverkehrsordnung temporär die Zufahrt für Diesel, die nicht die Euro-6/VI-Norm erfüllen, verboten. Sowohl bei Plan A als auch bei Plan B soll es Ausnahmen für den Wirtschaftsverkehr geben. Welche Variante umgesetzt wird, müsse jetzt die Landesregierung entscheiden.

Dobrindt-Vorschlag versagt in der Wirkungsanalyse

Das sogenannte Wirkungsgutachten, das verschiedene Handlungsoptionen und ihre Wirkung für Stuttgart vergleicht, hatte Christoph Erdmenger vom Landesverkehrsministerium am Montag auf einer Fachveranstaltung der Grünen-Bundestagsfraktion in Berlin vorgestellt. Danach würden im Prognosezieljahr 2019 nur die beiden genannten Varianten die Streckenlänge, auf der die Grenzwerte für NOx überschritten werden, um jeweils rund 95 Prozent reduzieren. Selbst dann blieben aber noch rund 25km Straßen mit Überschreitung übrig. Die Streckenlänge mit Feinstaub-Überschreitung würde sich von aktuell 4km auf dann 2,9km verringern.

Die von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt immer wieder ins Spiel gebrachte Umstellung der städtischen „Vielfahrer“ – Taxen, Pflegedienste, Paketdienste, Busse – auf alternative Antriebe bringt laut Gutachten nur rund 14 bis 17 Prozent Verringerung der betroffenen Streckenlänge.

Als Vorteil der Blauen Plakette stellte Erdmenger zum einen heraus, dass die Einhaltung der Vorschriften leicht am ruhenden Verkehr überprüft werden kann. Zum anderen schaffe sie für die Flotte, die unter die Ausnahmetatbestände falle, einen höheren Modernisierungsanreiz. Ausdrücklich widersprach er Umweltverbänden, die eine Blaue Plakette nur solchen Fahrzeugen zubilligen willen, die auch im Realbetrieb die Euro-6-Grenzwerte erfüllen: „Wir brauchen die Plakette lieber schnell als perfekt“.

Analyse der NOx-Quellen in Düsseldorf

In Düsseldorf, der anderen Stadt, die unter massivem juristischen Druck steht (siehe hier), würde eine Blaue Plakette unter Berücksichtigung von „Ausnahmeflotte“ und „Schwarzfahrern“ erst 2020 ausreichen, um den NOx-Grenzwert im Hotspot Corneliusstraße einzuhalten. Das ergaben Modellrechnungen, die Stefan Ferber vom Umweltamt Düsseldorf bei den Grünen vorstellte. Sondersituation ist dort, dass die Hintergrundbelastung mit 28 Mikrogramm/m3 über dem Bundesdurchschnitt liegt (22 Mikrogramm/m3). Um den Grenzwert von 40 Mikrogramm einzuhalten, müssten also die NOx-Emissionen des Verkehrs von derzeit 32 Mikrogramm um gut 60 Prozent verringert werden

Größer Einzelemittent sind Euro-5-Diesel-Pkw mit 34 Prozent. Ferber machte deutlich, dass die erfolgreiche Partikelreduzierung bei Euro 5 für die Stickoxide einen Rückschritt bedeutet: Euro-4-Diesel-Pkw steuern nur 11 Prozent der Belastung bei. Eine Überraschung sei es gewesen, dass Linienbusse – zumeist Euro V – für immerhin 12 Prozent des verkehrsbedingten NOx verantwortlich sind.

Tempo 30 kein Allheilmittel für NOx

Marion Wichmann-Fiebig vom Umweltbundesamt (UBA) trat indirekt Vorstellungen der Umweltverbände entgegen, mit flächendeckendem Tempo 30 das NOx-Problem bekämpfen zu können. Es komme auf den Einzelfall an, zum Beispiel auf den Abstand zwischen den Ampeln und Steigungen. Sie bestätigte damit die Ergebnisse einer Untersuchung der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) aus dem Jahr 2012. (roe)

Externe Links:

Mitteilung der EU-Kommission

Wirkungsgutachten für Stuttgart

Studie zu Tempo 30 auf Schadstoffemissionen