Der schon im Januar vom Kabinett verabschiedete Gesetzentwurf zur Novelle des Städtebaurechts sieht unter anderen vor, in der Baunutzungsverordnung zusätzlich zur existierenden Baugebietskategorie „Mischgebiet“ die neue Kategorie „Urbane Gebiete“ zu schaffen: „Urbane Gebiete dienen dem Wohnen sowie der Unterbringung von Gewerbebetrieben und sozialen, kulturellen und anderen Einrichtungen, die die Wohnnutzung nicht wesentlich stören“, heißt es im Gesetzentwurf. Ziel ist es, den Flächenverbrauch in Deutschland zu reduzieren, indem bereits „verbrauchte“, aber nicht mehr genutzte Flächen einer neuen Verwendung zugeführt werden.
Damit die Lärmschutz die verbliebenen Gewerbebetriebe nicht verdrängt, will Bauministerin Barbara Hendricks in einem parallelen Verfahren auch die Lärmvorschriften so ändern, dass Immissionsrichtwerte für urbane Gebiete die Mischgebietswerte um 3 db(A) übersteigen dürfen. Das bedeutet, dass es dem Wohnungsbau obliegt, den passiven Lärmschutz für die Bewohner entsprechend stärker auszulegen.
Deutlicher beschrieb Bremens Bau- und Verkehrssenator Joachim Lohse das Vorhaben im Bundesrat: Es gehe darum, brachliegende Flächen in größeren Industrie- und Gewerbegebieten einer neuen Nutzung zuzuführen, auch wenn noch nicht alle Unternehmen ihre Aktivitäten eingestellt haben. „Häufig sind diese Flächen grundsätzlich auch attraktive Standorte zum Wohnen, obwohl in der Nachbarschaft noch einige der Unternehmen aktiv sind und störende Einflüsse auf die Nachbarschaft ausüben.“ Typische Konversionsgebiete dieser Art seien die Hamburger Hafencity oder die Überseestadt in Bremen.
Konflikte mit Neubewohnern befürchtet
Der Bundesverband öffentlicher Binnenhäfen (BÖB) sieht in „urbanen Gebieten“ eine latente Bedrohung für die Binnenhäfen. Sie liegen häufig in Industriegebieten, die nur noch teilweise gewerblich genutzt werden. „Die ausdrückliche Möglichkeit in dieser neuen Baugebietskategorie reine Wohngebäude zuzulassen, ist ein Angriff auf andere Nutzungen in unmittelbarer Nähe, die erhöhte Lärmemissionen in ihrer Baugebietskategorie ausdrücklich zulassen,“ sagt BÖB-Geschäftsführer Boris Kluge. „Wir fühlen uns von dieser Baugebietskategorie bedroht.“
Der Verband befürchtet aus seiner bisherigen Erfahrung heraus, dass aus dem Heranrücken der Wohnbebauung Konflikte mit bestehenden Betrieben entstehen, die so in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung eingeengt werden. Erst recht werden Gewerbeneuansiedlungen erschwert.
Kluge zeigte sich gegenüber dem Verkehrsbrief enttäuscht, dass auch Nordrhein-Westfalen – das sich erst im April 2016 in seinem Hafenkonzept gegen eine Erleichterung des „Wohnens am Wasser“ auf Kosten von Häfen ausgesprochen hatte – bei ersten Durchgang des Gesetzentwurfes im Bundesrat für die neue Baugebietskategorie ausgesprochen hat.
Lärmgrenzen noch umstritten
Unterdessen gibt es auch Widerstand gegen das Vorhaben des Ministeriums, für urbane Gebiete höhere Lärmbelastung zuzulassen. Bei einer Anhörung im Bundestags-Bau- und Umweltausschuss am Mittwoch sprachen sich die geladenen Experten mehrheitlich gegen die Anhebung aus. Lediglich Vertreter die Immobilienbranche räumten ein, dass „mehr Stadt in der Stadt“ nicht ohne mehr Lärm zu haben sei.
Externer Link: Gesetzentwurf zur Novelle des Städtebaurechts