Zum einen sollte Deutschland – oder ein möglichst großer Teil der EU-Staaten – den Luftverkehr mit den großen Quell- und Zielländern Japan, Indien, China, Südkorea und den Asean-Staaten gegenseitig liberalisieren, um mit direkten Flugverbindungen die bestehende Nachfrage besser zu bedienen.
Zum anderen sollte Deutschland die Luftverkehrsabkommen mit den Golfstaaten neu verhandeln oder gar kündigen, und die Landerechte im Extremfall auf die Drehscheiben begrenzen. Eine gegenseitige Liberalisierung biete hier keinen Vorteil, da die Golfstaaten als Quell- und Zielländer unbedeutend seien und die für deutsche Fluggesellschaften kaum Potenzial bieten, um neue Destinationen zu entwickeln.
Statt zwei nun drei Szenarien
Alleiniges Ziel des Gutachtens ist, „staatliche Handlungsoptionen zur Stärkung des Luftverkehrsstandorts Deutschland zu identifizieren und zu bewerten“. Das BMVI und andere Bundesressorts sowie ausgewählte Verbände sind von den Gutachtern zwar angehört worden; die Vorschläge sind dem Vernehmen nach aber nicht mit der Regierung abgestimmt – anders als bei anderen Gutachten.
Statt zwei – wie zuletzt angekündigt – untersucht das Gutachten nun drei Szenarien:
- Ein „Status-Quo-Szenario“, in dem die im EU-Vergleich unterdurchschnittliche Entwicklung Deutschlands fortgeschrieben wird;
- ein Wachstumsszenario, in dem das Schritthalten mit dem weltweiten Fluggastwachstum von 4 Prozent/Jahr angestrebt wird und alle wachstumsfördernden Maßnahmen umgesetzt werden;
- ein um „akzeptanzfördernde“ und meist kostentreibende Maßnahmen etwa im Bereich Umwelt- und Klimaschutz ergänztes Wachstumsszenario.
„Weiter-so“-Szenario schneidet am schlechtesten ab
Erstes überraschendes Ergebnis ist, dass selbst im Wachstumsszenario die 4-Prozent-Wachstumsrate mit 3,51 Prozent verfehlt wird. In diesem Fall würde die Fluggastzahl auf den deutschen Flughäfen bis 2030 um rund 80 Prozent auf 367 Mio. steigen.
Zweites überraschendes Ergebnis ist, dass die akzeptanzfördernden Maßnahmen die Passagierzahl 2030 zwar auf 356 Mio. reduzieren würden, es aber immer noch mehr Passagiere als im Status-Quo-Szenario wären (348 Mio.).
Bund soll bei Flughafenentgelten stärker regulieren…
In einem 20 „Maßnahmen“ umfassenden Katalog – wegen teilweiser Widersprüchlichkeit wäre besser von „Stellschrauben“ zu sprechen – schlagen die Gutachter unter anderem vor, dass die Bundesnetzagentur die Flughafenentgelte zumindest für die Flughäfen mit mehr als 5 Mio. Fluggastbewegungen einheitlich reguliert. Bisher sind dafür die jeweiligen Landesbehörden zuständig und wenden sehr unterschiedliche Regulierungsansätze an; außerdem sei die Länder oft an den Flughafengesellschaften beteiligt und unterlägen damit einem Interessenkonflikt. Ziel müsse aber ein „level playing field“ sein, argumentieren die Gutachter.
…bei der Flugsicherung deregulieren…
Weiter wird vorgeschlagen, statt der bundesweiten Einheitsgebührensätze für die Flugsicherung bei An- und Abflug standortspezifische Gebühren zu erheben. Im Gegenzug sollte der Bund kleinere Flughäfen aus dem Geltungsbereich der Flugsicherheits-An- und Abflug-Kostenverordnung (FSAAKV) herausnehmen und es ihnen damit ermöglichen, die Flugsicherungsdienstlelstungen auszuschreiben.
…und bei übrigen Kosten entlasten
Eine Sonderbelastung des Luftverkehrs erkennen die Gutachter in den Luftsicherheitsgebühren. Sie verweisen darauf, dass die Security-Kosten in den USA vom Staat getragen werden.
Eher zurückhaltend zeigen sich die Gutachter beim Thema Luftverkehrsteuer. Die bisherigen Studien seien methodisch unbefriedigend, die tatsächlichen Reaktionen des Marktes in anderen Staaten widersprüchlich. Dennoch erkennen sie in letzter Konsequenz eine zusätzliche Kostenbelastung und empfehlen, die Luftverkehrsteuer abzuschaffen.
Planfeststellung vertiefen oder straffen?
Hin- und hergerissen sind die Gutachter beim Thema Planfeststellungsverfahren: Den Wunsch der Wirtschaft, die Verfahren zu beschleunigen, erkennen sie zwar an. Sie stellen aber fest, dass die Zeitverluste eher auf die behördliche Bearbeitungsdauer in den verschiedenen Schritten zurückzuführen ist als auch die gesetzlichen Vorgaben. Für die breite Akzeptanz von Flughäfen hingegen wäre es besser, die Öffentlichkeitsbeteiligung auszuweiten. Angesichts der wenigen Planfeststellungsverfahren, die bis zum Ende des Untersuchungshorizontes 2030 anstehen, hätten aber weder Beschleunigung noch Vertiefung nennenswerten Einfluss auf die Stellung des Luftverkehrsstandortes Deutschland.
Weitere Themen des Gutachtens sind unter anderem EU-Emissionshandel und ICAO-CO2-Offset-Pläne, die EU-Fluggastrechte-Verordnung, die EU-Slotvergabe-Verordnung, Pre-Border-Clearance für Nordamerika-Fluggäste, Single European Sky und Forschungsförderung. (roe)