Das Eckpunktepapier von Bund und Ländern fordert eine „privatrechtlich organisierte Infrastrukturgesellschaft Verkehr“, was nach übereinstimmendem Verständnis entweder die Rechtsform einer GmbH oder einer Aktiengesellschaft bedingt. Allerdings hatte das rot-rot-grün regierte Thüringen in einer Protokollnotiz die Prüfung der Rechtsform einer Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) gefordert; auch Sebastian Hartmann, der zuständige SPD-Berichterstatter im Bundestag, hat sich wiederholt für eine AöR ausgesprochen.
Wie aus der SPD-Fraktion zu hören ist, sieht man in der AöR eine bessere Garantie gegen die Privatisierung der Fernstraßengesellschaft. Zwar gebe es aktuell mit Ausnahme einzelner Stimmen aus dem Finanzministerium einen breiten Konsens für eine zu 100 Prozent staatseigene Gesellschaft; dennoch sei es sinnvoll, Privatisierungsgelüsten späterer Regierungen einen Riegel vorzuschieben.
SPD: Personalräte kein Motiv für Positionierung zugunsten AöR
Ausdrücklich zurückgewiesen wurde seitens der SPD der Verdacht, mit einer AöR sollten Privilegien freigestellter Personalräte gesichert werden. Mit Verdi sei über vieles gesprochen worden, aber über dieses Thema nie, hieß es. Tatsächlich ermöglicht das bundeseinheitliche Betriebsverfassungsgesetz in vielen Ländern mehr Freistellungen als die Landes-Personalvertretungsgesetze, zum Beispiel in Bayern, Sachsen-Anhalt und sogar in Bremen und Berlin. In NRW ist die Staffelung identisch zum Betriebsverfassungsgesetz.
HDB befürchtet Dauerkonflikt zwischen Bund und Ländern bei AöR
Gegen die AöR spricht aus Sicht von Heiko Stiepelmann vom Bauindustrieverband HDB vor allem, dass sie nicht einheitlich kodifiziert ist, sondern im Errichtungsgesetz sehr detailliert beschrieben werden müsste. „Damit wird der Konflikt mit den Ländern perpetuiert“, sagte er Mitte April in einer Expertenanhörung des Bundestages.
Beckers: Politische Steuerung und Kontrolle von AöR einfacher
Prof. Thorsten Beckers hingegen bevorzugt die AöR, „da durch speziell angepasste öffentlich-rechtliche Regelungen Aufgaben der Gesellschaft und Kontrollmechanismen im öffentlichen Bereich (einschließlich Kontrollrechte für das Parlament etc.) grundsätzlich effektiver definiert werden können als beim Rückgriff auf um durch die Satzung ergänzte GmbH-rechtliche Standardregelungen“, schreibt er in einem Thesenpapier für die SPD-Fraktion.
DB AG als abschreckendes Beispiel
Unter den beiden in Frage kommenden privatrechtlichen Rechtsformen GmbH und AG scheint letztere nach den zwiespältigen Erfahrungen mit dem Eigenleben der bundeseigenen Aktiengesellschaft Deutsche Bahn im politischen Bereich keine Fürsprecher mehr zu haben.
Das BMVI selbst hatte sich bereits im Dezember 2015 für eine GmbH mit paritätisch besetztem Aufsichtsrat ausgesprochen. Das könnte ganz nebenbei – mit Blick auf §1 des Mitbestimmungsgesetzes – nahelegen, dass das BMVI mit mehr als 2000 Mitarbeitern rechnet.
Eisenkopf: Straffe Führung bei AG unmöglich
Auch Prof. Alexander Eisenkopf von Zeppelin-Universität Friedrichshafen rät in einer Stellungnahme für den Automobilclub ACE zu einer GmbH: „Bei einer GmbH unterliegen die Geschäftsführer gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG der Weisungsbefugnis der GmbH-Gesellschafter, während der Vorstand einer AG keiner Weisungsbefugnis der Aktionäre, sondern nur einer Kontrolle durch den Aufsichtsrat unterliegt.“ Die Möglichkeit zur strafferen Führung ist auch aus Stiepelmanns Sicht der entscheidende Vorteil einer GmbH gegenüber der AG. (roe)
Externer Link: Kurzbewertung des Bund-Länder-Beschlusses für Thüringer Staatskanzlei