Autonomes Fahren und Carsharing unter Beschuss

„Carsharing löst nicht Problem des Flächenverbrauchs“

Lenz bezweifelte zum einen, dass durch Carsharing der private Automobilbesitz wirklich dauerhaft reduziert werde, wie es die Branche behaupte. Sie vermute, dass sich die Haushalte lediglich später als sonst ein eigenes Auto zulegte, räumte aber ein, dass belastbare Daten fehlten.

Gabriel verwies auf eine Studie am Beispiel von München, wonach das Carsharing-Angebot bei 10 Prozent der daran teilnehmenden Haushalte dazu geführt habe, ein vorhandenes eigenes Auto abzustoßen. 30-40 Prozent der Haushalte hätten wegen Carsharing auf die Anschaffung eines Zwei- oder Drittwagens verzichtet. Sie kritisierte ferner Kannibalisierungseffekte zum öffentlichen Verkehr, der sich vom Flächenbedarf her aber noch immer viel günstiger als jeglicher Pkw-basierte Verkehr darstelle.

Inklusion durch autonomes Fahren?

Aus dem gleichen Grund sieht sie autonomes Fahren zumindest differenziert. Jungwirth hatte für autonomes Fahren mit dem Argument geworben, dass damit auch bisher nicht autofahrende Bürger – Blinde, Alte, Kinder – die Vorzüge des Individualverkehrs nutzen könnten. Als ideales Anwendungsgebiet nannte Jungwirth die Innenstädte.

Ausgerechnet dort gebe es aber schon genügend Angebote des öffentlichen Verkehrs, entgegnete Lenz. „Wir können nicht so tun, als ob hier jeder mit seinem Autochen rumfahren könnte.“ Eine gewisse Berechtigung erkannte sie für den ländlichen Raum an.

Streit über richtiges Maß an Regulierung

Während Jungwirth dafür plädierte, die Entwicklung dem freien Spiel des Marktes zu überlassen, votierte Lenz für eine strenge Regulierung. „Die Erfahrung zeigt, dass der Markt im Verkehrsbereich ganz wenig regelt.“ DB-Vorstand Ronald Pofalla hielt dagegen und verwies auf die frischen Erfahrungen seines Unternehmens mit Startup-Kulturen: Es sollte nur dort reguliert werden, wo es unbedingt nötig sei. „Ich rate der Politik, nicht Verkehr organisieren zu wollen.“ (roe)

BMVI lässt Schicksal von PRINS offen

Die Grünen-Verkehrsexpertin Valerie Wilms hatte gefragt, ob PRINS auch über das Ende der Frist für die Öffentlichkeitsbeteiligung hinaus (2. Mai 2016) öffentlich verfügbar bleibt. Das BMVI antwortete nun, dass PRINS eine ergänzende Information zum BVWP-Entwurf darstelle. „Auf Grundlage der Stellungnahmen aus dem Konsultationsverfahren werden der Entwurf des BVWP 2030 sowie PRINS überarbeitet“, heißt es ausweichend. Wilms befürchtet, dass es damit der interessierten Öffentlichkeit unmöglich gemacht gewerden soll, bei Änderungen die ursprüngliche Bewertung im Detail zum Vergleich heranzuziehen. (roe)

UBA will 41 Straßenprojekte im BVWP streichen lassen

UBA-Präsidentin Maria Krautzberger kritisiert, dass die angestrebte Minderung des CO2-Ausstoßes um 0,5 Mio. t/Jahr viel zu gering sei. Bei einer ehrgeizigen Verlagerungspolitik seien 5-10 Mio. t möglich. Der Flächenverbrauch für den BVWP sei hingegen viel zu hoch. Werde das Ziel des Bundes von 30ha/Tag für 2020 auf alle Verbraucher im Bereich Siedlung und Verkehr heruntergebrochen, dürfe der BVWP höchstens 1,9ha beanspruchen. Tatsächlich seien aber 2,9ha/Tag geplant.

Maßgeblich wegen des Flächenverbrauchs – aber auch wegen sonstiger hoher Umweltbetroffenheit – empfiehlt das UBA unter anderem den Verzicht auf folgende Autobahnprojekte:

  • A1 Lückenschluss in der Eifel
  • A5 Ausbau Reiskirchen bis zur A49
  • A8 Ausbau Holzkirchen-AD Inntal
  • A14 Lückenschluss Magdeburg-Schwerin
  • A20 Westerstede-Hohenfelde inkl. Elbquerung
  • A21 Bargteheide-Schwarzenbek
  • A26 „Hafenquerspange“ südlich Hamburg
  • A33 bei Osnabrück
  • A39 Lüneburg-Weyhausen (nördlich Wolfsburg)
  • A45 Ausbau Haiger-Burbach-AK Gambach
  • A67 Ausbau Mönchhof-Lorsch
  • A94 München-Pocking
  • A98 Rheinfelden-Schwörstadt-Tiengen

Ausdrücklich begrüßte Krautzberger den Grundsatz „Erhalt vor Neu- und Ausbau“ und den Plan, ein Kerrnetz für 740m lange Güterzüge zu schaffen. Nötig sei aber, mindestens 60 Prozent der Mittel in den Neu- und Ausbau der Schiene zu investieren. Bisher sind 42 Prozent vorgesehen. (roe)

Externer Link: „Streichliste“ des Umweltbundesamtes zum BVWP-Entwurf

Regierung bewilligt Kaufprämie für E-Autos

Ziel sei es, dass die Elektrofahrzeuge schnell die „kritische Masse“ von 1 Prozent des Marktes zu erreichen, erläuterte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt bei der gemeinsamen Vorstellung des Programms mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel.

Folgende Eckpunkte wurden vereinbart:
  • 600 Mio. EUR gibt der Bund für eine Kaufprämie. Sie wird für batterielelektrische Fahrzeuge, Brennstoffzellen-Fahrzeuge und Plug-In-Hybride gezahlt. Sie wird hälftig von Bund und Industrie getragen und beträgt für reine Elektroautos 4000 EUR, für Plug-In Hybride 3000 EUR, und zwar bis zu einem Listenpreis von 60.000 EUR. Brennstoffzellen-Fahrzeuge sind wegen dieser Obergrenze derzeit faktisch ausgeschlossen.
  • Die staatliche Hälfte (2000/1500 EUR) wird über das Bundesamt für Ausfuhrkontrolle (Bafa) ausgezahlt, sofern der Käufer einen Beleg darüber vorlegt, dass der Hersteller bzw. sein Händler den jetzigen Listenpreis um 2000 EUR ermäßigt hat. VW-Konzern, Daimler und BMW haben beim Autogipfel zugesagt, sich an diesem Modell zu beteiligen; die Zusagen anderer Herstellern stehen noch aus. Die Höhe der Kaufprämie habe sich aus der Zahlungsbereitschaft der Industrie bei hälftiger Eigenbeteiligung ergeben, erläuterte Schäuble.
  • Ob sich durch den Herstelleranteil an der Prämie – der ja unter dem Strich einen geringeren Kaufpreis bedeutet – auch der Mehrwertsteuer mindert, lässt das BMF aktuell prüfen; Schäuble zeigte sich aber optimistisch.
  • Es werden laut Dobrindt nur Fahrzeuge der Pkw-Klasse gefördert.
  • Die Prämie erhalten private wie gewerbliche Käufer.
  • Förderantrage werden nach dem Windhundverfahren bewilligt, um einen möglichst schnellen Hochlauf zu erreichen. Das Programm läuft 2019 aus.
  • 300 Mio. EUR investiert der Bund von 2017 bis 2020 in die Ladeinfrastruktur, davon 200 Mio. EUR für Schnellladesäulen. Damit sollen 15.000 Ladesäulen geschaffen werden, davon mindestens 5000 Schnellladesäulen.
  • 100 Mio. EUR stellt der Bund dafür bereit, den Anteil von Elektrofahrzeugen in seinem eigenen Fuhrpark auf 20 Prozent zu steigern.
  • Sollten Arbeitnehmer beim Arbeitgeber das Elektrofahrzeug aufladen, stellt dies keinen geldwerten Vorteil mehr da.
  • Schäuble stellte zudem noch eine Änderung des Kfz-Steuergesetzes in Aussicht, ohne allerdings Details in Aussicht zu stellen.
  • Die Mittel des Bundes sollen aus dem Energie- und Klimafonds (EKF) genommen werden. Ein entsprechender Haushaltstitel soll mit Zustimmung des Bundestags-Haushaltsausschusses eingerichtet werden.
Regierung redet Autoindustrie massiv ins Gewissen

Wie Gabriel weiter berichtete, hat die Bundesregierung der Autobranche vor dem Hintergrund des Abgasskandals bei dem Treffen einen „Kulturwandel gegenüber Gemeinwohlanforderungen“ eingefordert. Die Industrie solle Herausforderungen aktiv annehmen und nicht immer erst Bedenken ins Feld zu führen, warum etwas nicht gehe. (roe)

Wilms: Havariekommando überschreitet Kompetenzen

Das erklärte sie gegenüber dem Verkehrsbrief unter Berufung auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages.

Das Kuratorium hatte im vergangenen Herbst beschlossen, die bisher offiziell auf „komplexe Schadenslagen“ beschränkte Zuständigkeit des HK auf „komplexe Rettungssituationen“ auszuweiten und als Beispiele Höhenrettungen von Containerschiffen und Offshore-Windenergieanlagen genannt. Sie vermutet, dass damit der Boden für die beabsichtigte Beschaffung von Hubschraubern im Wert von 63 Mio. EUR bereitet werden soll. Der entsprechende Haushaltstitel war im vergangenen Herbst vom Bundestags-Haushaltsausschuss vorerst bis auf einen Minibetrag von 1 Mio. EUR gestrichen worden. „Eine Ausweitung der Aufgaben des Havariekommandos auf die „komplexe Rettungssituation“ ist unnötig“, sagt Wilms. „Das ist Verschwendung von Steuermitteln.“ Im Übrigen sei es Aufgabe der Windenergie-Anlagenbetreiber, als Arbeitgeber für verletzte Mitarbeiter zu sorgen. Das sei in den Genehmigungen der Anlagen auch so geregelt und funktioniere reibungslos.

Wie sie unter Bezug auf das Gutachten weiter sagte, sei das Kuratorium nicht befugt, den sachlichen Geltungsbereich der Havariekommando-Vereinbarung auszuweiten. Das sei nur per Änderung des Staatsvertrags möglich. Im übrigen könne die Unterstützung des Havariekommandos auch im Wege der Amtshilfe angefordert werden, falls sie ausnahmsweise tatsächlich nötig sei. (roe)

Aufgefischt 27.4.2016

Die Kaufprämie für E-Autos kommt, wird aber nur 4000 EUR statt der vorher diskutierten 5000 EUR betragen und zudem zur Hälfte von der Industrie getragen. Das berichtet unter anderem der Deutschlandfunk. BMVI, BMF und BMWi wollen am Mittwoch über die Ergebnisse im Detail berichten.

Das Eisenbahn-Bundesamt hat den Planfeststellungsbeschluss für die 2. S-Bahn-Stammstrecke in München erlassen. Wie Süddeutsche Zeitung und Bild berichten, ist die Finanzierung allerdings noch unklar – erst im Mai werden die Angebote der Baufirmen vorliegen. Offiziell ist das Projekt noch mit rund 2 Mrd. EUR veranschlagt, inoffiziell wird inzwischen mit 3 Mrd. EUR und mehr gerechnet.

Der Ersatzneubau für den Bonner „Tausendfüßler“ (A565) soll, anders als im BVWP-Entwurf vorgesehen, nun doch sechs- statt vierspurig ausfallen. Nach einem Bericht des Bonner General-Anzeigers hat das BMVI offenbar mit falschen Bevölkerungsprognosen und Verkehrsdichten gerechnet. (roe)

U-Ausschuss zum Abgasskandal wird konkret

Wie am Dienstag aus Grünen-Kreisen zu hören war, soll der Untersuchungsausschuss in der nächsten Sitzungswoche (zweite Maiwoche) eingesetzt werden. Vorsitzender soll der Linken-Verkehrsexperte Herbert Behrens werden. Schwerpunkt soll dem Vernehmen nach die Frage sein, seit wann das BMVI über mögliche Abgasmanipulationen informiert. Formal wird der genaue Untersuchungsauftrag zusammen mit den Regierungsfraktionen definiert. Offen ist noch die Stärke des Untersuchungsausschusses. (roe)

BMF will Gasantrieb nur noch befristet weiterfördern

Wie Meister erläuterte, sehe ein Gesetzentwurf seines Ministeriums vor, die Begünstigung von Flüssiggas/LPG beginnend 2019 bis 2021 schrittweise abzubauen. Für Erdgas/CNG soll der Abbaupfad 2022 einsetzen und 2024 enden. Ressortabstimmung und Verbändeanhörung für einen entsprechenden Gesetzentwurf, der noch im 2. Quartal ins Parlament gehen soll, seien eingeleitet. Eine Änderung der relativen Steuersätze für Diesel und Benzin sei in diesem Zusammenhang nicht geplant, hob er hervor.

Branche enttäuscht

Meister begründete das Auslaufen der Förderung sinngemäß damit, dass der Investitionssicherheit der Wirtschaft mehr mit verlässslichen Rahmenbedingungen als mit immer neuen Förderungen gedient sei. Er verwies ferner auf 180 Mio. EUR Steuerausfall/Jahr.

Die anwesenden Vertreter der Gaswirtschaft zeigten sich enttäuscht. Norbert Azuma-Dicke von „Zukunft Erdgas“ sagte, sein Verbände hätte sich eine Umstellung der Energiebesteuerung gemäß der CO2-Belastung gewünscht. Der CO2-Ausstoß von CNG liegt auf den Energiegehalt bezogen je nach Berechnungsannahmen 20-25 Prozent niedriger als bei Benzin oder Diesel; bei Flüssiggas schwanken die Angaben zwischen 9 und 20 Prozent. Andreas Stücke vom Deutschen Verband Flüssiggas prognostizierte daher eine „interessante umweltpolitische Debatte“.

Steuernde Rolle der Politik umstritten

Leidenschaftlich diskutiert wurde, inwieweit die Politik die Entwicklung alternativer Antriebstechniken steuern soll. Der CDU-Wirtschaftspolitiker Matthias Heider sprach sich für einen breiten technologieoffenen Ansatz aus. Es sei eher wettbewerbsschädigend, wenn der Staat bestimmte Technologien fördere. Die Grünen-Verkehrsexpertin Valerie Wilms hingegen plädierte für ein Ende der „Fächerstrategie“ und die Konzentration auf wenige Entwicklungspfade. Sie warb für einen Gas-Hybrid-Antrieb, da er zu „vernünftigen Preisen“ weniger Schadstoffe und CO2 ausstoße.

Ihre Fraktionskollegin, die Haushaltspolitikerin Lisa Paus, sagte zwar zu zu, sich für eine weitere Begünstigung von CNG und LPG einzusetzen. Grundsätzlich gehöre aber die gesamte Energiebesteuerung unter die Lupe, damit es nicht wieder zu Fehlentwicklungen wie durch die unterschiedliche Besteuerung von Diesel und Benzin komme. Sinnvoller wäre eine Besteuerung, die sich am Energiegehalt orientiere, so wie es die EU vorgeschlagen habe.

Anreize für Hersteller fehlen

Nur am Rande diskutiert wurde, warum der Gasantrieb mit gut 1 Prozent des Fahrzeugbestandes so eine untergeordnete Rolle spielt. Benjamin Sokolowski von Opel berichtet, dass sich der Verkauf von Erdgasfahrzeugen bis 2015 vor allem an Flottenbetreiber gut entwickelt habe. Als Gründe für den aktuellen Rückgang nannte er die Verunsicherung wegen der weiteren Steuerbegünstigung und die gesunkenen Preise für Benzin und Diesel.

Stücke wies darauf hin, dass es bisher kaum Anreize für die Hersteller gebe, in Gasantriebe zu investieren. Er schlug vor, analog zu E-Autos „Supercredits“ für die Anrechnung bei den Flottenverbräuchen zu vergeben. Das koste den Steuerzahler auch kein Geld. (roe)

300 Mio. EUR mehr Regionalisierungsmittel?

„Jetzt erklären uns die Länder, dass sie sich nur [über einen neuen Verteilungsschlüssel] einigen können, wenn wir als Bund noch 300 Mio. EUR drauflegen“, berichtete er aus den Gesprächen über die Neuordnung über die Bund-Länder-Finanzbeziehungen auf einer Veranstaltung des Deutschen Verkehrsforums. „Die Uneinigkeit der Länder macht es nicht einfach.“ Einig seien sie sich nur gegen den Bund, sagte unter Verweis auf das Votum der 16 Landesverkehrsminister gegen eine Grundgesetzänderung für eine Bundesfernstraßengesellschaft. DB-Chef Rüdiger Grube sprach kurze Zeit später ebenfalls von 8,3 Mrd. EUR Regionalisierungsmitteln – unklar blieb, ob versehentlich oder mit realem Hintergrund. In DB- wie auch in Länderkreisen riefen die Äußerungen Erstaunen vor; eine Bestätigung gab es nicht.

Votum für Fernstraßengesellschaft und mehr ÖPP

Schäuble sprach sich für eine Bundesfernstraßengesellschaft aus, die auch die Bundesstraßen umfassen sollte; für den Anfang würden ihm aber auch die Autobahnen genügen. Deutschland müsse beim Fernstraßenbau besser werden, sagte er ohne nähere Erläuterung.

Überraschend deutlich plädierte er für mehr ÖPP und widersprach damit indirekt der SPD-Haushaltspolitikerin Bettina Hagedorn, die das Bundesfinanzministerium als Kronzeugen gegen ÖPP ansieht. „Ich weiß, dass Rechnungshöfe ÖPP nicht mögen, und dass es da auch Fehlentwicklungen gibt“, sagte er. ÖPP seien aber nötig, um auf dem Wege von „Trial and Error“ auszuprobieren, welche Möglichkeiten es gibt, die Leistungsfähigkeit im Straßenbau zu steigen. (roe)