Abgas-U-Ausschuss: Behörden mit Scheuklappen

Das ist die Kernerkenntnis aus der zweiten Zeugenbefragung im Bundestags-Untersuchungsausschuss. Zwar hat sich das Umweltbundesamt (UBA) 2011 an ein seit 2010 laufendes Projekt zur sogenannten Feldüberwachung im Betrieb befindlicher Fahrzeuge von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) „angehängt“; beide Seiten haben aber offenbar kaum miteinander kommuniziert. Die tatsächlichen Messungen hat der TÜV Nord nach Vorgaben der beiden Behörden vorgenommen

Ziel des UBA war es, realistische Emissionsdaten unter anderem für das „Handbuch Emissionsfaktoren“ (HBEFA) zu gewinnen. Dafür wurden auch Fahrzyklen außerhalb des für die Typgenehmigung maßgeblichen NEFZ gemessen. Dabei wurden zwar Stickoxid-Emissionen über den Grenzwerten festgestellt, dies wurde aber immer auf die lange bekannten Unzulänglichkeiten des NEFZ geschoben.

Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) wiederum hatte 2010 vom Verkehrsministerium den Auftrag erhalten, in einer Feldüberwachung gemäß den Vorgaben der EU – und damit entlang gemäß dem NEFZ – die Dauerhaltbarkeit der Abgasreinigungsanlagen anhand von länger im Betrieb befindlichen Fahrzeugen zu untersuchen. Das davon abweichende UBA-Untersuchungskonzept war ihnen unbekannt.

Nachdem bei der ersten Stichprobe von drei VW Golf zwei wegen hoher Stickoxidemissionen auffällig geworden waren, sprach VW von „Einzelfällen“. In einer auf acht Fahrzeuge ausgeweiteten Stichprobe bewegte sich die Zahl der Ausreißer im zulässigen Rahmen. Unklar blieb im Rahmen der Befragung, welche Rolle ein „Software-Update“ von VW spielte, das nach der ersten Stichprobe vorgenommen wurde. Die BASt-Mitarbeiter sind dieser Frage offenbar nicht nachgegangen. Unklar blieb auch, warum das Projekt zur Feldüberwachung abgeschlossen wurde, obwohl noch eine Stellungnahme von VW fehlte.

Gewissermaßen „nebenbei“ hat die BASt auch den CO2-Ausstoß gemessen. Er überschritt bei sechs von 17 Fahrzeugtypen selbst im NEFZ  die zulässige Toleranz. Den Gründen ist die BASt aber nicht nachgegangen.

Sowohl UBA- als auch BASt-Mitarbeiter erklärten, dass sie vor dem Bekanntwerden des Skandals in den USA keine Hinweise auf illegale Abschalteinrichtungen in der Abgasreinigung hatten. Weder BASt noch UBA waren in der VW-Untersuchungskommission involviert. (roe)

Externe Links:

Abschlussbericht des UBA-Projektes

Kurzfassung des Berichts über die BASt-Feldüberwachung

Kostenentlastung für Luftverkehr kommt auf den Tisch

Die Verkehrspolitiker Florian Oßner (CSU) und Arno Klare (SPD) regten am Donnerstag bei der ersten Lesung der Novelle des Luftsicherheitsgesetzes an, noch einmal über die Vollkostendeckung der Luftsicherheit durch die Gebühren nachzudenken.In §17a wird der Rahmen für die Gebührenerhebung abgesteckt.

Klare sagte, man sollte in Anlehnung an die Eisenbahn prüfen, von einer 100-prozentigen Anlastung der Kosten abzusehen. Bei der Eisenbahn seien es 20,3 Prozent. Zum Gesetzentwurf wird es noch eine Anhörung im federführenden Innenaussschuss geben.

Der Linken-Verkehrspolitiker Thomas Lutze mahnte ein Re-Verstaatlichung der Luftsicherheit in die Hände der Bundespolizei an. Derzeit unterlägen die Unternehmen, die die Fluggäste und Fracht kontrollieren, einer „Profitmaximierungslogik“. Die Folgen seien die bekannten Fälle, in denen es gelungen sei, verbotene Gegenstände durch die Kontrollen zu schmuggeln. Der Unions-Innenpolitiker Stephan Mayer hielt ihm entgegen, dass die Luftverkehrswirtschaft im Vorfeld eher zuviel staatliche Kontrolle und Aufsicht bemängelt habe. (roe)

EU verklagt Deutschland wegen Pkw-Maut

Wie die Kommission am Donnerstag mitteile, seien die grundsätzlichen Bedenken der Kommission trotz zahlreicher Kontakte mit den deutschen Behörden seit November 2014 nicht ausgeräumt worden. Daher verklage die Kommission Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof.

Zwar unterstütze die Kommission faire und effiziente Preise im Verkehr, aber die deutsche Pkw-Maut verstoße gegen die im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankerten Grundsätze der Nichtdiskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit sowie des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs. Neben der 1:1-Mautkompensation über die Kfz-Steuer für deutsche Halter kritisiert die EU auch die Preise von Kurzzeitvignetten, die in einigen Fällen unverhältnismäßig hoch seien.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt begrüßte die Klage. „Die Entscheidung ist längst überfällig“, sagte er, „Brüssel hat das Verfahren schon viel zu lange verzögert. Die Infrastrukturabgabe ist europarechtskonform, das wird der Europäische Gerichtshof bestätigen.“ (roe)

Streit um Klimaschutz im Verkehr geht weiter

„Das ist vielleicht weniger als mancher Umweltpolitiker wünscht, und es wird auch nicht weniger, wie sich vielleicht mancher Verkehrspolitiker wünscht.“ Sie forderte den anwesenden Verkehrsstaatssekretär Rainer Bomba auf, Behauptungen der Linken-Verkehrsexpertin Sabine Leidig nachzugehen, wonach Mitarbeiter des BMVI gesagt hätten, Klimaschutz sei ihnen egal. „Damit hätte ich ein Problem“, warnte sie ihn.

Die Grünen-Verkehrsexpertin Valerie Wilms forderte, im BVWP 2030 viel genauer abzubilden, wo positive Angebote für eine Verlagerung von der Straße auf Schiene und Wasserstraße gemacht werden können. „Ich will niemanden zwingen, auf etwas zu verzichten“, sagte sie unter Hinweis auf die leidvollen Erfahrungen ihrer Partei mit dem Vorschlag eines „Veggie-Day“.

Wilms fordert deutliche Preissignale

Weiter plädierte Wilms dafür, die bisherige Gießkannenmethode für die Förderung alternativer Antriebe zu beenden und stattdessen eine „klare Ansage zu machen, wohin die Reise geht“. Auch müsse überlegt werden, wie das Preisgefüge für Kraftstoffe so verändert werden kann, dass alternative Kraftstoffe auch wirtschaftlich darstellbar sind.

Auffällige Stille um Autobahngesellschaft

Bemerkenswert unauffällig wurde das Thema Bundesautobahngesellschaft abgehandelt. Bomba skizzierte kurz eine bundeseigene GmbH, die die Autobahnen über ihren gesamten Lebenszyklus betreut. „Ich hoffe, dass wir uns mit den Ländern noch einigen können. Ich glaube, dass wir in dieser Legislaturperiode noch ein Gesetz verabschieden können.“ Eduard Oswald, Präsident von Pro Mobilität, formulierte lediglich die Frage, ob es eine Kompromisslinie für die Bundesfernstraßengesellschaft gibt. Wilms sprach sich für die Autobahngesellschaft aus, weil dann ÖPP überflüssig würden.

Neue Akzente bei Pro Mobilität

Deutlich wurde, dass der neue Verbandspräsident ein breiteres Themenspektrum im Blick hat als sein Vorgänger Peter Fischer: Um die Akzeptanz für den Verkehrsträger Straße zu sichern, müsse Lärmschutz „höchste Priorität“ haben, sagte er. Auch die Verkehrssicherheit sei extrem wichtig. Besorgt zeigte er sich über die Entwicklung in den letzten beiden Jahren. 2016 zeichne sich zwar wieder eine günstige Entwicklung ab; se sei aber zweifelhaft, ob die ehrgeizigen Ziele eingehalten werden könnten. (roe)

Aufgefischt 29.9.2016

Die Versuchsstrecke des Kraftfahrt-Bundesamtes für Emissionstests auf dem ehemaligen Militärflugplatz Leck wird voraussichtlich erst Ende 2017 in Betrieb gehen, berichten die SHZ-Zeitungen.

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch das Regierungsprogramm für Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie 2016-2026 beschlossen und damit grünes Licht für weitere Förderung aus dem Nationalen Innovationsprogramm (NIP II) gegeben. Laut Mitteilung des BMVI umfasst das NIP II für die Jahre 2016-2019 ein Fördervolumen von 250 Mio. EUR, davon sind bisher 161 Mio. EUR. Gefördert werden anwendungsnahe Forschung und die Marktvorbereitung. Anträge können ab Freitag gestellt werden.

Das hessische Verkehrsministerium hat am Mittwoch seinen Mobilitätsbericht 2016 vorgestellt. Auf Probleme wie die Zukunft des Flughafens Kassel-Calden oder die Klagen wegen der überschrittenen Immisionswerte in Wiesbaden und anderen Städten werden nur gestreift.

Das Wassertourismus-Konzept des BMVI ist bei einer Anhörung im Bundestags-Tourismusausschuss auf Ablehnung gestoßen, berichtet der Informationsdiens Heute im Bundestag. (roe)

Westeuropäische Verkehrsminister drohen EU mit Blockade

In einem gemeinsamen Brief, der dem Verkehrsbrief vorliegt, stellen die Verkehrsminister von Deutschland, Frankreich, Italien, Dänemark, Luxemburg, Belgien, Österreich und Norwegen EU-Verkehrskommissarin ein Junktim zwischen ihrer Zustimmung zu einer weiteren Liberalisierung des Marktes und einem entschiedeneren Vorgehen gegen das Sozialdumping her. Die EU-Kommission hatte 2015 in ihrem „Road Package unter anderem eine Lockerung der Kabotagevorschriften angeregt.

Nach Ansicht der Minister ist unter anderem eine Stärkung und Harmonisierung der Kontrollen notwendig. „Es erscheint uns grundlegend, dass die Anwendung vergleichbarer Vorschriften und Sozialstandards auf EU-Ebene Voraussetzung für jede Diskussion weiterer Liberalisierungsschritte im Straßengüterverkehrsmarkt ist.“

Prof. Karlheinz Schmidt, Hauptgeschäftsführer des Güterkraftverkehrsverbandes BGL, kritisierte gegenüber dem Verkehrsbrief, dass die EU-Kommission einerseits alle Ansätze, die Auswüchse über eine effektive nationale Kontrolle in den Griff zu bekommen, als Behinderung der Dienstleistungsfreiheit im europäischen Binnenmarkt verfolge; andererseits sei wegen des Widerstands der ostmitteleuropäischen Staaten eine europäische Lösung in weiter Ferne. So würde bei einem elektronischen Meldesystem sehr schnell offenbar werden, wo in Wirklichkeit Steuer- und Sozialversicherungspflicht besteht. Die EU sperre sich aber gegen nationale Systeme wegen des „unzumutbaren“ Aufwands.

Die Minister fordern in ihrem Schreiben auch eine einheitliche Regelung zum Verbringen der Wochenruhezeit im Fahrerhaus. Schmidt wies darauf hin, dass nationale Verbote wie in Frankreich und Belgien das Problem nur in andere Staaten verlagerten. Derzeit wird in den Koalitionsfraktionen eine nationale Regelung geprüft.

Ein Dorn im Auge ist den Ministern auch der zunehmende Einsatz leichter Lkw bis 3,5t im internationalen Verkehr. Diese unterliegen nicht den Beschränkungen für den Zugang zum Güterkraftverkehr, von der Fachausbildung bis bis zur Kontrolle durch Aufsichtsbehörden

Dobrindt und seine Kollegen mahnen, dass die EU nicht nur auf freien Wettbewerb und maximalen Profit sein sollte, sondern auf gemeinsamen Werte ruhe. Andernfalls drohe noch mehr Europaverdrossenheit der Bürger. (roe)

Änderung des Wiener Übereinkommens wird ratifiziert

Der Bundestag wird am Donnerstag mit den Stimmen der Koalition und der Linken die Änderung des Wiener Übereinkommens von 1968 billigen, mit der teilautomatisierte Fahrfunktionen zugelassen werden, sofern sie vom Fahrer abgeschaltet oder übersteuert werden können.

Bisher galt der Grundsatz, dass jeder Fahrer dauernd sein Fahrzeug beherrschen muss. Die 2014 von den Mitgliedstaaten vereinbarte Änderung erlaubt Fahrzeugsysteme, die die Führung eines Fahrzeugs beeinflussen, sofern sie der Fahrzeugführer übersteuern oder deaktivieren kann (Artikel 8 Absatz 5bis des Wiener Übereinkommens). Rein formal ist die Änderung für Deutschland schon am 23. April dieses Jahres in Kraft getreten, sie musste jedoch noch ratifiziert werden.

Die Bundesregierung erwartet sich von der Änderung mehr Rechtssicherheit sowohl im Hinblick auf schon im Verkehr befindliche Assistenz- oder automatisierte Systeme als auch auf deren Entwicklung. Das BMVI strebt in seiner „Strategie automatisiertes und vernetztes Fahren“ allerdings über diesen Schritt hinaus an, Computer dem menschlichen Fahrer rechtlich gleichzustellen.

Die Grünen halten die Änderung des Wiener Übereinkommens zwar im Grundsatz für richtig, sind aber der Meinung, dass parallel zur Änderung des Vertrages auch Fragen des Datenschutzes, der Haftungsregeln und der Mensch-Maschine-Interaktion geregelt werden müssten. (roe)

Externer Link: Deutsche Übersetzung des Wiener Abkommens (konsolidierte Fassung)

Aufgefischt 28.9.2016

Der hessische Landesverkehrsminister Tarek Al-Wazir hat am Dienstag im Landtag ein Konzept für eine „Lärmobergrenze“ für den Frankfurter Flughafen vorgestellt. Er beruft sich dabei auf Festlegungen im Mediationsergebnis für die Nordwestbahn und den Koalitionsvertrag. Für den Fall, dass die Lärmobergrenze überschritten wird, droht er Änderungen der Betriebsgenehmigung an. Der Luftverkehrsverband BDL begrüßte zwar das Gesprächsangebot des Ministers, sprach aber auch von einem Schlag gegen die Investitionssicherheit

Die Verkehrsminister von Deutschland, Frankreich, Italien und fünf anderen EU-Staaten fordern laut WAZ-Zeitungen in einem gemeinsamen Schreiben an EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc ein entschiedeneres Vorgehen gegen Sozialdumping im Lkw-Verkehr. Kritisiert werden unter anderem das Verbringen der Wochenruhezeit im Fahrerhaus und die Tätigkeiten von Briefkastenfirmen (eigener Bericht)

Am Freitag findet die Auftaktsitzung der Ethikkommission für das automatisierte und autonome Fahren statt, geht aus einer Presseeinladung des BMVI hervor. (roe)

BMVI ergreift Initiative für Bahn-Güterverkehr

„Ich habe zum ersten Mal Gestaltungswillen gespürt“, sagten zwei Teilnehmer unabhängig voneinander gegenüber dem Verkehrsbrief.

Ziel des BMVI ist es, bis März des kommenden Jahres einen auch mit konkreten physischen Maßnahmen bestückten „Masterplan Schienengüterverkehr“ auszuarbeiten. Der offenbar bewusst klein gehaltene Runde Tisch umfasst rund 15 Akteure, von Verladern über Eisenbahnverkehrsunternehmen bis hin zu Eisenbahninfrastrukturunternehmen. Es wurden drei Arbeitsgruppen zu den Themen Infrastruktur, Produktion und Rahmenbedingungen eingesetzt, die im Januar ihre ersten Berichte vorlegen sollen.

Dem Vernehmen nach sollen zum einen sektorinterne Versäumnisse angesprochen werden, zum anderen auch externe Faktoren, die den Wettbewerb mit der Straße verzerren. Dazu gehören langwierige Zulassungsverfahren, Steuern und Kostenbelastungen wie die EEG-Umlage.

Wie es weiter hieß, zeichnete sich beim Thema Infrastruktur ab, dass das BMVI eine stärker gestaltende Rolle übernehmen wolle und ein Besteller-Ersteller-Prinzip anstrebe. Damit würden sich ähnlich klingende Andeutungen von Verkehrsstaatssekretär Enak Ferlemann vor einigen Wochen bestätigen. (roe)

Regionalisierungsgesetz kommt auf die Tagesordnung

Im Entwurf des Regionalisierungsgesetzes, das jetzt dem Bundesrat zum ersten Durchgang zugeleitet wurde, ist die entsprechende Formulierung im §5 Absatz 10 gegenüber dem Referentenentwurf (siehe hier) unverändert geblieben: „Die Dynamik des Anstiegs der Infrastrukturentgelte, insbesondere der Stations- und Trassenentgelte im Schienenpersonennahverkehr der bundeseigenen Eisenbahninfrastrukturunternehmen, ist nach Maßgabe des Eisenbahnregulierungsrechts zu begrenzen.“

Das Gesetzentwurf soll zwar rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres in Kraft treten, ist aber trotzdem vom Bund nicht als besonders eilbedürftig annonciert worden. (roe)

Externer Link: Entwurf für die Novellierung des Regionalisierungsgesetzes