ÖPNV-Branche hadert noch mit neuer Mobilitätswelt

Der bewusst als Provokateur eingeladene Prof. Andreas Knie vom Think Tank InnoZ warnte die Branchenvertreter davor, von der Abkehr vieler Bürger vom Auto automatisch einen Zugewinn für den ÖPNV zu erwarten. „Der Autofahrer wechselt nicht zum ÖPNV, sondern zum Fahrrad – und wenn es regnet, zum Carsharing.“ Die Herausforderung durch Sharing-Modelle sei ernst zu nehmen – anders als der ÖPNV ermöglichten sie ein „hier“ (ohne Haltestelle) und „jetzt“ (ohne Fahrplan“) und ein „sofort“ (ohne Wartezeit). Die ÖPNV-Unternehmen sollten sich davon aber nicht erschrecken lassen, sondern an die Spitze setzen und ihre vielen Kontakte in Bindungen umwandeln. Er empfahl, eine wirklich neutrale Datenplattform für ÖV-Fahrpläne und Sharing-Anbieter einzurichten, auf die dann die Nutzer mit einer App ihres „Hausanbieters“ zugreifen können. „Der Kunde will eine einzige App – nicht dreißig.“ Vor dieser Offenheit scheue die Branche aber zurück. Doch was sei die Alternative? „Wenn wir [die ÖV-Unternehmen] es nicht tun, findet uns am Ende niemand mehr“, sagte er. Der SPD-Verkehrsexperte Andreas Rimkus ergänzte, dass es sonst ein anderer tue, und deutete indirekt auf Google und ähnliche Unternehmen.

Auf deutlichen Widerspruch stieß Knie mit seiner These, das „Großgefäß“ – wie U-Bahn, S-Bahn oder Straßenbahn und Bus – habe sich überlebt und es gehe langfristig nur noch darum, kleine Gefäße wie autonome Taxis zu füllen. Tim Dahlmann-Resing von den Nürnberger Verkehrsbetrieben sagte, das „Großgefäß“ werde in Innenstädten weiterhin seine Berechtigung haben. Beim Anschlussverkehr im Speckgürtel könne es allerdings anders aussehen. (roe)

Weiterer Bericht zu diesem Schwerpunkt: ÖPNV-Branche auf Emanzipationskurs vom PBefG?

VDV arbeitet an neuer Position zum Lang-Lkw

Der für Eisenbahnen zuständige Vizepräsident Joachim Berends kündigte auf der Jahrestagung am Dienstag in Dresden an, der Verband werde nicht darum herumkommen, sich zum Lang-Lkw zu positionieren. „Das wird der Verwaltungsrat für Eisenbahnen im Herbst tun.“ Er sprach sich dafür aus, den Lang-Lkw im Zulauf zum Kombinierten Verkehr zuzulassen. „Wir [die Eisenbahnen] werden auch davon profitieren, wenn die Produktivität im Vor- und Nachlauf steigt.“ Berends liegt damit auf der gleichen Linie wie die Allianz pro Schiene.

Der Grünen-Verkehrsexperte Stephan Kühn schlug einen weitergehenden Deal vor: Die Zustimmung zum Lang-Lkw im Zulauf zum Kombinierten Verkehr gebe es nur, wenn der Bund im Gegenzug Fördermittel für anwendungsorientierte Forschung im Güterbahnbereich bereitstelle, etwa zu automatischer Kupplung, zum automatisierten Rangieren oder anderen Feldern der Digitalisierung. (roe)

Aufgefischt 7.6.2016

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt will sich laut Süddeutscher Zeitung beim EU-Verkehrsministerrat am heutigen Dienstag dafür stark machen, die Regelungslücke für „Thermofenster“ in den EU-Abgasvorschriften zu schließen. Wer „Thermofenster“ nutzt, soll sie vor der Typgenehmigung offenlegen – auch rückwirkend. Die Deutsche Umwelthilfe sieht darin laut Pressemitteilung eine Amnestie für bisherige Verstöße.

Der BUND will auch gegen den nachgebesserten Planfeststellungsbeschluss für den A14-Abschnitt Dolle-Lüderitz (Sachsen-Anhalt) klagen, berichtet der MDR.

Rheinland-Pfalz hat laut eigener Mitteilung seinen Anteil von 82,5 Prozent am angeschlagenen Regionalflughafen Hahn an einen chinesischen Investor verkauft – vorbehaltlich der Zustimmung des Landtages und der EU-Kommission zu weiteren Betriebsbeihilfen. (roe)

Elektrische Busse könnten CO2-Bilanz deutlich entlasten

Eine Umstellung aller 1400 BVG-Busse würde die CO2-Bilanz des Verkehrs in Berlin um rund 10 Prozent entlasten. Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz mahnte allerdings ein stärkeres Engagement der deutschen Bushersteller und mehr praxisnahes Denken an. Die Vorstellung, an jeder Haltestelle könne geladen werden, sei irrig. „Da geht mehr“, verlangte er. Ziel müsse es sein, einen ganzen Tagesumlauf ohne Nachladen zu schaffen.

Christian Hochfeld vom Think Tank Agora Verkehrswende befürchtet, dass Elektrobusse in Zukunft nicht aus Europa kommen. In China seien schon jetzt 35.000 Elektrobusse im Einsatz – nicht 100 wie in ganz Deutschland. Wenn in ein bis zwei Jahren die nächste Generation chinesischer Elektrobusse auf den Markt komme, werde dort unvergleich mehr mehr Praxiserfahrung eingeflossen sein. Nach Angaben von Scholz kostet ein Elektrobus aktuell noch mehr als doppelt so viel wie ein Dieselbus.

Den höheren Anschaffungskosten stehen nach Ansicht von Rico Gast allerdings auch Vorteile gegenüber: Betriebswirtschaftlich gebe es „Potenzial“ in den Werkstätten und bei den Betriebskosten. Aktuell, so ließ er durchblicken, seien die laufenden Kosten wegen Kinderkrankheiten noch höher. Es gelte allerdings, Widerstände bei den Fahrern und den Werkstattmitarbeitern zu überwinden. „Sagen Sie mal einem 45 Jahre alten Automechaniker, dass Sie ihm die Ölwanne wegnehmen“. Die Fahrer seien erst dadurch gewonnen worden, dass die Elektrobusse deutlich sportlicher beschleunigen als Dieselbusse. (roe)

Kaufprämie für E-Autos bleibt Zankapfel

Bei einer nicht repräsentativen Umfrage in einem Workshop am Montagmorgen gab von rund 50 Teilnehmern etwa ein Viertel an, ein Elektroauto zu fahren – aber ausschließlich als Firmenwagen.

Kritik an deutscher Autoindustrie reißt nicht ab

Dementsprechend überwog auch die Skepsis, ob die Kaufprämie wirklich einen Aufschwung in den Zulassungszahlen bewirkt. Viele Teilnehmer des Workshops sprachen jedoch davon, dass die Prämie nicht über den Kauf eines Elektroautos entscheiden werde. Grundsätzliche Probleme blieben, wie zu geringe Reichweite, fehlende Ladeinfrastruktur und mangelnde Modellvielfalt. So plant Ford von der Elektrovariante seines Brot- und Buttermodells Focus keinen Kombi, weil dafür nur in Deutschland Nachfrage zu erwarten sei. Bei Firmenwagen komme hinzu, dass die Statusdifferenzierung derzeit nur über die Ausstattung und kaum über die Wagengröße möglich sei.

Mehrfach wurde auf der Veranstaltung Desinteresse der Händler konstatiert, Elektroautos zu verkaufen – dem Vernehmen nach sind die Provisionen geringer als bei herkömmlichen Autos. Anders als bei konventionellen Fahrzeugen gebe es in der Praxis auch keine Händlerrabatte.

Einer der Teilnehmer stellte die These in den Raum, dass die (deutsche) Autoindustrie mit der Elektrifizierung bei den falschen Fahrzeugen angefangen habe: „Innovative Technologie wird über die Oberklasse eingeführt“, sagte er.

Festgestellt wurde aber auch, dass die Kaufprämie als Startsignal von Bedeutung sein können. Verkehrsstaatssekretär Rainer Bomba hob in einer Podiumsdiskussion am Nachmittag ebenfalls hervor, dass er in der vor etwa zwei Jahren aufgekommenen Forderung der Industrie nach der lange Zeit abgelehnten Kaufprämie ein wichtiges Zeichen für die Marktreife sieht. Optimistisch zeigte sich Henning Kagermann, Vorsitzender der Nationalen Plattform Elektromobilität: Er erwartet von der Kaufprämie den Verkauf 250.000 zusätzlicher Elektroautos.

Elektroauto belohnt Vielfahrer

Unstrittig war, dass sich ein Elektroauto bei höheren Fahrleistungen wirtschaftlich schnell lohnt (total cost of ownership). Psychologisches Hindernis sei aber der hohe Kaufpreis am Anfang. Vorgetragen wurde das Beispiel eines Taxifahrers, dessen unrabattierter Tesla sich schon nach drei Jahren und rund 300.000km dank geringerer „Kraftstoff“- und Wartungskosten (Bremsen!) gegenüber einem rabattierten E-Klasse-Mercedes amortisiert habe.

Bestätigt wird das durch einen Online-Rechner, mit dem gewerbliche Anwender die Kosten von E-Kfz mit konventionellen Fahrzeugen vergleichen können. Das Programm wurde vom Öko-Institut Freiburg im Rahmen der Schaufenster Elektromobilität entwickelt und am Montag erstmals öffentlich vorgestellt (externer Link hier).

Post will Kaufprämie anzapfen

Ein gewerblicher Nutzer, der sich ebenfalls zufrieden zeigte, war Achim Kampker von der Deutschen Post. Der in Eigenregie produzierte Lieferwagen Streetscooter sei bei den Mitarbeitern extrem beliebt. Die Wartungskosten lägen 30 Prozent unter denen für konventionelle Fahrzeuge. Er kritisierte allerdings, dass derzeit im Markt für Elektromobilität sehr viele Anbieter unterwegs seien, „die die Hand aufhalten“. Deswegen habe sich die Deutsche Post entschlossen, möglichst viele Leistungen intern zu erbringen oder von wenigen Kernpartner einzukaufen. Auf Nachfrage bestätigte Kampker Mutmaßungen, dass das mehrheitlich staatseigene Unternehmen für den Streetscooter die Kaufprämie in Anspruch nehmen will.

Etwas überraschend hingegen berichtete Wolfgang Gruel vom Carsharing-Anbieter Car2Go, dass die Kosten für E-Autos dort höher seien. Ein Faktor seien Fahrzeuge, denen der Strom ausgehe und die dann abgeschleppt werden müssten. Ein weiterer Faktor seien die Ladezeiten, während der das Auto nicht für die Kunden zur Verfügung stehe. Sein Unternehmen setze aber darauf, dass die digitale Vernetzung und das automatisierte Fahren Fahrzeug und Nachfrager in Zukunft besser zusammenbringe.

Norweger empfehlen „Donut-Prinzip“ für Ladeinfrastruktur

Ole Henrik Hannisdahl vom norwegischen Ladesäulen-Dienstleister Groenn Kontakt übte indirekte Kritik an der deutschen Politik, den Aufbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur zu fördern. Damit werde der Anreiz für Autohersteller vermindert, die Reichweite ihrer Fahrzeuge zu verbessern, und dem Verbraucher werde damit weiterhin auferlegt, sein Nutzungsverhalten zu ändern. Er plädierte dafür, zuerst möglichst viele Autos in den Markt zu bringen. Den Anfang sollte der „Donut“ (Speckgürtel) um die Innenstädte machen, wo die Menschen ihre Fahrzeuge zu Hause laden können. (roe)

Aufgefischt 6.6.2016

Das NRW-Verkehrsministerium hat nach eigenen Angaben einen Ideenwettbewerb für Brücken aus vorgefertigten Teilen erfolgreich abgeschlossen. Die erste „Lego“-Brücke soll als Ersatzneubau in Hagen über die A46 führen.

Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur dpa wird der Flughafen Hahn an einen chinesischen Investor verkauft. Am heutigen Montag will die Landesregierung in Mainz dazu Stellung nehmen.

In Norwegen soll sich die Politik im Grundsatz auf ein Verkaufsverbot für Autos mit Verbrennungsmotor ab 2015 geeinigt haben. Das berichtet Ecomento.tv unter Beruf auf einen norwegischen Medienbericht. (roe)

Nutzfahrzeuge verfehlen alle Klimaziele

Wie aus der am Mittwoch veröffentlichten Shell-Nutzfahrzeugstudie 2016 hervorgeht, die gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erarbeitet wurde, könnte der Gesamtenergiebedarf der Nutzfahrzeuge im sogenannten „Alternativszenario“ gegenüber 2014 um 13 Prozent sinken und der Dieselverbrauch sogar um knapp die Hälfte; der Löwenanteil des übrigen Verbrauchs würde jedoch voraussichtlich auf Flüssigerdgas (LNG) entfallen. Klammert man aus erneuerbarem Strom erzeugtes „Erdgas“ und Biotreibstoffe aus, würden knapp 99 Prozent des Energiebedarf mit fossilen Kraftstoffen gedeckt. „Aus unseren Szenarien geht hervor, dass der Verkehr mit Nutzfahrzeugen vom heutigen Stand aus die Vorgabe von 70 Prozent weniger direkten Treibhausgasemissionen bis 2040 gegenüber dem Jahr 1990 nicht erreichen wird“, erklärt DLR-Projektleiter Andreas Lischke. Laut Studie sind für den Zeitraum 2014-2040 minus 20 Prozent erreichbar; gegenüber 1990 würde das aber immer noch einen Zuwachs bedeuten (wegen unterschiedlicher statistischer Basis nicht genau bezifferbar).

Grund ist, dass CO2-neutrale Antriebe (Elektroantrieb, Brennstoffzelle) nur für Nutzfahrzeuggruppen mit vergleichsweise geringen Fahrleistungen und Durchschnittsverbräuchen in Frage kommen. Hauptverbrauchsträger ist aber der schwere Fernverkehrs-Lkw, wo aus heutiger Sicht nur LNG als Alternative zum Diesel in Frage kommt. Trostpflaster ist, dass die Haltedauer in diesem Segment nur gut vier Jahre beträgt und LNG-Antrieb dort relativ zügig in der Flotte ausbreitet.

Shell-Studie-Neuzulassungen-2040

Unterstellt wurde, dass der Straßengüterverkehr entsprechend der Verkehrsprognose 2030 des BMVI bis 2040 weiterwächst und sich das Durchschnittsalter der Fahrzeuge in den einzelnen Nutzfahrzeugsegmenten nicht verändert. (roe)

Externer Link: Shell-Nutzfahrzeugstudie

EU empfiehlt maßvollen Umgang mit neuen Mitfahrdiensten

„Die europäische Wirtschaft braucht Produkt- und Dienstleistungsinnovationen, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben will“, erklärte der für Innovationen zuständige Kommissar Jyrki Katainen am Donnerstag in Brüssel bei der Vorstellung von Leitlinien für derartige Geschäftsmodelle. „Der nächste Schritt könnte hier von der kollaborativen Wirtschaft ausgehen.“ Die bisher ungleiche Behandlung in den Mitgliedstaaten schaffe Unsicherheit für Anbieter wie Verbraucher. Die Leitlinien sollten ein einheitliches Agieren erleichtern.

Eckpunkte sind:

  • Plattformen sollten keinen Genehmigungs- oder Zulassungsanforderungen unterliegen, wenn sie lediglich als Vermittler zwischen Verbrauchern und den Anbietern der eigentlichen Dienstleistung auftreten (z. B. Beförderung oder Unterkunft). Zwischen gelegentlichen und gewerbsmäßigen Erbringern von Dienstleistungen sollte anhand von Schwellenwerten unterschieden werden.
  • Gemeinsame Plattformen können von der Haftung für die Leistung der eigentlichen Dienstanbieter ausgenommen werden, sollten jedoch nicht von der Haftung für von ihnen selbst angebotene Dienstleistungen wie Zahlungsabwicklungen ausgenommen werden.
  • Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass Verbraucher gut vor unlauteren Geschäftspraktiken geschützt werden, ohne dass unverhältnismäßige Pflichten für Privatpersonen entstehen, die nur gelegentlich Dienstleistungen erbringen.
  • Die Mitgliedstaaten könnten bei der Entscheidung, ob jemand als Beschäftigter einer Plattform gilt, möglicherweise Kriterien wie das Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses, die Art der Arbeit und die Frage der Entlohnung heranziehen.
  • Die Mitgliedstaaten werden aufgerufen, die Anwendung der Steuervorschriften in der kollaborativen Wirtschaft zu vereinfachen und klarer zu gestalten. Im Gegenzug sollen die Plattformen der kollaborativen Wirtschaft uneingeschränkt mit den nationalen Behörden kooperieren, damit sie Wirtschaftstätigkeiten erfassen und Steuern leichter erheben können.

Die Kommission will Veränderungen der Preise und der Qualität der Dienstleistungen verfolgen sowie gegebenenfalls Probleme aufzeigen, die auf unterschiedliche nationale Regelungen oder Regelungslücken zurückgehen. (roe)

Externer Link: Mitteilung – Europäische Agenda für die kollaborative Wirtschaft

Aufgefischt 3.6.2016

Eine Leverkusener Bürgerinitiative fordert, die A1-Zulaufstrecke zur Rheinbrücke beim geplanten Ausbau genauso in einen Tunnel zu verlegen wie es aktuell im Norden Hamburgs mit der A7 praktiziert wird. Das berichtet die Rheinische Post.

Das NRW-Verkehrsministerium bewertet die vor einem Jahr eingeführten mobilen Sichtschutzwände gegen Gaffer an Autobahn-Unfallstellen als Erfolg. Nach einer eigenen Mitteilung normalisiere sich der Verkehr auf der Gegenfahrbahn schneller als sonst, Auffahr- und „Stauende-Unfälle“ nähmen ab. Bei den bisherigen 43 Einsätzen habe die Zeit zwischen Anforderung und Aufbau 20 bis 90 Minuten betragen.

Die Bild-Zeitung und N-TV meinen, in Äußerungen von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble auf dem Tag der Bauindustrie ein Plädoyer für eine unkompensierte Pkw-Maut erkannt zu haben.

Das BMVI hat am Freitag offiziell den Startschuss für Bewerbungen um Fördermittel aus dem mit 100 Mio. EUR dotierten „mFund“ gegeben. Gefördert werden laut Pressemitteilung digitale Geschäftsideen, die auf Mobilitäts-, Geo- und Wetterdaten basieren. (roe)

Neue Studie zur Autobahngesellschaft

„Es spricht vieles dafür, dass die Verwaltungsaufgaben des Bundes bei den Bundesfernstraßen nicht im Bundesverkehrsministerium, sondern durch eine eigene Organisationseinheit wahrgenommen werden sollten“, heißt es in der im Auftrag des ADAC unter Leitung von Prof. Thorsten Beckers (TU Berlin) erarbeiteten Studie. „Insofern dürfte die Gründung einer Bundesautobahn-Gesellschaft (BAB-Gesellschaft) in jedem Fall eine sinnvolle Maßnahme darstellen und kann somit grundsätzlich empfohlen werden.“

In der Studie untersucht das Forscherteam aus Wirtschaftswissenschaftlern und Juristen Reformvarianten für Verwaltung und Finanzierung mit unterschiedlicher Eingriffstiefe. Von der Eingriffstiefe hängt auch die Ausstattung der Bundesautobahngesellschaft mit Personal für eigene Planungs- und Realisierungskompetenz ab.

AöR oder GmbH?

Als Gesellschaftsform enpfehlen die Autoren eine Anstalt öffentlichen Rechts (AöR). Verkehrsstaatsssekretär Enak Ferlemann widersprach in der Diskussion am Mittwoch: Eine AöR müsse im Gründungsgesetz sehr genau beschrieben werden, jede spätere Änderung sei kompliziert. Die Regierung habe sich daher für die GmbH entschieden, weil sie ausreichend Flexibilität biete.

Die Autoren vermeiden eine abschließende Empfehlung für ein Reformmodell. Kritische Punkte, die nur schwer abzuschätzen sind, seien der Aufwand für den Umbau und die Gefahr von Fehlentwicklungen als Folge des gewählten Reformpfads.

Fünf Reformmodelle vorgestellt

Reformmodell 1.1 – Beibehaltung der Auftragsverwaltung ohne Grundgesetzänderung: In diesem Modell würde der Bund die Planungskostenpauschale für prioritäre Projekte erhöhen, um Anreize für die Länder zu schaffen, diese Projekte vorrangig umzusetzen. Durch eine höhere Planungskostenpauschale würde es auch erleichtert, die Dienste der Deges in Anspruch zu nehmen. In einer Weiterentwicklung („Reformmodell 1.1*“) könnten die Länder im Bundesrat zunächst einem Paket bundeseinheitlicher Allgemeiner Verwaltungsvorschriften zustimmen, um den Flickenteppich unterschiedlicher Landesvorschriften zu bereinigen. Außerdem wäre ein Gesetz denkbar, mit dem Bund ermächtigt wird, auf die Strukturen der Länderverwaltungen in Bezug auf die Autobahnen Einfluss zu nehmen.

Reformmodell 1.2 – Beibehaltung der Auftragsverwaltung mit Grundgesetzänderung: Hier würde der Bund mindestens ermächtigt, auch ohne Zustimmung der Länder bestimmte Standards für die Auftragsverwaltungen festzulegen – zum Beispiel zu IT-Standards oder Verwaltungsstrukturen. Darüber hinaus wäre denkbar, dass der Bund zentrale Investitionsvorhaben in seine Planungs- und Ausführungshoheit übernmmt – entweder in einem vorab definierten Kernnetz oder nach fallweiser Entscheidung durch den Bundestag. Die finanziellen Anreize aus dem Reformmodell 1.1 könnten ebenfalls integriert werden.

Anbieten würde es sich ferner in diesem Modell, die Deges in die Bundesautobahngesellschaft zu überführen. „Auf keinen Fall sollte die BAB-Gesellschaft im Bereich der Planung sowie der Ausschreibungsvorbereitung und Bauüberwachung eine zu geringe Eigenerstellungsquote aufweisen.“ Als Maßstab wird die bayerische Straßenbauverwaltung genannt. Mit diesem Modell könnten nach Auffassung der Autoren speziell Großprojekte besser geplant und gesteuert werden.

Reformmodell 2 – Hoheit beim Bund, Ausführung per Organleihe durch Auftragsverwaltung: De jure wird hier die Auftragsverwaltung per Grundgesetzänderung abgeschafft; per Organleihe (hoheitliche Beauftragung) bleiben die Länderverwaltungen aber ausführendes Element. Die Eckpunkte des Reformmodells 1.2 werden dabei integriert. Offen bleibe aber allerdings die Frage, wie genau den Ländern Gewissheit verschafft werden kann, dass die Organleihe von Dauer ist.

Reformmodell 3 – Starke Bundesautobahngesellschaft ohne Länderbeteiligung: Diesem offenbar vom BMVI bevorzugten Modell bescheinigen die Autoren, dass damit die heutigen Bund-Länder-Probleme entfallen würden, „aber es würden neue Koordinationserfordernisse und sicherlich auch Probleme entstehen (z.B. Abstimmungsbedarf beim Verkehrsmanagement zwischen Bund und Ländern)“.

Gesondert nachgedacht werden müsste darüber, wo die Verantwortung für Planfeststellungsverfahren verortet wird. Das BMVI will sie laut Eckpunktepapier vom Dezember 2015 auf Bundesebene ziehen. „Wenn ich Eisenbahn-Bundesamt und Bundesnetzagentur bei ihren Planfeststellungsverfahren beobachte, frage ich mich, ob sich der Bund da nicht zu viel vornimmt“, mahnte Prof. Georg Hermes von der Uni Bonn in der Diskussion am Mittwoch. Nach Ansicht der Autoren sei denkbar, diese Zuständigkeit bei den Länder zu belassen.

In diesem Modell müsste die Autobahngesellschaft mit dezentralen Niederlassungen arbeiten und sollte eine hohe Eigenerstellungsquote darstellen können – höher jedenfalls als die Länder derzeit. Risiko dabei sei, dass die besten Mitarbeiter der Länderverwaltungen zum Bund abwandern.

Offen sei, wie der Übergang von der Auftragsverwaltung gestaltet werden kann. Denkbar sei eine zeitweilige Organleihe, so die Autoren der Studie. Am Rande erörtert – aber wegen zahlreicher Nachteile verworfen – wird die Möglichkeit, dass die Bundesautobahngesellschaft größere Teile des Autobahnnetzes als ÖPP auslagert.

Reformmodell 4 – Übernahme in Bundeshand nur für ausgewählte Länder: Kurz gestreift wird ein Modell, in dem einzelne Länder auf finanziellen Anreize hin ihre Auftragsverwaltung freiwillig abtreten – das ist im Grundgesetz bereits vorgesehen. Alternativ sei denkbar, dass die Bund die Verwaltung in einem ersten Schritt bundesweit an sich zieht, dann aber nur ausgewählte Länder auf dem Wege der Organleihe wieder mit der Auftragsverwaltung betraut. Wie schon im Modell 2 müsste aber die Dauerhaftigkeit garantiert werden.

Was wird mit den Bundesstraßen?

Für autobahnähnliche Bundesstraßen und solche mit echter Fernverkehrsrelevanz empfehlen die Autoren, sie unabhängig vom Reformmodell wie Autobahnen zu behandeln. Für die anderen Bundesstraßen sei es wegen der Synergieeffekte sinnvoller, sie im Verwaltungszusammenhang mit den Landesstraßen zu belassen. Unterschiedliche Varianten seien jedoch für die Finanzierung denkbar:

  • Wenn der Bund weiterhin für diese Bundesstraßen zuständig sein will, sei ein modifiziertes Status-Quo-Modell denkbar, in dem der Bund voll finanziert, aber die Prioritäten verbindlich mit den Ländern vereinbart werden;

  • Bei einer flächendeckenden Abstufung sollte der Bund zumindest projektbezogen, möglicherweise aber auch flächendeckend Zuschüsse gewähren können – auch wenn dies im Kern eine Rückkehr zum 2006 abgeschafften Grundgedanken des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes bedeuten würde.

Finanzierung: Was ist Ziel der Gesellschaft?

Ausführlich untersucht werden Finanzierungsmodelle. Grundforderung der Autoren ist eine mehrjährige verlässliche Selbstbindung der öffentlichen Hand. Öffentlichen Erörterungsbedarf sehen sie vor allem bei der Frage, in weit die Autobahngesellschaft Kredite aufnehmen können soll. Eine unbekannte Größe sei derzeit, inwieweit die Bundesregierung die Autobahngesellschaft als Vehikel ansieht, um die nationale Schuldenbremse und die Maastricht-Kriterien zu umgehen.

Das Risiko dabei sei, in die Fallstricke des europäischen Beihilferechts zu geraten. Vereinfacht formuliert: Um Schulden Maastricht-konform verstecken zu können, muss die Gesellschaft möglichst unternehmerisch aufgestellt sein – und damit setzt sie sich dem europäischen Beihilferecht aus. Kritisch seien dann zum Beispiel teilweise Steuerfinanzierung, Staatsgarantien für Anleihen oder „überhöht“ angesetzten Nutzerentgelte. Deswegen seien auch rein mautbasierte Finanzierungskreisläufe sorgfältig zu prüfen. Das Modell Asfinag sei heute so nicht mehr wiederholbar, sondern der Sondersituation Österreichs beim EU-Beitritt zu verdanken, war am Rande der Veranstaltung zu hören. (roe)

Externer Link: Studie „Reformmodelle … bei den Bundesfernstraßen