Neue Studie zur Autobahngesellschaft

„Es spricht vieles dafür, dass die Verwaltungsaufgaben des Bundes bei den Bundesfernstraßen nicht im Bundesverkehrsministerium, sondern durch eine eigene Organisationseinheit wahrgenommen werden sollten“, heißt es in der im Auftrag des ADAC unter Leitung von Prof. Thorsten Beckers (TU Berlin) erarbeiteten Studie. „Insofern dürfte die Gründung einer Bundesautobahn-Gesellschaft (BAB-Gesellschaft) in jedem Fall eine sinnvolle Maßnahme darstellen und kann somit grundsätzlich empfohlen werden.“

In der Studie untersucht das Forscherteam aus Wirtschaftswissenschaftlern und Juristen Reformvarianten für Verwaltung und Finanzierung mit unterschiedlicher Eingriffstiefe. Von der Eingriffstiefe hängt auch die Ausstattung der Bundesautobahngesellschaft mit Personal für eigene Planungs- und Realisierungskompetenz ab.

AöR oder GmbH?

Als Gesellschaftsform enpfehlen die Autoren eine Anstalt öffentlichen Rechts (AöR). Verkehrsstaatsssekretär Enak Ferlemann widersprach in der Diskussion am Mittwoch: Eine AöR müsse im Gründungsgesetz sehr genau beschrieben werden, jede spätere Änderung sei kompliziert. Die Regierung habe sich daher für die GmbH entschieden, weil sie ausreichend Flexibilität biete.

Die Autoren vermeiden eine abschließende Empfehlung für ein Reformmodell. Kritische Punkte, die nur schwer abzuschätzen sind, seien der Aufwand für den Umbau und die Gefahr von Fehlentwicklungen als Folge des gewählten Reformpfads.

Fünf Reformmodelle vorgestellt

Reformmodell 1.1 – Beibehaltung der Auftragsverwaltung ohne Grundgesetzänderung: In diesem Modell würde der Bund die Planungskostenpauschale für prioritäre Projekte erhöhen, um Anreize für die Länder zu schaffen, diese Projekte vorrangig umzusetzen. Durch eine höhere Planungskostenpauschale würde es auch erleichtert, die Dienste der Deges in Anspruch zu nehmen. In einer Weiterentwicklung („Reformmodell 1.1*“) könnten die Länder im Bundesrat zunächst einem Paket bundeseinheitlicher Allgemeiner Verwaltungsvorschriften zustimmen, um den Flickenteppich unterschiedlicher Landesvorschriften zu bereinigen. Außerdem wäre ein Gesetz denkbar, mit dem Bund ermächtigt wird, auf die Strukturen der Länderverwaltungen in Bezug auf die Autobahnen Einfluss zu nehmen.

Reformmodell 1.2 – Beibehaltung der Auftragsverwaltung mit Grundgesetzänderung: Hier würde der Bund mindestens ermächtigt, auch ohne Zustimmung der Länder bestimmte Standards für die Auftragsverwaltungen festzulegen – zum Beispiel zu IT-Standards oder Verwaltungsstrukturen. Darüber hinaus wäre denkbar, dass der Bund zentrale Investitionsvorhaben in seine Planungs- und Ausführungshoheit übernmmt – entweder in einem vorab definierten Kernnetz oder nach fallweiser Entscheidung durch den Bundestag. Die finanziellen Anreize aus dem Reformmodell 1.1 könnten ebenfalls integriert werden.

Anbieten würde es sich ferner in diesem Modell, die Deges in die Bundesautobahngesellschaft zu überführen. „Auf keinen Fall sollte die BAB-Gesellschaft im Bereich der Planung sowie der Ausschreibungsvorbereitung und Bauüberwachung eine zu geringe Eigenerstellungsquote aufweisen.“ Als Maßstab wird die bayerische Straßenbauverwaltung genannt. Mit diesem Modell könnten nach Auffassung der Autoren speziell Großprojekte besser geplant und gesteuert werden.

Reformmodell 2 – Hoheit beim Bund, Ausführung per Organleihe durch Auftragsverwaltung: De jure wird hier die Auftragsverwaltung per Grundgesetzänderung abgeschafft; per Organleihe (hoheitliche Beauftragung) bleiben die Länderverwaltungen aber ausführendes Element. Die Eckpunkte des Reformmodells 1.2 werden dabei integriert. Offen bleibe aber allerdings die Frage, wie genau den Ländern Gewissheit verschafft werden kann, dass die Organleihe von Dauer ist.

Reformmodell 3 – Starke Bundesautobahngesellschaft ohne Länderbeteiligung: Diesem offenbar vom BMVI bevorzugten Modell bescheinigen die Autoren, dass damit die heutigen Bund-Länder-Probleme entfallen würden, „aber es würden neue Koordinationserfordernisse und sicherlich auch Probleme entstehen (z.B. Abstimmungsbedarf beim Verkehrsmanagement zwischen Bund und Ländern)“.

Gesondert nachgedacht werden müsste darüber, wo die Verantwortung für Planfeststellungsverfahren verortet wird. Das BMVI will sie laut Eckpunktepapier vom Dezember 2015 auf Bundesebene ziehen. „Wenn ich Eisenbahn-Bundesamt und Bundesnetzagentur bei ihren Planfeststellungsverfahren beobachte, frage ich mich, ob sich der Bund da nicht zu viel vornimmt“, mahnte Prof. Georg Hermes von der Uni Bonn in der Diskussion am Mittwoch. Nach Ansicht der Autoren sei denkbar, diese Zuständigkeit bei den Länder zu belassen.

In diesem Modell müsste die Autobahngesellschaft mit dezentralen Niederlassungen arbeiten und sollte eine hohe Eigenerstellungsquote darstellen können – höher jedenfalls als die Länder derzeit. Risiko dabei sei, dass die besten Mitarbeiter der Länderverwaltungen zum Bund abwandern.

Offen sei, wie der Übergang von der Auftragsverwaltung gestaltet werden kann. Denkbar sei eine zeitweilige Organleihe, so die Autoren der Studie. Am Rande erörtert – aber wegen zahlreicher Nachteile verworfen – wird die Möglichkeit, dass die Bundesautobahngesellschaft größere Teile des Autobahnnetzes als ÖPP auslagert.

Reformmodell 4 – Übernahme in Bundeshand nur für ausgewählte Länder: Kurz gestreift wird ein Modell, in dem einzelne Länder auf finanziellen Anreize hin ihre Auftragsverwaltung freiwillig abtreten – das ist im Grundgesetz bereits vorgesehen. Alternativ sei denkbar, dass die Bund die Verwaltung in einem ersten Schritt bundesweit an sich zieht, dann aber nur ausgewählte Länder auf dem Wege der Organleihe wieder mit der Auftragsverwaltung betraut. Wie schon im Modell 2 müsste aber die Dauerhaftigkeit garantiert werden.

Was wird mit den Bundesstraßen?

Für autobahnähnliche Bundesstraßen und solche mit echter Fernverkehrsrelevanz empfehlen die Autoren, sie unabhängig vom Reformmodell wie Autobahnen zu behandeln. Für die anderen Bundesstraßen sei es wegen der Synergieeffekte sinnvoller, sie im Verwaltungszusammenhang mit den Landesstraßen zu belassen. Unterschiedliche Varianten seien jedoch für die Finanzierung denkbar:

  • Wenn der Bund weiterhin für diese Bundesstraßen zuständig sein will, sei ein modifiziertes Status-Quo-Modell denkbar, in dem der Bund voll finanziert, aber die Prioritäten verbindlich mit den Ländern vereinbart werden;

  • Bei einer flächendeckenden Abstufung sollte der Bund zumindest projektbezogen, möglicherweise aber auch flächendeckend Zuschüsse gewähren können – auch wenn dies im Kern eine Rückkehr zum 2006 abgeschafften Grundgedanken des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes bedeuten würde.

Finanzierung: Was ist Ziel der Gesellschaft?

Ausführlich untersucht werden Finanzierungsmodelle. Grundforderung der Autoren ist eine mehrjährige verlässliche Selbstbindung der öffentlichen Hand. Öffentlichen Erörterungsbedarf sehen sie vor allem bei der Frage, in weit die Autobahngesellschaft Kredite aufnehmen können soll. Eine unbekannte Größe sei derzeit, inwieweit die Bundesregierung die Autobahngesellschaft als Vehikel ansieht, um die nationale Schuldenbremse und die Maastricht-Kriterien zu umgehen.

Das Risiko dabei sei, in die Fallstricke des europäischen Beihilferechts zu geraten. Vereinfacht formuliert: Um Schulden Maastricht-konform verstecken zu können, muss die Gesellschaft möglichst unternehmerisch aufgestellt sein – und damit setzt sie sich dem europäischen Beihilferecht aus. Kritisch seien dann zum Beispiel teilweise Steuerfinanzierung, Staatsgarantien für Anleihen oder „überhöht“ angesetzten Nutzerentgelte. Deswegen seien auch rein mautbasierte Finanzierungskreisläufe sorgfältig zu prüfen. Das Modell Asfinag sei heute so nicht mehr wiederholbar, sondern der Sondersituation Österreichs beim EU-Beitritt zu verdanken, war am Rande der Veranstaltung zu hören. (roe)

Externer Link: Studie „Reformmodelle … bei den Bundesfernstraßen

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