Sofern die EU zustimmt, sei ein gewichteter Einheitsmautsatz anzustreben, so der klare Tenor. Die EU-Wegekostenrichtlinie verlangt zum Schutz vor „Wegelagerei“, dass die Maut auf den TEN-Strecken – also überwiegend Autobahnen – an den Kosten orientiert gedeckelt werden. Nach der bisherigen Berechnungsmethode würde der Mautsatz für Bundesstraßen aber mehr als doppelt so hoch liegen wie für Autobahnen. Ein gemittelter Mautsatz könnte also als diskriminierende Belastung des Verkehrs auf den TEN-Strecken ausgelegt werden.
Falls die EU nicht zustimmt, sollte der Bund lieber auf einen Teil der Einnahmen verzichten und die Bundesstraßen-Mautsätze auf das Niveau für die Autobahnen absenken. Werner Reh vom Umweltschutzverband BUND empfahl, schon jetzt vorsorglich eine entsprechende Selbstbindung zugunsten einer Einheitsmaut in das Gesetz aufzunehmen.
Laut Gesetzentwurf werden aus der Bundesstraßenmaut (Brutto-) Einnahmen von „bis zu“ 2 Mrd. EUR erwartet. Die 2 Mrd. EUR wären aus heutiger Sicht aber nur bei gemittelter Maut oder bei hoher Bundesstraßenmaut zu erzielen.
Wegekostengutachten doch wieder in bewährter Hand
Wie in der Anhörung weiter bekannt wurde, wird das Wegekostengutachten 2018-2022 übrigens doch wieder vom Alfen Consult, der Universität Münster (Prof. Karl-Hans Hartwig) und dem Ingenieurbüro Bung erstellt. Im Mai hatte es geheißen, dass das Forschungsinstitut DLR den Zuschlag bekommen hat (siehe hier).
Uneinigkeit über Ausweichverkehre
Kontrovers diskutiert wurden Ausweichverkehre und die Bemautung innerörtlicher Bundesstraßen in kommunaler Baulast.
Markus Brohm vom Deutschen Landkreistag befürchtet, dass wegen der Bundesstraßenmaut noch mehr Lkw auf Landes- und Kreisstraßen ausweichen. Er ließ eine deutliche Skepsis gegenüber den offiziellen Analysen der Mautausweichverkehre durchblicken, wonach deren Anteil auf den meisten Straßen im nachgeordneten Netz vernachlässigbar ist.
Henryk Bolik von der Ingenieurgruppe IVV – die in der Vergangenheit die offiziellen Analysen für den Bund erstellt hat – widersprach: Die Bundesstraßenmaut werde zu „guten“ Verlagerungen bisheriger Mautausweichverkehre zurück auf die Autobahnen führen; ihnen gegenüber ständen „böse“ Verlagerungen von den Bundesstraßen auf das nachgeordnete Netz, die aber „nicht nennenswert“ sein würden. Er begründete das damit, dass für die Transporteure neben den reinen Kostenerwägungen die zuverlässige Verfügbarkeit einer Strecke – ohne Umleitungen oder Sperrungen – eine zunehmende Bedeutung habe. Da seien Bundesstraßen und Bundesautobahnen gegenüber Landes- und Kreisstraßen klar im Vorteil.
Stefan Gerwens von Pro Mobilität schränkte ein, dass Aussagen über künftige Ausweichverkehre kaum möglich seien, solange die Höhe der Bundesstraßen-Mautsätze unklar sei. Bei einer 33 Cent/km lohne sich ein Umweg wesentlich eher als bei 13 Cent/km.
Mautdaten für Netzanalyse nutzen
Der unabhängige Berater Frank Schmid plädierte dafür, die Umstellung des Mautsystems auf die neue zentrale Architektur zu nutzen, um Ausweichverkehre zu identifizieren und gegebenenfalls auch die Einstufung von Straßen zu korrigieren. Künftig wird die Maut nämlich nicht mehr im Bordgerät berechnet, sondern anhand der Positionsdaten in einem Zentralrechner. Damit sind die Fahrtrouten detailliert nachvollziehbar.
Innerörtliche Bundesstraßen sind Zankapfel
Keinen Konsens gab es über die Zuscheidung der Mauteinnahmen für innerörtliche Bundesstraßen in kommunaler Baulast. Erster Knackpunkt ist, dass der Bund den Kommunen das Geld nur mittelbar über die Länder zuweisen kann und damit kaum Kontrolle über die zweckgebundene Verwendung hat. Um „Sickerverluste“ zu vermeiden, empfiehlt Gerwens, das den einzelnen Kommunen zustehende Mautaufkommen nachträglich zu veröffentlichen.
Frank Schmid warf ein, dass die im Gesetzentwurf vorgesehenen Zweckbindung nicht mit der kommunalen Selbstverfassung vereinbar sei. Carsten Hansen vom Deutschen Städte- und Gemeindebund forderte, die Zweckbindung an die konkrete Straße zu lockern, da die Städte auch Umleitungsstrecken vorhalten müssten.
Zweiter Knackpunkt ist, dass die Mittel im Zweifelsfall nicht jahresscharf verausgabt werden können – zum Beispiel, wenn eine Bundesstraße frisch grundsaniert worden sei. Gerwens schlug daher vor, den Kommunen Rückstellungen für künftige Erhaltungsmaßnahmen zu erlauben. Hansen empfahl „atmende Fonds“. Rein finanztechnisch sei eine Abrechnung der mautfinanzierten Straßenbauausgaben sowohl über die Länder als auch an die Kommunen selbst mit dem bestehenden System der Verkehrsinfrastrukturgesellschaft VIFG darstellbar, sagte ihr Geschäftsführer Prof. Torsten Böger.
Aus Sicht des DStGB sollte sich die Zuscheidung im übrigen nicht allein an der Streckenlänge orientieren, sondern die im Vergleich zu außerörtlichen Straßen höhere Infrastrukturbelastung durch Anfahren und Bremsen sowie enge Kurvenradien berücksichtigen. (roe)