Der ADAC veröffentlichte am Donnerstag ein in seinem Auftrag erstellten Gutachten des Verkehrsberaters Ralf Ratzenberger. Darin kommt er zum Ergebnis, dass die Pkw-Maut wegen der Einmalkosten und der laufenden Betriebskosten mittelfristig ein Minusgeschäft für den Staat ist.
Das BMVI hat sich unterdessen wie schon 2014 die Schlüssigkeit seiner Einnahmeprognose für die Pkw-Maut (siehe hier) in einem Gutachten von Prof. Wolfgang Schulz (Zeppelin-Universität Friedrichshafen) bestätigen lassen.
Ungewissheiten erkennt Schulz vor allem bei der Entwicklung des inländischen Fahrzeugbestandes: Während das BMVI für 2019 mit seiner Methode 46,7 Mio. Pkw erwartet, würde eine reine Trendfortschreibung bei 43,7 Prozent landen. Es wäre aber auch eine andere Fortschreibung möglich, die sogar auf 47,3 Mio. Pkw kommt. Ratzenberger hält die Annahme von 46,7 Mio. Pkw für plausibel.
Fragen bei Flottenumbau auf Euro 6
Ein offensichtliche Lücke ist, dass sich das BMVI und Schulz zwar mit der Verteilung auf Benziner und Diesel auseinandersetzen, aber nicht mit der künftigen Entwicklung nach Schadstoffklassen und ihrer Auswirkung auf die Mautergiebigkeit je Fahrzeug.
Hier setzt Ratzenberger an und geht davon aus, dass die Zahl der besonders stark mautbegünstigten Euro-6-Pkw im Inland pro Jahr um rund 3 Mio. steigt. 2023 würden sie schon 52 Prozent des inländischen Bestandes ausmachen. Die Mautsumme von inländischen Pkw würde dann auf knapp 2,9 Mio. EUR sinken. Das BMVI hat seine Berechnung hingegen nur auf das Prognosejahr 2019 abgestellt und kommt dafür auf gut 3,1 Mrd. EUR – Ratzenberger liegt hier schon rund 110 Mio. niedriger.
In Relation zu den wegfallenden Kfz-Steuereinnahmen – die in der BMVI-Berechnung gar nicht berücksichtigt werden – kommt Ratzenberger für 2019 auf ein Minus von 95 bis 137 Mio. EUR für den Staat insgesamt, für 2030 auf 141 bis 230 Mio. EUR (noch ohne Systemkosten).
Streitpunkt Ausländervignetten
Gravierende Mängel sieht Ratzenberger bei Berechnung des Vignettenbedarfs ausländischer Pkw: Nach seiner Auffassung hat sich das BMVI bei den Tagesgeschäftsreisen und bei den Tages-Privatfahrten massiv verschätzt. Das Ministerium rechnet mit vielen, aber eher selten nach Deutschland kommenden Fahrzeugen, und erwartet daher einen hohen Bedarf an den vergleichsweise teuren Kurzzeitvignetten. Ratzenberger geht davon aus, dass weitaus weniger individuelle Fahrzeuge nach Deutschland kommen, diese dafür aber viel häufiger. Daher kommt Ratzenberger für 2019 nur auf 276 Mio. EUR Einnahmen aus Vignetten. Das BMVI war – ohne „Sicherheitsabschlag – auf 878 Mio. EUR gekommen. Schulz hingegen hält die Prognose des Ministeriums für sehr konservativ. Sie weise „die Tendenz auf, die Mauteinnahmen zwischen 10% und 25% zu unterschätzen.“
Abschließend berechnet Ratzenberger noch Nettoergebnis für den Staat insgesamt und kommt zu dem Ergebnis, dass bei Einbeziehung der laufenden Betriebskosten von 211 Mio. EUR/Jahr 2019 ein Minus von 71 Mio. EUR entsteht, das bis 2023 auf 175 Mio. EUR steigt. Werden noch die Einmalkosten (380 Mio. EUR) umgelegt, fällt das Defizit sogar noch höher aus – bei Umlegung auf fünf Jahre sind es 147 Mio. EUR 2019 und 2023 sogar 251 Mio. EUR. (roe)
Externe Links:
Gutachten von Ralf Ratzenberger für den ADAC
Gutachten von Prof. Wolfgang Schulz zur Schlüssigkeit der BMVI-Prognose