Der Grenzwert von 80mg/km werde in der täglichen Praxis voraussichtlich um 300 Prozent überschritten – besser als die bisherigen 400-600 Prozent, aber schlechter als die von der EU angestrebten 110 Prozent.
Zu diesem Ergebnis kommt das Forschungsinstitut ICCT, das 2015 den VW-Skandal ins Rollen gebracht hat, in zwei neuen Analysen.
Die EU-RDE-Vorschriften sehen vor, dass Typen, die ab September 2017 genehmigt werden, den Rollenprüfstand-Grenzwert von 80mg/km höchstens um 110 Prozent überschreiten dürfen und ab 1. Januar 2020 höchstens um 50 Prozent (sogenannter Konformitätsfaktor). Zwei bzw. ein Jahr später müssen auch alle in den Verkauf gebrachten Fahrzeuge diese Vorgaben erfüllen. Von den vier geplanten Vorschriftenpaketen zu RDE sind bisher zwei verabschiedet, die anderen zwei sollen 2017 folgen.
Zu viel Spielraum für Hersteller
In seiner Analyse der jetzt vorgesehenen RDE-Regeln betrachtet das ICCT als Schwachpunkte:
- Die Hersteller dürfen rund die Hälfte der Tests in Eigenregie unter Aufsicht eines technischen Prüfdienstes („TÜV“) vornehmen – wobei nicht sichergestellt ist, dass nicht nur unter den jeweils „günstigsten“ Bedingungen getestet wird.
- Die Randbedingungen für die Tests schließen gegenwärtig gewisse anspruchsvolle Fahrzustände aus, die in der Praxis vorkommen, zum Beispiel aggressive Fahrweisen, Dauervollgas oder längeren Bergfahrten. Für Temperaturen unter 0 Grad und über 30 Grad gelten großzügigere Konformitätsfaktoren. Regeln für den im Stadtverkehr relevanten Kaltstart sollen erst im dritten Paket nachgeliefert werden.
- Die Zusammensetzung der RDE-Messfahrt aus Stadtverkehr, Landstraße und Autobahn kann in weitem Umfang variiert werden. Die drei Verkehrsbereiche werden nur durch die Durchschnittsgeschwindigkeit definiert, die Haltanteile im Stadtverkehr dürfen zwischen 6 und 30 Prozent liegen.
- Die Kriterien für die Definition einer „Fahrzeugfamilie“, für die nur ein Test nötig ist, sind sehr weit gefasst: Fahrzeuge, die auf demselben Antriebsstrang und demselben Motorblock basieren, gelten als „Familie“, auch wenn der Hubraum um 22 bis 32 Prozent variiert.
- Das Abgas-Messgerät (PEMS) darf, aber muss nicht an die Motorsteuerung angeschlossen werden. Damit wird die Chance vergeben, Werte abzugleichen.
- Noch fehlen Regeln für die Feldüberwachung von Serienfahrzeugen (4. RDE-Paket)
- Es ist nicht vorgesehen, die als Nebeneffekt anfallenden Daten zum CO2-Ausstoß auszuwerten.
Dreistufenplan zur Nachschärfung vorgeschlagen
In einem sogenannten Weißbuch stellt das ICCT Modellrechnungen für einen von ihm vorgeschlagenen Dreistufenplan unterschiedlich nachgeschärfter RDE-Regeln und ihren Auswirkungen auf den durchschnittlichen NOx-Flottenausstoß bis 2030 vor.
Dass bei der jetzt vorgesehenen RDE-Gesetzgebung der Grenzwert doch um 300 statt um 110 Prozent überschritten wird, begründet das ICCT mit lockeren Regeln für den Kaltstart und zu eng gefassten Randbedingungen (siehe oben). Das Institut erwartet, das rund 30 Prozent Fahrzeuge weiterhin Abschalteinrichtungen einsetzen. Durch strengere Kaltstart-Regeln in einer ersten Verschärfungsstufe lässt sich die Überschreitung auf 230 Prozent verringern, die Quote der Abschalteinrichtungen würde sich auf 20 Prozent verringern.
Passt man in einer einer zweiten Verschärfungsstufe den Konformitätsfaktor an die gestiegene Messgenauigkeit an (5 Prozent) und führt Feldüberwachung von Serienfahrzeugen ein, reduziert sich die Quote der Abschalteinrichtungen auf 5 Prozent. Die Überschreitung im realen Betrieb beim Verbraucher verringert sich auf 110 Prozent.
In einer dritten Verschärfungsstufe würde die Grenzwertüberschreitung für extreme Fahrbedingungen auf 200 Prozent beschränkt und eine NOx-Kontrolle im laufenden Betrieb eingeführt. Damit wären Abschalteinrichtungen praktisch unmöglich.
Beim jetzt vorgesehenen RDE-Fahrplan würden die NOx-Emissionen aus Pkw von 175 Mio. t/Jahr auf 0,94 im Jahr 2030 sinken. Würde zusätzlich der ICCT-Dreistufenplan umgesetzt, wäre je nach Tempo eine Verringerung auf 0,73 bis 0,58 Mio t/Jahr möglich. Eine Marktverschiebung zugunsten von Benzinern und alternativen Antrieben würde sich im Vergleich zum Dreistufenplan-Modell kaum auswirken, gegenüber dem RDE-Basisfahrplan aber eine Verringerung von 0,18 Mio. t/Jahr erbringen.
Blaue Umweltzonen benötigen nachgebesserte RDE-Regeln
Untersucht wird auch, wie sich städtische Niedrigemissionszonen – Stichwort Blaue Plakette – auswirken könnten. Unter der Annahme, dass ab 2026 nur noch Euro-6-Diesel einfahren dürfen, ist zwar anfangs eine Reduzierung des durchschnittlichen Stickoxid-Flottenausstoßes um 35 Prozent zu erwarten; bis 2030 würde der Vorsprung aber wieder auf rund 23 Prozent zusammenschmelzen. Ein signifikanter weitere Senkung ist nur dann zu erwarten, wenn der Dreistufenplan umgesetzt wird. (roe)
Externe Links:
ICCT-Analyse zum RDE-Verfahren (Englisch)
Weißbuch zu den Auswirkungen verbesserter Abgas-Prüfverfahren bis 2030 (Englisch)