„Dem nationalen Gesetzgeber ist es … nicht verwehrt, eine Inhouse-Vergabe nur dann zuzulassen, wenn keine eigenwirtschaftliche Verkehrserbringung möglich ist“, schreibt das Ministerium in dem am Montag mit gut einem Monat Verspätung vorgelegten Evaluationsbericht zur Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (siehe auch hier).
Hintergrund ist der Streit zwischen kommunalen und privaten Verkehrsunternehmen: Die privaten Busunternehmer klagen über eine „Rekommunalisierung“, weil sie sich durch Direktvergaben der Städte und Gemeinden an ihre eigenen Unternehmen ausgebootet sehen. Die Kommunen hingegen klagen, dass ihre verkehrspolitischen Ziele und ihre Ansprüche an Sozialstandards durch eigenwirtschaftliche Anträge privater Firmen (einschließlich der DB-Busunternehmen) ausgehebelt werden.
Nach geltendem Recht ist eigenwirtschaftlichen Verkehren der Vorrang vor einer geplanten Direktvergabe oder Ausschreibung einzuräumen, wenn er von dem in der Vorabbekanntmachung geplanten Verkehr „nur unwesentlich abweicht“ (sogenannter konditionierter Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit“). Der gesetzliche Regelungsmechanismus sei „sachgerecht und stellt einen ausgewogenen Kompromiss der widerstreitenden Interessen dar“, resümiert das Ministerium.
Absage an Wünsche der Länder
Die am Freitag vom Bundesrat verlangte Personalübernahme beim Betreiberwechsel (siehe hier) lehnt das BMVI kategorisch ab. „Verkehrsunternehmer, die sich um einen eigenwirtschaftlichen Verkehr bewerben, haben keine Möglichkeit, die hierdurch verursachten Mehrkosten geltend zu machen“, argumentiert das das Ministerium. „Eine eigenwirtschaftliche Erbringung wäre in den meisten Fällen nicht mehr möglich.“
Bei anderen Sozialstandards sieht das BMVI noch Diskussionsbedarf. „Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Anordnung von Sozialstandards nicht nur dem Schutz der Beschäftigten dient, sondern auch einen fairen Wettbewerb ermöglichen soll.“ Indirekt äußert das BMVI die Befürchtung, das unter dem Deckmantel von „Sozialstandards“ die Tarife des privaten Busgewerbes mit ihren meist niedrigeren Löhnen ausgehebelt werden sollen.
Private Berufsfreiheit vs. kommunale Interessen
Das BMVI argumentiert, dass das Grundrecht der Berufsfreiheit auch für Verkehrsleistungen im ÖPNV gilt. Es könne zwar aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden. „Es gibt jedoch keine verfassungsrechtlichen Anhaltspunkte, dass die Kommunen im Nahverkehr ein Versorgungsmonopol besitzen.“
Abschließend schlägt das Ministeriumaber eine versöhnliche Note an: „Das BMVI hält eine politische Diskussion über das Anliegen der kommunalen Aufgabenträger sowie über die Erbringung von eigenwirtschaftlichen Verkehren für angebracht.“
Keine Klarstellung zur Gemeinwirtschaftlichkeit
Abgelehnt wird die Forderung, im PBefG klarzustellen, ob zum Beispiel eine Finanzierung des Verkehrs mittels steuerlichen Querverbunds zur Gemeinwirtschaftlichkeit führt. Das sei eine Auslegungsfrage der EU-Verordnung 1370/2007. „Eine Klarstellung durch den nationalen Gesetzgeber ist aus rechtlichen Gründen nicht möglich.“
Aus diesem Grund will das BMVI auch nicht klarstellen, wie die Genehmigungsbehörde ihr Wahlrecht zwischen öffentlichem Dienstleistungsauftrag und allgemeiner Vorschrift handzuhaben hat, wenn das Unternehmen zum Beispiel vergünstigte Seniorenfahrkarten anbieten soll und die Differenz aus öffentlichen Mitteln gedeckt werden muss. „Das BMVI sieht in der Sache weiteren Prüfungs- und Diskussionsbedarf“, heißt es abschließend.
Weiter Nein zu Fernbusmaut
Auch in Sachen Fernbus sieht das BMVI keinen akuten Handlungsbedarf. In der notorischen Streitfrage, inwieweit der Fernbus Fahrgäste vom Eisenbahnverkehr abzieht oder Wettbewerbsvorteile gegenüber der Schiene ausnutzt, belässt es das BMVI bei einer Darstellung der unterschiedlichen Standpunkte.
Das Ministerium betont abermals, dass es keine Fernbusmaut plant, gemäß Entschließung des Bundestages bis Ende dieses Jahres aber einen Prüfbericht vorlegen wird. „Dabei handelt es sich um eine Einzelmaßnahme, die die Wettbewerbssituation nur geringfügig beeinflussen würde“, schickt das Ministerium schon jetzt voraus. Das Lastenheft für den künftigen Lkw-Mautsystembetreiber enthält allerdings die Option für eine Fernbusmaut. (roe)