Planungsbeschleunigungsgesetz erhitzt Gemüter

  • „Frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung“ falscher Ansatz?
  • Welchen Preis hat der Verzicht auf Doppelprüfungen?

Das Eisenbahn-Bundesamt soll auch Anhörungsbehörde für Planfeststellungsverfahren werden. Dieser Punkt werde in das Planungsbeschleunigungsgesetz aufgenommen, sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer am Mittwochabend auf einer Veranstaltung von Pro Mobilität zu. Andeutungen in dieser Richtung waren hinter vorgehaltener Hand schon am Montag bei der Ergebnisvorstellung des Runden Tischs zum Baustellenmanagement zu vernehmen gewesen (siehe hier). Derzeit hat das EBA mit 33 Anhörungsbehörden der Länder zu tun, die sehr unterschiedlich strukturiert und leistungsfähig sind. In der Vergangenheit hätten die Länder ihre Stellung auch genutzt, um unpopuläre Vorhaben auszubremsen, wird in DB-Kreisen kritisiert.

Weiter sagte Scheuer, er wünsche sich mehr Flexibilität in der Bundeshaushaltsordnung, um kooperatives Mitwirken der Bürger bei Planungsverfahren zum Beispiel mit Lärmschutz über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus honorieren zu können.

Der baden-württembergische Landesverkehrsminister Winfried Hermann bemängelte hingegen die zeitraubenden Abstimmungsprozesse zwischen Bund und Auftragsverwaltung im Bundesfernstraßenbau. „Diese Verfahren sind hochgradig ineffizient“. Er plädierte dafür, den Vorschlag der Bodewig-II-Kommission für ein Besteller-Ersteller-Prinzip umzusetzen (siehe hier).

„Frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung“ falscher Ansatz?

Auf einer gemeinsamen Veranstaltung des Seehafenverbandes ZDS, des Binnenhafenverbandes BÖB und des Deutschen Verkehrsforums ebenfalls am Mittwoch übten die geladenen Juristen und Praktiker teilweise heftige Kritik am Umgang von Politik und Gesellschaft mit Infrastrukturvorhaben. Hans Aschermann von der Hamburger Planfeststellungsbehörde sprach sich dafür aus, Entscheidungen in die gesetzlich vorgesehenen Institutionen zurückzuverlagern, statt sie „apokryphen Gesprächsrunden oder Dialogforen“ zu überlassen.

Mit der unter Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer eingeführten „frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung“ werden nach seiner Ansicht „Wutbürger“ noch ermutigt und Konflikt möglicherweise verschärft. Für seine Behörde stelle sich konkret das Frage, wo jeweils die räumlichen Grenzen der „frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung“ zu ziehen sind. Außerdem werde durch Öffentlichkeitsbeteiligung außerhalb der förmlichen Verfahren der Spielraum für Abwägungen zwischen Partikularinteressen und Gemeinwohl, zu denen die Behörden anders als Dialogforen verpflichtet sind, eingeengt.

Den Abwägungspielraum sieht er auch durch den Absolutheitsanspruch der EU-Umweltschutzvorschriften eingeengt. Eine Abwägung sei weder gefragt noch zulässig, immer ende es beim Verweis auf „Alternativen mit Abstrichen“. Unklar bleibe aber, ab welchem Maß von Abstrichen ein Projektzweck nicht mehr erfüllt ist.

Aschermann plädierte deshalb dafür, auf EU-Ebene die Vorschriften für Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), Flora-Fauna-Habitat (FHH), Vogelschutz, Umweltrechtsbehelf/Aarhus-Konvention um Abwägungsrechte zu ergänzen. Auf nationaler Ebene müsse eine Stichtagsregelung für Sachstand und Rechtslage eingeführt werden. „Im Moment verschimmeln mir die Antragsunterlagen in den Händen“, sagte er. Wenn zum Beispiel ein geschütztes Tier nur einige Kilometer weiterziehe, müsse neu geprüft werden.

Im übrigen plädierte er dafür, wieder auf „Legalplanung“ zurückzugreifen. Es gehe nicht darum, dass das Parlament einzelne Projekte beschließe, wie es in den neunziger Jahren mit A20 und Bahnumfahrung Stendal geschehen sei, sondern um klare politische Willensbekundung. Es sei nicht vermittelbar, dass Verwaltungen und Gerichte über die Elbvertiefung entscheiden, die gewählten Volksvertreter aber außen vor bleiben.

Welchen Preis hat der Verzicht auf Doppelprüfungen?

Zweifel an einem angekündigten Kernelement des Planungsbeschleunigungsgesetzes äußerte der Rechtsanwalt Christian Scherer-Leydecker: Die Zusammenlegung von Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren könne zwar Doppelprüfungen entbehrlich machen (es geht vor allem um die Umweltverträglichkeitsprüfung), mache aber das Verfahren komplexer. Es müsse aber beherrschbar bleiben. (roe)