Die Herausforderung für den Verkehrssektor liegt darin, das sich das Minderung auf 15 Jahre zusammenballt: Bis 2030 wird vom Stand 2014 mit 160 Mio. t CO2 eine Minderung auf 95-98 Mio. t verlangt, also minus 40 Prozent. Unter dem Gesichtspunkt der CO2-Minderung waren die Jahre 1990 (163 Mio. t CO2) bis 2014 ein verschenktes Vierteljahrhundert, in dem fast sämtliche Effizienzgewinne durch das Verkehrswachstum aufgezehrt wurden. Das Konzept wurde über das Wochenende im schriftlichen Umlaufverfahren vom Kabinett verabschiedet.
Diesel ist „out“
Bemerkenswert gegenüber der Entwurfsfassung von Anfang September ist, dass der Satz „Darüber hinaus leistet der Dieselantrieb weiterhin einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der CO2-Ziele“ ersatzlos gestrichen wurde. Dem Verbrennungsmotor wird nur noch eine Rolle in Verbindung mit strombasierten Kraftstoffen und fortschrittlichen Biokraftstoffen zugebilligt.
Anders als im Entwurf angekündigt verzichtet die Regierung aber darauf, einen Zielwert für die geplante EU-Verordnung für künftige CO2-Grenzwerte von Neuwagen zu nennen. Ebenfalls nicht mehr erwähnt wird das Vorhaben, 2020 konkrete Minderungsziele für Pkw vorzugeben.
Breitere Instrumentenpaletten
Bei schweren Nutzfahrzeugen wird der Instrumentenkasten erweitert: Neben Hybridisierung und Elektro-Lkw werden jetzt auch Wasserstoff, Flüssigerdgas (LNG) und Methan aus erneuerbaren Energien genannt. Ebenfalls Eingang gefunden hat das „Platooning“ (elektronische Kopplung von Lkw). Als Hinweis auf den Lang-Lkw könnte der Punkt „ Anpassungen der Fahrzeuglänge“ verstanden werden.
Gut eine Seite ist eingefügt worden, auf der das BMVI seine bisherigen Aktivitäten vorstellt, von der Mobilitäts- und Kraftstoff-Strategie (MKS) über den Strategierahmen für Tank- und Ladeinfrastruktur und Nationales Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) bis hin zum digitalen Testfeld Autobahn.
Klimaschutzkonzept Straßenverkehr 2030
Wie schon in der Vorgängerversion verpflichtet sich der Bund zu einem Klimaschutzkonzept Straßenverkehr 2030, wenn auch ohne Termin für die Vorlage. Gestrichen wurde hier die Absicht, Klimaschutzaspekte bei der Infrastrukturplanung zu beleuchten.
Mehr Raum für Schiene
Eingefügt wurde ein Absatz, in dem sich die Regierung verpflichtet, ein Konzept zum Schienenverkehr 2030/2050 entwickeln – wenn auch ohne Termin für die Vorlage. Darin soll eine netzweite Vertaktung von Schienenpersonenfern- und -nahverkehr geprüft werden und ob sich durch einen forcierten Infrastrukturausbau Güterverkehre auf die Schiene verlagert lassen.
Folgenabschätzung klar zugeordnet
Ein deutliches Zugeständnis an die Wirtschaft dürfte sein, dass die Kommission zur Folgenabschätzung („Wachstum, Strukturwandel und Regionalentwicklung“) beim Bundeswirtschaftsministerium angesiedelt wird. In der Vorgängerversion war von der Bundesregierung allgemein die Rede. Die Kommission soll „unter Einbindung weiterer Ressorts sowie von Ländern, Kommunen, Gewerkschaften, Vertreter betroffener Unternehmen und Branchen sowie regionalen Akteuren“ ihre Arbeit Anfang 2018 aufnehmen und Ergebnisse möglichst bis Ende 2018 vorlegen.
Regierung erspart sich Zeitdruck
Auffällig ist, dass selbst die verbliebenen Zeitziele für die aktuelle Regierung selbst gestrichen worden sind. So war laut Entwurf von Anfang September geplant, bis Mitte 2017 „die Anreiz- und die Lenkungswirkung derzeit bestehender, hoheitlich veranlasster Energiepreisbestandteile in Form von Abgaben, Umlagen und Steuern überprüfen“. Das Datum fehlt jetzt.
Im Verkehrskapitel selbst wird nur noch von einem Prüfauftrag zur aufkommensneutralen Weiterentwicklung der Abgaben und Umlagen im Bereich des Verkehrs gesprochen. In Entwurf war ein solches Konzept verbindlich angekündigt worden.
BUND und DVF streiten über halb befüllte Gläser
Der Umweltschutzverband BUND erklärte, Sektorziele für den Verkehr und die Landwirtschaft seien zwar ein Anfang, müssten aber rasch mit Maßnahmen unterlegt werden. „Mit einem Minderungsziel von 40 Prozent CO2 bis 2030 kommt zwar endlich auch dem Verkehrssektor eine angemessene klimapolitische Gewichtung zu, der Weg zu einer nahezu vollständig dekarbonisierten Mobilität ist aber noch weit und muss auch den Schiffs- und Flugverkehr mit strengen Klimazielen in die Pflicht nehmen“, erklärte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Die Minderungsstrategie im Verkehr setze zu sehr auf die Beibehaltung alter Mobilitätsformen mit neuen Antrieben, statt konsequent eine echte Verkehrswende einzuleiten.
Das Deutsche Verkehrsforum sprach hingegen von einer „extremen Herausforderung für den Verkehrssektor“. Der Präsidiumsvorsitzende Ulrich Nußbaum forderte, Klimaschutzziele müssten wirtschaftlich und technologisch machbar sein. „Die Bundesregierung sollte nicht versuchen, Emissionsreduktionen im Verkehrssektor durch kurzfristige regulatorische Eingriffe zu erzwingen–“, sagte er. Notwendig ist eine intelligente Mischung aus Marktanreizen, einer konsequenten Innovationsförderung und gezielten Verbesserungen der Struktur unseres Verkehrssystems.“ Schienenverkehr und ÖPNV müssten mit Nachdruck unterstützt werden müssten, wenn der Klimaschutz im Verkehrssektor gelingen soll. Kritisch sieht das DVF die pauschale Forderung im allgemeinen Kapitel, „umweltschädliche Subventionen“ abzubauen. Das sei ein Freibrief für einseitige Belastungen, konkret des Straßengüterverkehrs und des Luftverkehrs.(roe)