Der Traum von den GVFG-Mitteln

Glaubt irgend jemand ernstlich, dass die Haushaltspolitiker des Bundes wegen der Aussicht auf eine leere Projektpipeline für den ÖPNV schlecht schlafen? Das Gegenteil dürfte der Fall sein: Wenn die Projektpipeline für GFVG-Bundesprogramm und Entflechtungsmittel rund um das Jahr 2019/2020 leerläuft, weil derzeit keine Kommune mehr neue Projekte anstößt, haben sie das Ziel erreicht, das sie sich 2006/2007 gesetzt haben: Die Finanzierung von ÖPNV-Investitionen so weit wie möglich aus dem Bundeshaushalt auf Länder und Kommunen verlagern. Jammern hilft da nicht – zumal die Haushaltspolitiker eine gewisse Logik auf ihrer Seite haben: Wer Subsidiarität so häufig predigt wie Länder und Kommunen, muss sie auch leben. Dass es nichts taugt, wenn man Ausgaben- und Einnahmenverantwortung trennt, ist bei der Auftragsverwaltung im Bundesfernstraßenbau seit Jahren zu beobachten.

Wer die Haushaltspolitiker des Bundes umstimmen will, muss sie an ihrer weichen Stelle treffen. Das sind ihre Wahlkreise. Wenn die Verkehrsunternehmen und Kommunen dort Vorhaben auf Eis legen, weil die Finanzierung unsicher ist, werden selbst hartleibige Kassenwarte geschmeidig. Bunte Bänder durchschneiden sie nämlich auch gerne.

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Große Unsicherheit rund um Regionalisierungsmittel

Die Unterschiede zwischen dem Gutachten des Bundes und dem der Länder zur künftigen Höhe der Regionalisierungsmittel sind geringer als es die Eckdaten zunächst vermuten lassen. Das wurde bei der Expertenanhörung des Bundestags-Verkehrsausschusses zur Höhe der künftigen Regionalisierungsmittel am Montag deutlich. Während das Gutachten des IGES-Instituts im Auftrag des Bundes auf einen Mittelbedarf von 7,658 Mrd. EUR für 2015 kommt, hat KCW im Auftrag der Länder den Bedarf auf 8,505 Mrd. EUR beziffert. Trotz der Differenz von 847 Mio. EUR könne aber keine Rede von Gefälligkeitsgutachten für die jeweiligen Auftraggeber sein, betonte Michael Holzhey von KCW. Löse man methodische Unterschiede bei der Behandlung von Mehrbestellungen auf, bleibe lediglich eine Differenz von 410 Mio. EUR übrig. Was die eigentlichen Verkehrsleistungen betreffe, habe IGES sogar knapp 600 Mio. EUR/Jahr mehr einkalkuliert als KCW. KCW wiederum rechnet mit höheren Ausgaben für Investitionen.

Die notwendige jährliche Dynamisierung sieht IGES bei 2,7 Prozent, KCW je nach Szenario bei 2,0, 2,5 oder 4,4 Prozent/Jahr – jeweils über 15 Jahre. Andreas Brenck von IGES sieht wie Holzhey mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes bei den beiden Gutachten. Beide liegen deutlich über dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, der für 2015 eine einmalige Erhöhung um 1,5 Prozent auf 7,408 Mrd. EU vorsieht. Die langfristige Höhe der Regionalisierungsmittel solle „aus Sicht der Bundesregierung in die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen eingebunden werden“, sagte Verkehrsstaatssekretär Norbert Barthle.

Aufgabenträger tappen im Dunkeln

Ob kurzfristig Abbestellungen von Verkehrsleistungen nötig sein werden, blieb offen. Für den Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) sagte Knut Ringat, dass dringend notwendige Mehrleistungen 2016 jedenfalls nicht realisiert werden können. Er wisse nicht einmal, wann die derzeit vorgesehenen 1,5 Prozent Zuwachs kassenwirksam werden. Ringat warnte, das wegen der hohen Fixkostenanteile Abbestellungen im Wert von 2 bis 3 EUR notwendig seien, um netto 1 EUR Einsparung zu erhalten. Thomas Geyer vom rheinland-pfälzischen Aufgabenträger SPNV-Nord sagte, er wisse noch nicht, ob er im Oktober und November genügend Geld habe, um die bestellten Leistungen zu bezahlen. Seine Hoffnung ruhe er auf Rückzahlungen aus den Streiktagen 2014. Einhellig als falsch bezeichnet wurde die Annahme, es gebe disponible Reserven bei der Verwendung der Regionalisierungsmittel. Der Investitionsanteil liege bei unter 6 Prozent, zudem seien die Investitionen meistens schon vertraglich gebunden. Eine Zweckentfremdung für Zwecke außerhalb des ÖPNV gebe es auch nicht.

Unsicherheitsfaktor Infrastrukturentgelte

Als kritischen Punkt für die langfristige Festlegung der Regionalisierungsmittel bezeichneten alle Experten die Unsicherheit über die künftige Entwicklung der Infrastrukturentgelte. Wilhelm Eschweiler, Vizepräsident der Bundesnetzagentur, sagte, die Planung der Infrastrukturentgelte für 2017 sei noch nicht abgeschlossen. Viel hänge davon ab, in welchem Maße das in Vorbereitung befindliche Eisenbahnregulierungsgesetz eine wirksame Entgeltregulierung ermögliche. Eschweiler zeigte sich skeptisch zum Vorschlag der BAG-SPNV, eine zusätzliche Dynamisierung aufzuschlagen, falls die Steigerung der Infrastrukturentgelte über der von ihr geforderten „Grunddynamisierung“ von 2 Prozent liege.

Thomas Geyer, zugleich Präsident der BAG-SPNV, zog das derzeitige Vollkostenprinzip bei den Infrastrukturentgelten grundsätzlich in Zweifel. Er regte an, dass die EVU nur die Grenzkosten zahlen und die Differenz vom Bund direkt über die LuFV an die Infrastrukturunternehmen ausgeschüttet wird. Holzhey wies auf die Gefahr hin, dass die Zwangsdividende Druck auf die DB schaffe, die Infrastrukturentgelte über die Maßen hinaus zu erhöhen, weil die eigenwirtschaftlich arbeitenden Sparten (Fernverkehr, Güterverkehr) zunehmend unter Margendruck geraten. Er regte an, über eine Regionalisierung der Infrastruktur ähnliche Effizienzgewinne wie im SPNV-Zugbetrieb zu erzielen. (roe)