Glaubt irgend jemand ernstlich, dass die Haushaltspolitiker des Bundes wegen der Aussicht auf eine leere Projektpipeline für den ÖPNV schlecht schlafen? Das Gegenteil dürfte der Fall sein: Wenn die Projektpipeline für GFVG-Bundesprogramm und Entflechtungsmittel rund um das Jahr 2019/2020 leerläuft, weil derzeit keine Kommune mehr neue Projekte anstößt, haben sie das Ziel erreicht, das sie sich 2006/2007 gesetzt haben: Die Finanzierung von ÖPNV-Investitionen so weit wie möglich aus dem Bundeshaushalt auf Länder und Kommunen verlagern. Jammern hilft da nicht – zumal die Haushaltspolitiker eine gewisse Logik auf ihrer Seite haben: Wer Subsidiarität so häufig predigt wie Länder und Kommunen, muss sie auch leben. Dass es nichts taugt, wenn man Ausgaben- und Einnahmenverantwortung trennt, ist bei der Auftragsverwaltung im Bundesfernstraßenbau seit Jahren zu beobachten.
Wer die Haushaltspolitiker des Bundes umstimmen will, muss sie an ihrer weichen Stelle treffen. Das sind ihre Wahlkreise. Wenn die Verkehrsunternehmen und Kommunen dort Vorhaben auf Eis legen, weil die Finanzierung unsicher ist, werden selbst hartleibige Kassenwarte geschmeidig. Bunte Bänder durchschneiden sie nämlich auch gerne.
Der VDV mahnt eine zügige Neuregelung für das GVFG-Bundesprogramm und die sogenannten Entflechtungsmittel an. Sie dürfe nicht mit der anstehende Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen vermengt werden, sondern sei „vor die Klammer“ zu ziehen, machte VDV-Präsident Jürgen Fenske auf der VDV-Jahrespressekonferenz am Dienstag in Berlin deutlich. Beide Titel laufen Ende 2019 automatisch aus, wenn die entsprechenden gesetzlichen Regelungen der Föderalismusreform aus dem Jahr 2006 nicht geändert werden.
Mit dem GVFG-Bundesprogramm (333 Mio. EUR/Jahr) fördert der Bund große Neu- und Ausbauprojekte von Stadtbahnen, Straßenbahnen und U-Bahnen gefördert. Die Entflechtungsmittel haben ein Volumen von 1,33 Mrd. EUR/Jahr und werden vom Bund an die Länder gezahlt, damit diese kommunale Investitionen in den Verkehr – rund 60 Prozent für den kommunalen Straßenbau, 40 Prozent für den ÖPNV – fördern können.
VDV will mehr GVFG-Mittel
Städtetagspräsident Ulrich Maly (links) und VDV-Präsident Jürgen Fenske (Foto: roe)
Fenske machte darauf aufmerksam, dass das GVFG-Bundesprogramm schon jetzt mehrfach überzeichnet sei und daher deutlich aufgestockt werden müsse. VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff ergänzte, 2006 habe die Politik gedacht, dass die Städte 2019 „fertig gebaut“ seien. „Jeder, der damals in der Föderalismuskommission dabei war sagt heute: Da haben wir einen Fehler gemacht.“ Fenske betonte, dass schon jetzt die Planungen für neue Projekte stockten, weil niemand wisse, ob nach 2019 noch Geld vorhanden sei. Der Nürnberger Oberbürgermeister und Städtetagspräsident Ulrich Maly konkretisierte, dass die Stadt derzeit nicht einmal 20 Mio. EUR für Planungen bewilligen können, solange nicht absehbar ist, dass am Ende überhaupt Investitionsmittel bereitstehen.
Fenske sagte, Bund und Länder wollten zwar zügig verhandeln, aber: „Mir fehlt die Fantasie zu sehen, dass wir bis Sommer ein Ergebnis bei der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen sehen.“ Als Beispiel für dringliche Investitionen nannte Fenske die Ost-West-U-Bahn-Achse in Köln, wo die Umsteigestationen mit den Fahrgastzahlen schon jetzt völlig überlastet seien und der Fahrplan nicht mehr fahrbar sei. „Wir müssen zusehen, dass wir nicht am Erfolg ersticken.“
Auch Erhalt und Ersatz fördern
Fenske forderte darüber hinaus, mit den beiden Programmen auch Ersatz- und Erhaltungsinvestitionen fördern zu dürfen. Es sei schon jetzt ein Sanierungsstau von 4 Mrd. EUR aufgelaufen, der sich jedes Jahr um 500 Mio. EUR vergrößere. Auch aus dem geplanten 10-Milliarden-Investitionsprogramm des Bundes müsse ein ordentlicher Anteil auf den ÖPNV entfallen. Wolff verwies darauf, dass allein die Herstellung der kompletten Barrierefreiheit Investitionen von 9 Mrd. EUR in die kommunale Infrastruktur erfordere. Alle Welt rede von Bürokratieabbau und Absenkung von Standards, aber niemand tue es. Er kritisierte, dass die Vorgaben von Ebenen kämen, die am Ende nicht für die Kosten aufkommen müssten. Das Konnexizitätsprinzip werde missachtet.
Höhere EEG-Umlage offenbar verkraftbar
Auffällig ausweichend reagierten die VDV-Vertreter auf die Frage, wie stark sich die Erhöhung der EEG-Umlage in den Fahrpreisen niedergeschlagen habe. Fenske sagte, im Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) sei die Erhöhung in den Preisindex für die Fahrpreise eingearbeitet worden. Die Fahrpreise seien aber nicht um 3 Prozent erhöht worden, räumte Fenske ein – anders als VDV-Vertreter 2014 gewarnt hatten. Wolff machte geltend, dass diese Prognose wegen der späteren Abschwächungen im Gesetzentwurf überholt sei. (roe)