Planungsbeschleunigung scheitert oft am Detail

  • BMU sieht keine Chance für Präklusion
  • Hermann: Verwaltungsprozesse verschlanken
  • Doppelarbeit durch Fach- und Teillosvergabe?

Der Versuch, durch besseres Einbinden der Bürger die Planungsprozesse zu beschleunigen, kann den Bund noch viel Geld kosten. Das wurde in dieser Woche auf einer Veranstaltung des Deutschen Verkehrsforums (DVF) zum Planungsbeschleunigungsgesetz in Berlin deutlich.

DB-Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla konnte zwar seine Freude nicht verhehlen, dass beim Ausbau der Betuwe-Linie Emmerich-Oberhausen dank intensiver Gespräche mit den Betroffenen voraussichtlich rund vier Jahre eingespart werden können. Es seien höchstens zwei bis drei kleinere Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss zu erwarten, erläuterte er.

SPD-Fraktionsvize Sören Bartol hielt ihm aber die Kosten entgegen: Seit dem Beispiel der Rheintalbahn-Ausbaus, wo die Zustimmung der Bürger mit über das gesetzlich notwendige Maß hinausgehenden lärmschutzbedingten Ausgaben von knapp 2 Mrd. EUR erkauft worden sei, verlangten die Bürger überall in der Republik Lärmschutz auf ähnlichem Niveau. Das komme jetzt auf den Bundeshaushalt zu. Für Pofalla ist der Knackpunkt, ob die Gerichte einen Anspruch auf über das gesetzliche notwendige Maß hinausgehenden Lärmschutz festschreiben. Falls ja, müsse die aktuelle Methodik der Nutzen-Kosten-Bewertungen überarbeitet werden.

BMU sieht keine Chance für Präklusion

Sehr unterschiedliche Einschätzungen gab es zum Entwurf des Planungsbeschleunigungsgesetz, das im Juli vom Kabinett verabschiedet worden war. Dietmar Horn, Leiter der Grundsatzabteilung im Bundesumweltministerium (BMU) und damit am Gesetzentwurf beteiligt, warnte vor überzogenen Erwartungen. Schon in seiner Zeit als junger Bundestags-Referent Anfang der neunziger Jahre sei um Planungsbeschleunigung gerungen worden, ohne dass es unter dem Strich schneller geworden ist. „Offensichtlich ist das nicht so einfach.“

Er riet, sich auf das Machbare zu konzentrieren. Die von der Wirtschaft gewünschte Wiedereinführung der „Präklusion“ – also eine Art Einsendeschluss für Einwendungen gegen ein Projekt – zähle er nicht dazu, betonte Horn. Die Präklusion, die es nur in Deutschland und Österreich gab, war 2015 vom Europäischen Gerichtshof gekippt worden. Gegen die Wiedereinführung spreche nicht nur das EU-Recht, sondern auch die von Deutschland 1998 unterzeichnete Aarhus-Konvention. Unterstützung von anderen Staaten für eine Änderung des Rechtsrahmens sei nicht zu erwarten. Im übrigen sei bisher nicht nachweisbar, dass der erzwungene Verzicht auf die Präklusion die Planungsverfahren in Deutschland verlängere. „Die Umweltschutzverbände beteiligen sich unverändert rege mit Einwendungen an den Planungsprozessen.“

Hermann: Verwaltungsprozesse verschlanken

Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann riet, statt bei den Beteiligungsrechten der Bürger bei den Verwaltungsprozessen anzusetzen. Konkret kritisiert er das Pingpong-Spiel zwischen dem Bund und den Länderstraßenbauverwaltungen im Bundesfernstraßenbau. „Es ist komisch, dass die Bürokratie – die Unkultur der Gesehen-Vermerke – nicht angegangen wird“, monierte er. Er warb deshalb erneut indirekt für den Vorschlag der Bodewig-II-Kommission, ein Besteller-Ersteller-Prinzip zwischen Bund und Ländern einzuführen.

Dagegen gibt es allerdings im Bund Vorbehalte wegen mangelnder Kontrollmöglichkeiten. Selbst seine Parteifreundin Valerie Wilms, bis 2017 Infrastrukturexpertin der Grünen im Bundestag, hatte sich seinerzeit vehement dagegen ausgesprochen, den Ländern eine „goldene Kreditkarte“ zu geben.

Doppelarbeit durch Fach- und Teillosvergabe?

Das Thema „Doppelarbeit“ bewegte auch Nikolaus Graf von Matuschka, Vorstandsmitglied des Baukonzerns Hochtief. Angesichts des Personalmangels in den öffentlichen Verwaltungen regt er an, den Baunternehmen mehr Anteile an der Planung zu überlassen. Als Vorbild in dieser Hinsicht sieht er die niederländische Infrastrukturbehörde Rijkswaterstaat an: Sie definiert in ihren Ausschreibungen nur, was eine konkrete Infrastruktur leisten muss, überlässt aber Planung und Ausführung dem Privatsektor. In Deutschland stößt ein solches Vorgehen allerdings schnell an Grenzen. Hier fordert das Wettbewerbsrecht vom Staat im Grundsatz eine Vergabe in mittelstandsfreundlichen Teil- und Fachlosen. Das setzt aber voraus, dass der öffentliche Auftraggeber die Entwurfsplanung selbst vornimmt, um das Projekt überhaupt in Lose aufteilen zu können. Alle Versuche, an den Vergabevorschriften zu rütteln, sind bisher an massivem Widerstand der mittelständischen Bauwirtschaft gescheitert. (roe)