Die Politik sollte sich beim Hinarbeiten auf Energie- und Klimawende nicht allzusehr auf eine Abkehr der Bürger vom Auto verlassen. Davor warnte Tobias Kuhnimhof vom Forschungsinstitut DLR am Dienstag auf einer Veranstaltung der Agentur für erneuerbare Energien (AAE). Entwicklungen in einigen deutschen Großstädten dürften nicht überbewertet werden, wie er anhand von Zahlen deutlich machte:
- In den letzten 20 Jahren hat die Pkw-Dichte von 430 auf 530 je 1000 Einwohner zugelegt. Ein Abflachen des Wachstums ist nicht erkennbar;
- die rund 0,5 Mio. zusätzlichen Pkw pro Jahr sind fast alle in Privathaushalten gelandet;
- Das Wachstum der Carsharing-Flotte hat sich nach dem Einstieg der Autohersteller (Car2Go, Drive Now) seit 2015 wieder verlangsamt;
- bei jungen Menschen zwischen 20 und 24 Jahren war der Anteil derer mit Zugang zu einem Pkw im Haushalt 2013 zwar deutlich geringer als 1998, aber in der Altersgruppe 35-39 ist er schon wieder genauso hoch und in den Altersgruppen über 65 sogar deutlich höher als früher;
- über alle Altersgruppen ist der Anteil der Erwachsenen mit mindestens einem eigenen Pkw sogar gestiegen; bei jungen Menschen um 5 Prozentpunkte, ab 35 sogar um 15 Prozent;
- im diametralen Gegensatz zu den Carsharing-Anhängern macht Kuhnimhof einen Trend zum „Besitzen statt Nutzen“ aus: Die Fahrleistung je Auto sei nämlich von gut 15.000km/Jahr auf 14.300 gesunken. Ein Grund sei die höhere Motorisierung der Rentner, die keine Arbeitswege zurückzulegen haben.
- das vollautomatisierte/autonome Fahren hält er für kontraproduktiv: Im Privat-Pkw wäre die Folge ein Anstieg der Kilometerleistung um 10 Prozent, und zwar vor allem auf Kosten des ÖPNV. Grund sei, dass längere Wege nicht mehr so „wehtun“;
- auch beim Einsatz als „Robotaxi“ wäre netto ein Anstieg der Fahrleistung um 10 Prozent und ein Anteil an allen Wegen von 10 bis 20 Prozent zu erwarten. Die Einbußen würden sich dann auf alle anderen Verkehrsmittel verteilen.
Selbst wenn die Einwohner Deutschland soviel Rad fahren würden wie die Niederländer und die Schweizer den ÖPNV, würde sich der CO2-Ausstoß des Verkehrs nur um 7 Prozent verringern. Kuhnimhof plädierte im Ergebnis dafür, den Schwerpunkt der Anstrengungen für Energie- und Klimawende auf alternative Antriebe und alternative Kraftstoffe zu legen. (roe)