Stuttgart macht Fahrverbote ab 2018 konkret

  • Blaue Umweltzone unvermeidbar
  • Ausdrückliche Freigabe für Euro-6-Diesel
  • Ausbau alternativer Verkehrsangebote
  • Dieselhauptstadt Deutschlands?

Stuttgart kommt mindestens an zeitlich begrenzten streckenbezogenen Fahrverboten für ältere Diesel-Pkw ab Anfang 2018 nicht vorbei, wenn es nicht gegen den gerichtlichen Vergleich von April 2016 mit Anwohnern der Straße Am Neckartor verstoßen will. Um auch die EU-Vorgaben zur Luftreinhaltung zu erfüllen, ist aber ab 2020 eine dauerhafte Vertiefung der Umweltzone unumgänglich. Das geht aus dem am Freitag vorgelegten Entwurf für die Fortschreibung des Luftreinhalteplans und den zugrundeliegenden Wirkungsgutachten hervor.

Danach soll ab 1. Januar 2018 an Tagen mit sogenanntem „Feinstaubalarm“ (Inversionswetterlage im Winter) der Verkehr so gedrosselt werden, dass an der Messstelle am Neckartor die Fahrzeugzahl um 20 Prozent gesenkt und so der Feinstaubgrenzwert eingehalten wird. Hebel dafür soll entweder die „blaue Plakette“ in einer Kern-Umweltzone sein oder – falls bis sie dahin noch nicht existiert – ein Einfahrverbot für Kraftfahrzeuge in Kombination mit dem von der obersten Straßenverkehrsbehörde noch zu schaffenden Zusatzzeichen „nur für Diesel bis einschließlich Euro 5/V“ sowie „Lieferverkehr frei“.

Das Verbot kann eventuell auch nur auf einzelne Hauptstraßen begrenzt werden. Das Bundesverwaltungsgericht muss in einem Revisionsverfahren für das Verwaltungsgericht Düsseldorf allerdings noch klären, ob ein solches Verbot überhaupt zulässig ist.

Blaue Umweltzone unvermeidbar

Um auch die flächendeckend überschrittenen NOx-Emissionen in den Griff zu bekommen, reichen Fahrverbote an Feinstaubtagen nicht. Das für die Luftreinhaltung zuständige Regierung schlägt deshalb vor, ab Anfang 2020 eine dauerhafte „blaue Umweltzone“ einzurichten. Dann könnten aufgrund der Flottenerneuerung rund 80 Prozent aller Fahrzeuge eine blaue Plakette erhalten, womit die Verhältnismäßigkeit gewährleistet sei. Für eine Übergangszeit von zwei Jahren – bis Ende 2021 – sollen wie bei den bisherigen Verschärfungen von Umweltzonen umfangreiche Ausnahmeregeln gelten.

Ausdrückliche Freigabe für Euro-6-Diesel

Ausdrücklich wird der Forderung der DUH widersprochen, auch Euro-6-Diesel-Pkw die blaue Plakette zu verweigern, weil sie die Grenzwerte im Realbetrieb nicht einhalten: „Aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Rechtsstaatsprinzip folgt, dass derjenige, der ein Fahrzeug erwirbt, das den aktuellsten Vorgaben an die Fahrzeugemissionen genügt, nicht rechtswidrig handelt, wenn er dieses Fahrzeug im Rahmen des Gemeingebrauchs auf öffentlichen Straßen führt“, heißt es dazu. Die Abwägung zugunsten der Immissionsbetroffenen äußere sich darin, dass Fahrzeuge mit Euro 5 und schlechter ausgesperrt werden. Aus dem Wirkungsgutachten geht außerdem hervor, dass ein Fahrverbot für alle Diesel gegenüber der blauen Umweltzone nur wenig zusätzliche Wirkung erzielen würde.

Ausbau alternativer Verkehrsangebote

Flankiert werden sollen die Fahrverbote von einem Ausbau des ÖPNV-Angebots sowie einer Förderung von Rad- und Fußverkehr. Kurzfristig soll außerdem ein beträchtlicher Teil der EEV-Linienbusse gegen Euro-VI-Busse ausgetauscht werden. Geplant ist außerdem eine Anhebung der städtischen Parkgebühren.

Sympathie lässt das Regierungspräsidium für eine Citymaut erkennen, weist aber darauf, dass dafür in Deutschland jegliche Rechtsgrundlage fehlt.

Dieselhauptstadt Deutschlands?

Laut dem Papier beträgt der Anteil der Diesel-Pkw an den in Stuttgart zugelassenen Pkw 37,2 Prozent und liegt damit 4,3 Prozentpunkte höher als im Bundesdurchschnitt. Am Verkehrsgeschehen sind Diesel-Pkw noch stärker beteiligt: Bei einer Verkehrszählung 2015 am Feinstaub-Hotspot Am Neckartor waren sie sogar mit 45 Prozent dabei, 9 Prozent über dem damaligen Anteil an der Flotte.

Externer Link: Entwurf Luftreinhalteplan und Wirkungsgutachten