Neue CO2-Flottengrenzwerte erhitzen die Gemüter

Von „zu lasch“ bis „verfehlt“ und „völlig übertrieben“ beurteilen die Bundestagsfraktionen die EU-Vorschläge für CO2-Flottengrenzwerte ab 2021. Mit den EU-Vorschlägen würden in Deutschland bis 2030 nur 4 Mio. t CO2/Jahr eingespart, sagte der Grünen-Verkehrsexperte Stephan Kühn am Freitag im Bundestag. Nötig seien aber 50 Mio. t, um die international vereinbarten Klimaziele einzuhalten. Die Grünen plädieren deshalb dafür, die CO2-Flottengrenzwerte für 2025 um 45 Prozent und für 2030 um 75 Prozent gegenüber 2020 zu senken. Der Vorschlag der EU-Kommission sieht 25 bzw. 50 Prozent vor.

Der AfD-Verkehrsexperte Dirk Spaniel hingegen erkennt einen „Vernichtungsfeldzug“ gegen die deutsche Autoindustrie. Die Grünen-Forderung würde bedeuten, den thermodynamischen Wirkungsgrad des Verbrennungsmotors binnen vier Jahren zu verdoppeln. Das sei unrealistisch. Selbst wenn das 95-Gramm-Ziel trotz Einführung des neuen Messzyklus WLTP beibehalten würde, müsste zum Beispiel Opel für eine gängige Version des Kompaktwagens Astra rund 10.000 EUR Strafzahlungen leisten. Elektroautos seien aufgrund der hohen Preise keine ernsthafte Alternative.

Die FDP forderte, grundsätzlich auf Flottengrenzwerte zu verzichten. Sie hätten sich als unwirksam erwiesen, weil der gesunkene Kraftstoffverbrauch je Kilometer durch mehr Fahrleistung kompensiert worden sei. Diesem Rebound-Effekt sei am besten durch eine Einbeziehung des Verkehrssektors in den Emissionshandel (ETS) zu begegnen, erläuterte der FDP-Umweltexperte Lukas Köhler. Das wirke direkt auf die Fahrleistung und nicht erst über die langsame Flottenerneuerung.

Der SPD-Verkehrsexperte Arno Klare widersprach energisch: Das ETS würde beim heutigen Zertifikatepreis den Sprit nur um 5 ct/l verteuern und deshalb nichts bewirken. Um dieselbe Einsparung wie mit dem 95-Gramm-Ziel zu erreichen, müsste der Zertifikatepreis bei bis zu 400 EUR liegen. Dann aber werde das Pendeln unerschwinglich. Die CSU-Umweltpolitikerin Anja Weisgerber ergänzte, eine Einbeziehung des Verkehrssektors in das ETS sei derzeit in Europa politisch nicht durchsetzbar.

Strittig blieb auch, ob den Herstellern zusätzliche „Gutschriften“ für besonders emissionsarme oder emissionsfreie Fahrzeuge gewährt werden sollen. Weisgerber sagte, das sei ein Anreiz für die Hersteller, solche Fahrzeuge im Markt zu forcieren. Die Grünen sehen darin eine Schlupfloch, um sich von den allgemeinen Reduzierungsverpflichtungen freizukaufen. Klare plädierte für ein Bonus-Malus-System und dafür, dass die Hersteller selbst erzeugte treibhausgasneutrale Kraftstoffe anrechnen dürfen. Damit könne der Start der Brennstoffzellentechnik beflügelt werden.

Die Bundesregierung selbst ringt noch mit einer gemeinsamen Position zum EU-Vorschlag. Deswegen hielten sich die Vertreter von Union und SPD mit der Bewertung der geplanten Grenzwerte zurück. (roe)

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