DVR will Temposündern die Ausreden vergällen

  • Rechtsexperten uneins
  • Ohne Halterkooperation verlaufen Ermittlungen im Sande

Kfz-Halter sollten bei Verkehrsordnungswidrigkeiten zumindest mit den Ermittlungskosten belastet werden, wenn der Fahrer nicht ermittelt werden kann. Mit diesem Vorschlag werde der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) an das BMVI herantreten, kündigte sein Präsident Walter Eichendorf am Donnerstag zum Abschluss einer Fachveranstaltung der Organisation in Berlin an.

Zuvor hatten Experten über das Für und Wider von Halterhaftung und Halterkostenhaftung bei Verstößen im fließenden Verkehr diskutiert. Bei der Halterhaftung haftet der Halter grundsätzlich für alle Verkehrsordnungswidrigkeiten, die mit seinem Fahrzeug begangen werden; bei der Halterkostenhaftung haftet er zumindest für die Ermittlungskosten, die sonst dem Steuerzahler zu Last fallen würden.

Hintergrund ist, dass geblitzte Tempo- und Rotlichtsünder häufig nicht belangt werden werden können, weil nur das Kennzeichen beweissicher feststeht, der Halter aber die Auskunft zum Fahrer verweigert und damit das Verfahren im Sande verläuft. Laut Eichendorf hat das eine geringe Tempo- und Ampeldisziplin in Deutschland zur Folge, und darauf wiederum seien vermeidbare Verkehrsunfälle zurückzuführen.

Etwas Wasser in den Wein goss allerdings Siegfried Brockmann. Der Zusammenhang zwischen Tempoverstößen und Verkehrssicherheit sei nicht so klar. Halter- oder Halterkostenhaftung seien aber trotzdem richtig: Sicherheitsprobleme würden vor allem durch Mehrfachtäter verursacht. Es schädige das öffentliche Gefühl der „Rechtshygiene“, wenn solche Fahrer immer wieder ungeschoren davonkommen.

Rechtsexperten uneins

Während für den ruhenden Verkehr die Halterhaftung wegen der geringen Beträge auch verfassungsrichterlichen Segen hat, gehen die Ansichten über die Anwendbarkeit und ihre Sinnhaftigkeit für den fließenden Verkehr weit auseinander.

Mit dem Grundsatz „Keine Strafe ohne Schuld“ begründete der Verfassungsrechtler Prof. Michael Brenner seine Ablehnung von Halter- und Halterkostenhaftung. Eine Halterhaftung bedeute aber eine verschuldensunabhängige Haftung. Der Ahndungscharakter des Bußgeldes gehe damit verloren. ADAC-Vizepräsident Ulrich Klaus Becker ergänzte, dass die einzige Strafe, die wirklich erzieherischen Wert hat, das Fahrverbot ist. Das sei aber per Halterhaftung nicht zu erreichen.

In diesem Punkt stimmte der Verwaltungsrechtler Prof. Gerrit Manssen zu. Bei reinen Bußgeldtatbeständen aber hält er das Risiko, am Bundesverfassungsgericht zu scheitern, für vertretbar. Unproblematisch sei die österreichische Lösung: Dort gibt es eine rechtlich eigenständige „Lenkerauskunftspflicht“. Wer als Halter keine Auskunft zum Fahrer gibt, wird mit bis zu 5000 EUR oder sechs Wochen Gefängnis bestraft, weil er seine Aufsichts- und Auskunftspflicht verletzt hat. Verfassungsrechtlich unbedenklich ist nach seiner Einschätzung auch die Halterkostenhaftung.

Ohne Halterkooperation verlaufen Ermittlungen im Sande

Laut einer Stichprobe des Polizei-Verkehrsrechtlers Prof. Dieter Müller auf Datenbasis einiger kooperationsbereiter Bußgeldstellen wird wegen Personalmangels nur in 2,5 Prozent aller Bußgeldverfahren vertieft ermittelt. Der Großteil der Verfahren wird eingestellt, weil der Halter nicht kooperiert. Von der Möglichkeit, ein Fahrtenbuch aufzuerlegen, wird nur in 4 Prozent der Fälle Gebrauch gemacht, wobei Hessen mit 21 Prozent deutlich heraussticht. Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), sprach von reinen Schutzbehauptungen der Halter, die sagen, sie wüssten nicht, wer das Fahrzeug gefahren hat. „Ein deutscher Autofahrer weiß vielleicht nicht immer, wo seine Ehefrau ist. Aber wo sein Auto ist, weiß er bestimmt.“ (roe)