Diesel-Expertengruppe I ohne eine klare Empfehlung

  • SCR-Kat Mittel der Wahl
  • OEM oder Nachrüstanbieter?
  • Wer gibt den Anstoß zur Nachrüstung?
  • Wer trägt die Kosten?
  • Lässt sich eine Pflicht zur Nachrüstung konstruieren?

Hardware-Nachrüstungen von älteren Diesel-Pkw sind wirksam, im Grundsatz machbar und rechtlich gangbar. Zu diesem Ergebnis kommt die Expertengruppe I des Nationalen Forums Diesel im Entwurf für den Abschlussbericht, der dem Verkehrsbrief vorliegt. Sie spricht aber keine eindeutige Handlungsempfehlung aus, sondern skizziert lediglich mehrere mögliche Optionen.

SCR-Kat Mittel der Wahl

Als Königsweg ist laut dem „Motorenpapst“ Prof. Georg Wachtmeister von der TU München die Nachrüstung mit SCR-Katalysatoren anzusehen, also Abgas-Nachbehandlung mit Hilfe von Adblue. Im Idealfall ließen sich damit die NOx-Emissionen um 90 Prozent verringern. Theoretisch möglich wäre auch eine Nachbesserung von Systemen zur Abgasrückführung oder der Einbau von NOx-Speicherkatalysatoren. Sie würden jedoch deutlich mehr Abstimmung mit der Motorsteuerung erfordern und seien vergleichsweise unwirtschaftlich.

OEM oder Nachrüstanbieter?

Die SCR-Nachrüstung sollte laut Wachtmeister im Idealfall der Fahrzeughersteller (OEM) anbieten, weil er am besten über die Interaktion mit dem Motor Bescheid weiß. Laut ADAC gibt es für eine Reihe gängiger Modelle Euro-5-Modelle deutscher Hersteller fertige Nachrüstsätze in den Ersatzteilregalen. Der Aufpreis bei Einbau ab Werk wurde seinerzeit mit 1200 bis 1500 EUR beziffert.

Zweiter denkbarer Weg wäre der Einbau von Nachrüstsätzen von Drittherstellern. Drei Lösungen wurden von ADAC und DUH beispielhaft erprobt. Die NOx-Emissionen wurden damit um 65 bis 95 Prozent verringert. Unter Umständen steigt durch die Nachrüstlösungen der Spritverbrauch um 5 Prozent. Dafür bringen sie teilweise durch ausgefeilte Einspritztechnik teilweise mehr NOx-Reduzierung bei niedrigen Betriebstemperaturen. Die Kosten je Fahrzeug wurden von den Anbietern gestaffelt nach Stückzahlen mit 1.000 EUR bis 3000 EUR beziffert. „Nach den derzeit vorliegenden Erkenntnissen ist eine detaillierte Kosten-/Nutzen-Bewertung nicht möglich“, heißt es warnend im Bericht.

Vergleichsweise ausführlich werden die Prüf- und Zertifizierungsanforderungen diskutiert, damit die Hardware-Nachrüstung tatsächlich hält, was sie verspricht. Das gilt erst recht für Zulassungsfragen.

Wer gibt den Anstoß zur Nachrüstung?

Bei einer Nachrüstung seitens des Herstellers oder zumindest unter seiner Aufsicht sollte dieser eine Allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) für den Nachrüstsatz beim Kraftfahrt-Bundesamt beantragen. Damit ist der Halter auf der sicheren Seite, dass durch die Nachrüstung nicht die anderen Emissionsvorschriften verletzt werden. Falls der CO2-Ausstoß steigt, wird das ebenfalls in der ABE dokumentiert und stellt so sicher, dass die Zulassung nicht erlischt – ähnlich wie bei einer ABE für Breitreifen. Auswirkungen auf die CO2-Komponente der Kfz-Steuer ergäben sich somit nicht. Favorisiert wird, dass der Hersteller gegenüber dem Halter auch für die Funktion des Nachrüstsatzes geradesteht und die Herstellergarantie nicht engeschränkt wird.

Falls die Initiative zur Nachrüstung vom Halter ausgehen soll – unabhängig von der Frage, wer sie bezahlt! – wird ebenfalls der Weg über eine ABE für Nachrüstsätze empfohlen. Damit sich die Halter für eine Nachrüstung entscheiden, werden ihnen „bestimmte staatlich definierte Anreize bzw. Vorteile gewährt“. Das Reizwort „Blaue Plakette“ wird zwar nicht erwähnt, liegt aber auf der Hand. „Die Definition der durch den Vorteil begünstigten Fahrzeuge sollte nicht allein über die Einstufung nach Abgasnormen erfolgen, sondern auch die nachgerüsteten Fahrzeuge umfassen“, heißt es weiter. Formal würde nämlich – zumindest so die implizite Botschaft – ein nachgerüsteter Euro-5-Pkw weiter unter Abgasnorm Euro 5 laufen, obwohl er de facto sauberer als die meisten Euro-6-Diesel ist.

Die Garantie für das Funktionieren des Nachrüstsatzes soll der jeweilige Lieferant geben. An die Autohersteller wird aber die Erwartung gerichtet, dass die Herstellergarantie für das Auto trotz des Eingriffs grundsätzlich erhalten bleibt.

Wer trägt die Kosten?

Relativ industriefreundlich wird die Frage erörtert, ob die Autohersteller dazu verpflichtet werden können, die Kosten einer Nachrüstung zu übernehmen. Hier hat die Expertengruppe – wenig überraschend – keine gemeinsame Sprache gefunden, weswegen es auch zwei Sondervoten gibt.

Im Mehrheitsvotum wird für eine „Förderung“ der Umrüstung plädiert, also keine hundertprozentige Übernahme der Kosten. „Eine solche Förderung könnte sich neben öffentlichen Mitteln idealerweise auch aus freiwilligen finanziellen Beiträgen der Automobilhersteller speisen“, heißt es. Im Interesse einer breiten Umsetzung müsse gewährleistet sein, dass die Halter möglichst geringe Kosten für die Nachrüstung zu tragen haben.

Alternativ wird eine steuerliche Förderung vorgeschlagen, analog etwa zu Sonderausgaben oder Handwerkerleistungen. Das politische Risiko wird darin gesehen, dass Haushalte mit hoher Steuerlast – „Besserverdiener“ – davon mehr profitieren als Geringverdiener.

Lässt sich eine Pflicht zur Nachrüstung konstruieren?

Für eine komplette Übernahme der Kosten durch die Hersteller wird in zwei Sondervoten plädiert. Das rheinland-pfälzische Umweltministerium argumentiert, dass die bisherige Praxis, die Emissionsgrenzwerte nur im Labor einzuhalten, nicht vom Ziel der EU-Abgasrichtlinie gedeckt wird. Wenn die Abgasreinigung weniger als die Hälfte der Zeit vollumfänglich funktioniert, sei „normal use“ nicht mehr abgedeckt. Die Hersteller hätten daher die Zulassungsbehörden getäuscht. „Unter diesen Voraussetzungen kann das KBA die erteilten Typengenehmigungen ganz oder teilweise zurücknehmen oder nachträglich anordnen, dass die Hersteller im Rahmen einer Rückrufaktion aller betroffenen Fahrzeuge verpflichtet werden, die Hardwarenachrüstung vorzunehmen und die Garantie für diese Maßnahme zu übernehmen.“

Ähnlich argumentiert der Verbraucherzentrale-Bundesverband: Laut §25 der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung kann das KBA „die Typgenehmigung bei Vorliegen eines erheblichen Risikos für die öffentliche Gesundheit oder Umwelt widerrufen.“ Das sieht der VZBV gegeben. Um einen solchen Widerruf zu vermeiden, könnte das KBA als mildere Maßnahme eine Hardware-Nachrüstung vorschreiben. Erstrebenswert wäre laut VZBV ein Deal, wonach die Hersteller den Haltern eine Hardware-Nachrüstung anbieten. Halter, die sie nicht annehmen, dürfen sie im Gegenzug aber auch nicht wegen erhöhter Realemissionen verklagen. (roe)