Schiene befürchtet abgehängt zu werden

  • Schiene setzt bekannte Optimierungen nicht um
  • Absage an ETCS-Level-3-Überlegungen

Der Eisenbahnsektor befürchtet, beim Innovationstempo der Straße nicht mehr mithalten zu können. Das war der Tenor auf einer gemeinsamen Veranstaltung vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und dem Deutschen Verkehrsforum (DVF) auf der Bahnmesse Innotrans in der vergangenen Woche.

„Die Automobilindustrie ist mit enormer Energie dabei, den Rechtsrahmen für autonomes Fahren zu schaffen und das alte Recht plattzumachen“, sagte Friedrich Hagemeyer vom Forschungsinstitut IKEM. „Da sollte sich die Eisenbahn dranhängen. Heute ware autonomes Fahren mit einem Regionalzug nur mit abenteuerlichem Aufwand möglich.“ Sicherheit sei auch mit Einfachheit zu erreichen; in der Wirtklichkeit gebe es jedoch einen Trend zu mehr Kompliziertheit.

Schiene setzt bekannte Optimierungen nicht um

VDV-Geschäftsführer Martin Henke verwies darauf, dass viele potenzielle Verbesserungen für die Schiene völlig unumstritten seien, aber trotzdem bisher nicht umgesetzt worden seien. Als Beispiele nannte er 740m-Güterzüge oder die automatische Kupplung, die sei den 70er Jahren fertig entwickelt sei. Dringend notwendig seien auch Verfahrensänderungen, zum Beispiel Anforderungen zum Spracherwerb. Um die Reibungsverluste und Friktionen des Schienenverkehrs im Wettbewerb zu kompensieren, müsste die Schiene eigentlich kostengünstiger sein und schneller „innovieren“; das Gegenteil sei jedoch der Fall, deutete er an.

Für Prof. Thomas Siefers von der TU Braunschweig ist ein Innovationshindernis jedoch auch die Langlebigkeit von Infrastruktur und Fahrzeugen. Bei der Einführung des ICE 1 1991 habe es kaum Mobiltelefone geschweige denn „Handys“ gegeben; heute erwarte der Kunde WLAN. Was müsse wohl der ICE 4 in 25 Jahren leisten?

Absage an ETCS-Level-3-Überlegungen

Am Rande der Veranstaltung erteilte Claudia Horn, Leiterin der Abteilung Landverkehr im BMVI, Überlegungen der DB zum direkten Sprung nach ETCS Level 3 eine Absage. Das Ministerium wolle jetzt Level 2 so schnell wie möglich zum Laufen bringen; das Überspringen von Level 2 zum bisher noch nicht entwickelten Level 3 würde zu viel Zeit kosten. Horn stellte den Eisenbahnverkehrsunternehmen ein Förderprogramm zur Ausrüstung der Triebfahrzeuge mit ETCS-Technik in Aussicht.

Strittig blieb, ob die Einführung von ETCS eine Erfolgsgeschichte ist. Hagemeyer verwies auf eine europaweite Untersuchung seines Institutes, wonach die Chancen auf ein pünktliches und im Kostenrahmen bleibendes Projekt zur Ausrüstung von Fahrzeugen mit dem europäischen Sicherungssystem ETCS am höchsten sind, wenn es in der Schweiz stattfindet. Claudia Horn wies jedoch implizite und explizite Vorwürfe zurück, das deutsche Eisenbahnbundesamt (EBA) sei zu langsam: Der seit zwei Jahren laufende Reformprozess im EBA ist nach ihrer Ansicht erfolgreich gewesen. (roe)

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