- Widersprüchliche Position zu privater Kapitalbeteiligung
- ÖPP bleiben umstritten
- Mehr Geld für Kommunen gefordert
Für eine Bundesfernstraßengesellschaft gibt es einen breiten Konsens von Finanzwirtschaft über Wissenschaft und Politik bis hin zu den Gewerkschaften. Das wurde bei der Vorstellung der Ergebnisse der sogenannten Fratzscher-Kommission am Montag in Berlin deutlich. Sie war vom BMWi eingesetzt worden, um Möglichkeiten für die Stärkung von Investitionen unter Einbindung privaten Kapitals auszuloten. Der vollständige Bericht soll am 21. April an das Ministerium übergeben werden.
Die Kommission unter dem DIW-Präsidenten Marcel Fratzscher schlägt vor, Bau, Instandhaltung und Betrieb der Bundesfernstraßen nach dem Lebenszyklusansatz in einer Hand zu bündeln und damit die Auftragsverwaltung der Länder zu ersetzen. Widersprüchlich ist die Position zu den Eigentumsverhältnissen: In der am Montag veröffentlichten Zusammenfassung heißt es einerseits, die öffentliche Kontrolle solle gewahrt bleiben, „das heißt insbesondere, keine ‚Privatisierung‘ der Bundesfernstraßen in jeglicher Form“. Später wird diese Festlegung jedoch relativiert: „Die Expertenkommission ist sich einig, dass diese Infrastrukturgesellschaft zumindest mehrheitlich in öffentlicher Hand sein sollte; einige Mitglieder befürworten sogar einen vollständigen Besitz in öffentlicher Hand.“ Die Gesellschaft soll beschränkt kreditfähig sein, aber ohne Staatsgarantie, „um eine klare Abgrenzung gegenüber dem Staatssektor zu gewährleisten.“
ÖPP bleiben umstritten
ÖPP bleiben auch im Abschlussbericht der Fratzscher-Kommission umstritten. „In dieser Frage gibt es Unterschiede in den Positionen der Kommissionsmitglieder“, heißt es in der veröffentlichten Zusammenfassung. „Die Expertenkommission spricht sich nicht für oder gegen eine Beschaffungsvariante aus, sondern unterstreicht, dass vor allem den Kommunen bessere Handlungsoptionen gegeben werden sollten , um öffentliche Investitionen so günstig und leistungsfähig wie möglich zu tätigen.“ Vor allem der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann betonte in der Pressekonferenz noch einmal seine Bedenken, hob aber hervor, ÖPP seien „auszuwerten“. Aus Geldmangel in den öffentlichen Kassen sei jedenfalls kein Rückgriff auf privates Kapital notwendig, sagte er mit Verweis auf die sprudelnden Steuereinnahmen und Spielräume bei der Einhaltung der europäischen Schuldenbremse.
Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen hielt dagegen, dass Versicherungen und Pensionskassen bereitstünden, ihr Geld in Infrastrukturinvestitionen anzulegen. Er beklagte die mangelnde Akzeptanz in der Gesellschaft. Bei vielen Betrachtern herrsche der Eindruck vor, alles, was mit mit privatem Geld geschehe, gehe zu Lasten des Nutzers. „Das darf nicht so stehenbleiben.“
Als vermittelnde Position schlägt die Kommission vor, bei künftigen Infrastrukturinvestitionen unter dem Gesichtspunkt von Zinskosten, Effizienz und Risiken zu prüfen, ob eine konventionelle Beschaffung oder ein ÖPP besser geeignet sind.
Um die Identifikation mit Infrastruktur zu verbessern, schlägt die Kommission einen „Bürgerfonds“ vor, der es den Bürgern möglich machen soll, selbst direkt Geld anzulegen.
Mehr Geld für Kommunen gefordert
Gegenüber den vorher durchgesickerten Kommissionspapieren praktisch unverändert geblieben sind die Vorschläge, einen „Nationalen Investitionspakt für Kommunen“ aufzulegen, der über drei Jahre mit einem Volumen von 15 Mrd. EUR ausgestattet werden soll. Ebenfalls geblieben ist der Vorschlag, eine bundesweite oder zumindest länderübergreifende „Infrastrukturgesellschaft für Kommunen“ zu schaffen, die bei der Wahl der wirtschaftlichsten Beschaffungsform unterstützt.
Die Grünen-Verkehrsexpertin Valerie Wilms begrüßte den Vorschlag, den Straßenbau zu verschlanken und die Abläufe effizienter in einer Gesellschaft zusammen zu führen, lehnte „Tendenzen zur Privatisierung“ jedoch ab. „Es ist problematisch, den Straßenbau als Rettungsschirm für Versicherungen zu nutzen. Die Renditeerwartungen verteuern den Straßenbau unnötig.“ (roe)