Meinung: Die Fratzscher-Kommission sollte nacharbeiten

Ein Verdienst kann sich die von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel eingesetzte Expertenkommission „Stärkung von Investitionen in Deutschland“ schon jetzt an die Brust heften: Sie hat nicht nur den Investitionsstau auf Bundesebene in den Blick genommen, sondern auch die im medialen Schatten stehende ähnliche Entwicklung bei Kommunen und Ländern. Auch wenn der Abschlussbericht erst am 21. April vorgestellt werden soll, lassen die internen Zwischenergebnisse aufhorchen. Sie sind – zumindest für Länder- und Kommunalebene – zum Teil sehr pragmatisch und scheinen vergleichsweise leicht umsetzbar sein.

ÖPP-Beratung nicht mehr interessengeleitet

So schlägt die Kommission eine von Bund und Ländern getragene öffentliche „Kommunale Infrastrukturgesellschaft“ vor, die die Kommunen bei Infrastrukturprojekten berät. Zum einen hätte sie – anders als kommerzielle Beratungsunternehmen – kein Eigeninteresse, Folgeaufträge dadurch zu generieren, dass sie ÖPP empfiehlt, auch wenn sie unwirtschaftlich sind. Zum anderen würde sie den Transaktionsaufwand bei ÖPP dadurch mindern, dass sie Erfahrungen aus vielen Projekten mitbringt und so eine gewisse Standardisierung ermöglicht.

Nicht ganz unbekannt erscheint der Vorschlag von „ÖÖP“ – öffentlich-öffentlichen Partnerschaften. An die Stelle des privaten Partners beim ÖPP würde hier eine öffentliche Projektgesellschaft treten. Dänemark setzt solche Modelle schon länger ein, aktuell zum Beispiel bei der Festen Fehmarnbeltquerung.

Diffundierende Verantwortung ist keine Risikostreuung

Schon problematischer erscheint der ebenfalls öffentliche „Regionale Infrastrukturfonds“, vereinfacht eine Kapitalsammelstelle für private Investitionen in kommunale Infrastruktur. Damit würde es ermöglicht, dass private Geldgeber auch außerhalb von ÖPP in Infrastrukturprojekte einzahlen. Fraglich erscheint allerdings, ob die damit angestrebte Risikostreuung über viele Projekte für den Anleger tatsächlich eine Risikominderung bedeutet, wenn der Projektträger nicht selbst mit im Risiko ist. Die Erinnerung an amerikanische Schrottanleihen ist noch frisch.

Sehr einfach macht es sich die Kommission jedoch, wenn sie an erster Stelle einen von Bund und Ländern dotierten „Nationalen Investitionspakt für Kommunen“ fordert. Wie realistisch es ist, auf die Erfüllung dieses Wunsches zu hoffen, darf sich jeder selbst ausmalen.

Autobahngesellschaft als Diener der Versicherungen?

Für die Bundesebene greift die Kommission auf das in Fachkreisen inzwischen populäre österreichische oder französische Modell einer mautfinanzierten öffentlichen Autobahngesellschaft zurück. Vorstellbar sei aber auch eine Minderheitsbeteiligung Privater.

Auf jeden Fall soll die neue Autobahngesellschaft auch Anleihen ohne Staatsgarantie (!) begeben können. Damit wird ein unausgesprochenes Motiv aller neueren Initiativen zur Mobilisierung privaten Kapitals adressiert: Lebensversicherer und Pensionsfonds suchen angesichts von Nullzinsen für Staatsanleihen händeringend nach „sicheren“ Anlagemöglichkeiten, die das Erwirtschaften den Garantiezinses ermöglichen. Wie es allerdings funktionieren soll, dass die Anleger das volle Risiko übernehmen und trotzdem „sichere“ Erträge erwirtschaften, bleibt diffus. Wird darauf spekuliert, dass am Ende doch die öffentliche Hand einspringt, wenn privates Geld verbrennt?

Fraglich ist allerdings, ob es soweit kommt. Für die Bundesländer ist die grundgesetzlich fixierte Auftragsverwaltung der Bundesfernstraßen trotz regelmäßiger Klagen über zu geringe Kostenerstattungen offenbar immer noch eine attraktive Sache. Das zeigt das regelmäßige Fingerhakeln, wenn der Bund eine Bundesstraße mangels Verkehrsbedeutung abstufen will. Sie würden eine Ablösezahlung in Milliardenhöhe einfordern, wenn der Bund ihnen die Bundesstraßen überlassen und die Autobahnen in eigene Obhut übernehmen wollte. Intime Kenner des Bund-Länder-Verhältnisses im Straßenbau raten deshalb von jeglichen Versuchen ab, die Auftragsverwaltung quasi in einem Rutsch abschaffen zu wollen – weil es scheitern würde.

Bis zum 21. April ist allerdings noch etwas Zeit. Vielleicht nutzt die Kommission den Rücklauf nach dem ersten medialen Aufschlag, um ihren Vorschlägen etwas mehr Erdung zu verschaffen. (roe)

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