- Verkehrspolitik oder Industriepolitik?
- Ist E-Mail erlaubt?
- Datenschutz oder Datenreichtum?
- Ethikdiskussion erst abschließen
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum automatisierten Fahren ist am Freitag sowohl im Bundestag als auch in der Länderkammer auf deutliche Skepsis gestoßen. Der Bundesrat „hält eine grundlegende Überarbeitung des Gesetzentwurfs für erforderlich“ heißt in der 20 Seiten umfassenden Stellungnahme. Sämtliche Kritikpunkte seiner Ausschüsse fanden eine Mehrheit (siehe hier). Bemängelt wurden unter anderem offene Haftungsfragen, unklare Begrifflichkeiten und mangelnder Datenschutz.
Verkehrspolitik oder Industriepolitik?
Im Bundestag hob Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hervor, das Gesetz solle dazu betragen, dass Deutschland an der Spitze bei dieser Technik bleiben. „Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass diese Wertschöpfung hier im Autoland Deutschland bleibt und nicht vielleicht in die asiatischen Märkte oder nach Amerika abwandert.“ Mit automatisierten Fahrsystemen ließe sich „bis zu 80 Prozent mehr Kapazität auf den Straßen abbilden“ und damit Staus deutlich reduzieren sowie überflüssiger Parksuchverkehr verringern.
Der Linken-Verkehrsexperte Herbert Behrens Behrens kritisierte die Absicht der Regierung, das Gesetz binnen weniger Wochen durch das Parlament zu bringen. Er warf Dobrindt vor, einseitig Interessen der Wirtschaft zu vertreten.
Der Bundestags-Verkehrsausschuss wird voraussichtlich am 20. März eine öffentliche Anhörung zu dem Gesetz veranstalten.
Ist E-Mail erlaubt?
Die Skepsis gegenüber dem Gesetzentwurf reicht weit bis in die Reihen des Koalitionspartners SPD. Deren Verkehrsexperte Andreas Rimkus sieht Fragezeichen bei der die Gefährdungshaftung, die weiterhin primär beim „Fahrer“ bleibt, und verwies auf fehlerhafte Systeme: „Sollte es sein, dass ich haftbar gemacht werde, wenn ich zum Beispiel die berühmte E-Mail lese und das Fahrzeug einen Unfall baut, obwohl es mir suggeriert, es könnte selbstständig fahren?“ Er sprach sich dafür aus, die Nutzer besser zu schützen.
Behrens hingegen monierte, dass der Gesetzentwurf sogar offenlasse, ob das Bearbeiten von E-Mails zulässig sei, wenn der Fahrer jederzeit bereit sein müsse, „unverzüglich“ das Steuer wieder selbst zu übernehmen. „So wird Rechtssicherheit nicht geschaffen“, bemängelte auch der Grünen-Verkehrsexperte Stephan Kühn. „Der Gesetzentwurf lädt die Gefährdungshaftung bei den Autofahrern ab.“
Datenschutz oder Datenreichtum?
Sowohl Dobrindt als auch Unions-IT-Experte Thomas Jarzombek plädierten für einen Mrentalitätswandel im Umgang an Daten. „Wer nicht erkennt, dass Daten der Rohstoff für Digitalisierung und damit für unseren zukünftigen Wohlstand sind, der verspielt eine ganze Menge an Zukunftschancen der nächsten Generation“, sagte Dobrindt. Jarzombek warnte, dass US-Konzerne wie Google mit einer weitaus unbefangeneren Herangehensweise deutlich im Vorteil seien.
Kühn sprach hingegen von Fahrzeugen als „Datenkrake“, wenn die Fahrdaten bis zu drei Jahre lang gespeichert werden. „Mit diesem Gesetz werden Sie die Bürgerinnen und Bürger nicht vom hoch- und vollautomatisierten Fahren überzeugen.“
Ethikdiskussion erst abschließen
Behrens und Kühn bemängelten einhellig, dass Dobrindt mit dem Gesetzentwurf vorprescht, ohne die Ergebnissse der von ihm eingesetzten Ethikkommission abzuwarten. SPD-Fraktionsvize Sören Bartol schloss sich dieser Kritik indirekt abn. „Lieber Kollege Dobrindt, diese Kritik sei an dieser Stelle einmal erlaubt: Sie hätten hier lieber den Nationalen Ethikrat zurate ziehen sollen.“ (roe)
Externer Link: Beschlussdrucksache des Bundesrates zum automatisierten Fahren