- Ausweichreaktionen nicht berücksichtigt
Der Gutachterkrieg über die voraussichtlichen Einnahmen aus der Pkw-Maut geht in eine weitere Runde. Der Volks- und Verkehrswirtschaftsprofessor Alexander Eisenkopf von der Zeppelin-Universität Friedrichshafen wirft dem „Hausgutachter“ des BMVI, Prof. Wolfgang H. Schulz, in einem Diskussionpapier unwissenschaftliches Arbeiten vor. Pikant ist, dass Schulz, der für das BMVI unter der Flagge des Beratungsunternehmens IERC aus Meerbusch arbeitet, ebenfalls Professor an der ZU Friedrichshafen ist.
Schulz hatte im Auftrag des BMVI dessen hausinterne Einnahmenschätzung sowohl 2015 als auch Anfang 2017 geprüft. Im jüngsten Gutachten hat er sie nicht nur für „konservativ“ befunden, sondern ihr sogar eine Unterschätzung der voraussichtlichen Mauteinnahmen um 10 bis Prozent attestiert (siehe hier).
Konkret bemängelt Eisenkopf unter anderem, dass
- das Ministerium unbeanstandet durch Schulz den Anteil von Autobahnen an der Fahrleistung ausländischer Pkw auf die Einreisen und Durchfahrten (EuD) überträgt;
- das Schulz-Gutachten den Methodenbruch in der Mauteinnahmenschätzung des BMVI nicht moniert: Das Ministerium wählt zwar für Pendler und Übernachtungsreisende einen additiven Ansatz, berechnet Tank- und Tageseinkaufsverkehr aber als Restgröße aus den hochgerechneten EuD. Diese „Restgröße“ sind steht aber für fast die Hälfte der erwarteten EuD;
- Schulz den bekannten Einnahmeskeptiker Ralf Ratzenberger wiederholt als Kronzeugen heranzieht, ihn dabei aber teilweise sinnentstellend zitiert;
- Schulz an keiner Stelle zahlenmäßig belegt, wie er zu der Aussage kommt, das BMVI-Gutachten unterschätze die Mauteinnahmen um 10 bis 25 Prozent.
Eisenkopf selbst sieht – im Rahmen der BMVI-Methodik – lediglich ein Potenzial von 2 Prozent, und zwar bei den Kurzzeitvignetten. Außerhalb des methodischen Rahmens sei allerdings zu fragen, ob die Übertragung der deutschen Hubraumverteilung auf ausländische Fahrzeuge der Realität entspricht – in einigen Ländern sei der durchschnittliche Hubraum wahrscheinlich geringer als in Deutschland.
Ausweichreaktionen nicht berücksichtigt
Im Gespräch mit dem Verkehrsbrief nannte Eisenkopf als weiteres Defizit der bisherigen Mauteinnahmeprognosen, dass Ausweichreaktionen – also das Ausweichen von Autobahnen auf Bundesstraßen – nicht berücksichtigt seien. Ein Beispiel auf österreichischer Seite sei Bregenz am Bodensee, wo viele Pkw im Transit von Deutschland in die Schweiz lieber durch die Stadt fahren, statt den mautpflichtigen Autobahntunnel zu benutzen. (roe)
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