In der Frage der Differenzierung von Lkw-Mautsätzen hat der Gesetzgeber verhältnismäßig großen Spielraum. Das machte Ulrich Hösch von der Anwaltskanzlei Gronefeld am Montag in der Anhörung des Bundestags-Verkehrsausschusses zur geplanten 3. Novelle des Lkw-Mautgesetzes (BFStrMG) deutlich. Er verwies auf das „Obst-Urteil“, in dem die Richter die Zusammenfassung von Zwei- und Dreiachsern in einer Mautklasse gebilligt hatten. Die geplante Abgrenzung zwischen Vierachsern und Lkw mit fünf Achsen und mehr sei gerechtfertigt, weil die Fünfachser den größten Anteil an der Verkehrsleistung hätten. Hösch reagierte damit auf die Anregung des CDU-Verkehrsexperten Oliver Wittke, Vier- und Fünfachser wieder in einer Achsklasse zusammenzulegen sowie seine Frage, ob es denkbar sei, vierachsige Gliederzüge mit Motorwagen unter 7,5t zGG von der Mautpflicht auszunehmen. Wie auch der CSU-Abgeordnete Karl Holmeier befürchtet Wittke eine Mehrbelastung von „Handwerkerfahrzeugen“.
Datenbasis lückenhaft
Die Frage des SPD-Mautexperten Sebastian Hartmann, wie hoch der Anteil derartiger Vierachser sei, konnte Michael Korn vom Wegekostengutachter Alfen Consult nicht beantworten. Es hätten nur Fahrleistungsdaten zur Verfügung gestanden – weder Fahrzeugzahlen noch Fahrzwecke – und der Auftrag des BMVI habe gelautet, Mautsätze nach Achsklassen zu ermitteln. Korn bezifferte den Anteil der Fahrzeuge zwischen 3,5t und 7,7t zGG sowie 7,5t und 11,99t zGG an der Fahrleistung auf jeweils rund 10 Prozent der Fahrzeuge ab 12t zGG. Auf beide Gruppen entfielen jeweils rund 130 Mio. EUR individuell zurechenbare Wegekosten.
Hösch warnte im übrigen aber vor dem Klagerisiko, wenn politisch festgesetzte Mautsätze zu sehr von der Wegekostenrechnung (WKR) abweichen. Er wies darauf hin, dass es schon jetzt zahlreiche Abweichungen gibt: So stamme das aktuelle Wegekostengutachten eigentlich aus dem Jahr 2013. Die nach den Mautsätzen von 2009 angefallenen Mehreinnahmen aus dem Jahr 2014 würden daher über eine entsprechend gesenkte Mautsätze seit Anfang 2015 zurückerstattet. Jetzt komme noch die feinere Differenzierung nach Achsklassen hinzu, die in der WKR von 2013 nicht hinterlegt sei.
Mautspreizung zwischen Vier- und Fünfachsern bleibt umstritten
Stefan Gerwens von Pro Mobilität treibt vor allem die mit 1,8 Cent/km deutliche Mautspreizung zwischen Vier- und Fünfachsern um. Diese sei offenbar dadurch entstanden, dass die Vierachser eine sehr heterogene Gruppe aus „schweren“ und „leichten“ Lkw bildeten.
Im Fernverkehrs-Sattelzugsegment könnten damit aber Fehlanreize entstehen, dreiachsige Auflieger durch Zweiachser zu ersetzen, der zudem auch im Kraftstoffverbrauch Vorteile habe. Durch die höheren Achslasten steige dann der Straßenverschleiß aber um rund 40 Prozent. Zugleich sänken die Mauteinnahmen: Würden nur 10 Prozent der heutigen Fünfachs-Fahrleistungen künftig von Vierachser erbracht werden, bedeutete dies ein Mauteinnahme-Minus von jährlich 380 Mio. EUR. Für das Fuhrgewerbe und Leasingunternehmen sei in der Folge ein erheblicher Wertberichtigungsbedarf für dreiachsige Auflieger zu erwarten. Möglicherweise segmentiere sich der Markt auch in „leichte“ und „schwere“ Ladungen, womit die Leerfahrtenquote steige. Korn hielt dagegen, dass die Achszahl eine deutliche Korrelation mit der Beladung habe und das bisherige System zutreffend widerspiegele, wie die Straße belastet werde.
Gewicht und Achslast statt Achszahl
Wegen der Frage des Straßenverschleißes stieß die Grünen-Verkehrsexpertin Valerie Wilms abschließend eine Debatte über eine grundsätzlich andere Mautsatzsystematik an, beruhend auf Fahrzeuggewichten und Achslasten. Andreas Marquardt, Präsident des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG), bremste aber ihren Elan. Eine Achslasterfassung sei zwar möglich und in den Lkw teilweise auch schon vorhanden, aber nicht vorgeschrieben. Erst müsste also die entsprechende Ausrüstung der Lkw vorgeschrieben werden. Torsten Böger von der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG) warnte allerdings davor, die Maut zu überfrachten: „Je mehr Ziele mit einer Gebühr verfolgt werden sollen, desto komplizierter wird es.“ (roe)