- Pilotbetrieb mit Brennstoffzellen-Triebzügen ab 2018
- Kostenunterschied noch nicht bezifferbar
- Zunächst Abfall-Wasserstoff aus der Chemieindustrie
Die Politik mahnt Industrie und Forschung, zügig für den Bürger „anfassbare“ Fahrzeuge mit Wasserstoff-Brennstoffzellen-Antrieb in den Realbetrieb zu bringen. „Wir dürfen uns nicht zu Tode forschen“, sagte Verkehrsstaatssekretär Rainer Bomba auf einem Symposium der Nationalen Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie-Förderinstitutionen NOW und NIP zum Schienenverkehr am Mittwoch in Berlin. Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies warnte davor, den Brennstoffzellenantrieb an möglicherweise bescheideneren Bedürfnissen des Marktes vorbei zu perfektionieren. Er plädierte stattdessen für eine staatlich unterstützte Markteinführung wie bei den alternativen Energien. „Wenn wir Windenergie nur von den Hochschulen hätten entwickeln lassen, wäre sie noch immer unbezahlbar.“
Pilotbetrieb mit Brennstoffzellen-Triebzügen ab 2018
Hintergrund der Veranstaltung war das Näherrücken des Pilotbetriebes von Nahverkehrstriebwagen mit Brennstoffzellenantrieb in Niedersachsen. Zum Fahrplanwechsel 2017/18 sollen zwei Pilotfahrzeuge des Typs Alstom LINT 54 bei den Elbe-Weser-Verkehrsbetrieben (EVB) den Betrieb aufnehmen. Die Fahrzeuge werden der EVB vom Aufgabenträger Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) gestellt. Wartung, Instandhaltung und auch Betankung übernimmt im Rahmen eines Verfügbarkeitsmodells Alstom selbst. Damit soll es erleichtert werden, auf neue Erkenntnisse aus dem Probebetrieb schnell zu reagieren. 2020 soll der LNVG-Fahrzeugpool weitere zehn Fahrzeuge erhalten, um sie den SPNV-Unternehmen zur Verfügung zu stellen. „Das ist leichter zu realisieren als auf privatwirtschaftlicher Basis“, sagte Lies. Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg wollen mit weiteren 50 Fahrzeugen dem niedersächsischen Beispiel folgen.
Alstom-Europa-Chef Andreas Knitter stellte heraus, dass der Schienen(nah)verkehr eigentlich ein ideales Anwendungsgebiet für den Brennstoffzellenantrieb sei: Die Technik sei ausgereift und „bahnfest“, der Treibstoff vom Preis her konkurrenzfähig und ausreichend verfügbar, und anders als beim Pkw sei auch kein dichtes Tankstellennetz erforderlich, weil die Züge immer die gleichen Linien befahren. Im Pkw-Bereich sind bisher nur asiatische Hersteller mit Wasserstoff-Serienfahrzeugen aktiv. Daimler hat die Vorstellung seines ersten Brennstoffzellen-Fahrzeuges wiederholt verschoben. Derzeit wird von 2017 gemunkelt.
Kostenunterschied noch nicht bezifferbar
Zum Kostenunterschied zu Dieselfahrzeugen gab es nur vage Aussagen. Von Alstom war zu hören, dass sich die Mehrkosten für das Fahrzeug selbst „in Grenzen“ hielten, weil die Antriebstechnik aus vorhandenen Komponenten aus dem Busbereich bestehe und lediglich in das vorhandene LINT-54-Chassis integriert werden müsse. Offen sei die Mehrkosten im Betrieb. Viel hänge davon ab, wie groß der Zusatzaufwand für die Betankung sei. Für zehn Züge werden laut Knitter 2t Wasserstoff pro Tag benötigt. Immerhin gebe es einen weltweit einheitlichen Zapfsäulen-Standard für Wasserstoff aus dem Kfz-Bereich, so das erleichterte Fazit aus Kreisen der Beteiligten. Knitter hofft, dass das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) den Versuch konstruktiv unterstützt.
Für die Herangehensweise von Alstom gab es sogar aus Kreisen der Konkurrenz große Anerkennung: Sie sei zwar „hemdsärmelig“, zeuge aber von unternehmerischen Mut. Bezeichnend sei auch, dass alle vier Bundesländer bei ihrem Probebetrieb auf NE-Bahnen setzten – offensichtlich sei der DB-Apparat zu schwerfällig.
Zunächst Abfall-Wasserstoff aus der Chemieindustrie
Der Wasserstoff selbst kommt zunächst aus der Chemieindustrie, wo er als Abfallprodukt anfällt („brauner Wasserstoff“). Perspektivisch sei der Einsatz von „grünem Wasserstoff“ aus Überschussproduktion von Wind- und Solarenergieanlagen möglich und erstrebenswert, hieß es übereinstimmend. Lies wie darauf hin, dass 2020 ein großer Teil der nach heutigen Maßstäben „überdotierten“ Einspeisevergütungen auslaufe, so dass die EEG-Umlage entsprechend sinken könne.
Er mahnte darüber hinaus an, die Bürger rechtzeitig über Wasserstoffantrieb aufzuklären. Auf keinen Fall dürfe es wieder zu einer Sicherheitsdiskussion wie beim Gasantrieb für Autos kommen, die dann in das Einfahrverbot für Parkhäuser und Tiefgaragen geführt habe. „Viele Bürger haben beim Wasserstoff nur den Knalleffekt aus dem Chemieunterricht im Hinterkopf.“ (roe)