- Bund-Länder-Koordinierung: Statt „Muss“ wird jetzt „angestrebt“
- Bringschuld des Bundes gegenüber Ländern ergänzt
- Erstmals Ost- und Südhäfen auf dem Schirm
- Infrastrukturerhalt wird kleingeschrieben
- Häfen nicht mehr automatisch „kritische Infrastruktur“
- Jade-Weser-Port kann Elb- und Weservertiefung nicht ersetzen
- Schifffahrtsgebühren jetzt unter Wettbewerbsgesichtspunkten
- Umweltbilanz des Binnenschiff deutlich positiver dargestellt
- Demographischer Wandel aufgegriffen
- ZDS mahnt zügige Umsetzung des Hafenkonzepts an
- BÖB hadert immer noch mit Binnenhafen-Kategorisierung
- BDB hält Gebührenpläne für nicht ausreichend präzise formuliert
- Verkehrsforum mahnt sorgfältige Folgenabschätzung bei Gebühren an
- DSLV fordert Verzahnung mit maritimer Agenda und Aktionsplan Güterverkehr
Der Bund fordert in der Endfassung des Nationalen Hafenkonzepts von den Ländern weiter eine bessere Mitwirkung in der Hafenpolitik ein, auch wenn früheren Formulierungen die Schärfe genommen wurde. Das ergab ein Vergleich des am Mittwoch vom Kabinett verabschiedeten Papiers mit der Entwurfsfassung von September 2015.
Statt „Muss“ wird jetzt „angestrebt“
Statt einer „besseren Koordinierung der Hafenpolitik“ wird jetzt zum Beispiel eine „bessere Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Hafenpolitik“ gefordert. An anderer Stelle wird jetzt festgestellt, dass „Bund und Länder eine engere Zusammenarbeit anstreben“, während es im Entwurf hieß, das „Bund und Länder zu neuen Vereinbarungen über die Zusammenarbeit in der Hafenpolitik kommen müssen“. Nach wie vor wird aber von den Küstenländern gefordert, die „Ahrensburger Liste“ zu „aktualisieren“, also zu priorisieren und gegebenen zu kürzen.
Bringschuld des Bundes gegenüber Ländern ergänzt
Offenbar auf Wunsch der Länder wurde ein Absatz eingefügt, wonach diese gegenüber dem Bund einen Anspruch darauf haben, stärker in dessen hafenpolitische Planungen eingebunden und informiert zu werden. Im Absatz zu der in Arbeit befindlichen Studie des BMVI zum Bund-Länder-Verhältnis in der Hafenpolitik wurde hinzugefügt, dass die Länder an der Diskussion beteiligt werden.
Erstmals Ost- und Südhäfen auf dem Schirm
Eine kleine Sensation verbirgt sich im Kapitel zu den Hinterlandanbindungen: „Der Bund berücksichtigt im Rahmen seiner Infrastrukturplanung auch die Bedeutung der ZARA-, ost- und südeuropäischen Häfen für die deutsche Volkswirtschaft“. Schon die Erwähnung der Westhäfen im Hafenkonzept war der deutschen Seehafenbranche bisher ein Dorn im Auge. Allerdings gibt es inzwischen auch eigene Interessen in diesen Häfen; so betreibt zum Beispiel die Bremer BLG im slowenischen Koper ein bedeutendes Autoterminal.
Infrastrukturerhalt wird kleingeschrieben
Auffällig ist, dass der im Entwurf noch ausführliche Abschnitt zu Defiziten im Infrastrukturerhalt massiv gekürzt wurde. Der Verweis auf die von der Bodewig- und der Fratzscher-Kommission festgestellten Investitionsdefizite wurde gelöscht. Festgehalten wird nur, „dass der aktuelle Modernitätsgrad einzelner infrastrukturbezogener Bauwerke deutlich zu niedrig ist“. Wie schon beim „Aktionsplan Güterverkehr und Logistik“ könnte das Motiv sein, dass das BMVI mit dem Hafenkonzept auch Standortmarketing im Ausland betreiben möchte und daher kritische Punkte unterschlägt.
Häfen nicht mehr automatisch „kritische Infrastruktur“
Mit Erleichterung dürfte die Hafenwirtschaft feststellen, dass die Klassifizierung der Häfen als „kritische Infrastruktur“ im Sinne des IT-Sicherheitsgesetzes komplett getilgt worden ist. Ob die Verabschiedung der so geänderten Endfassung durch das Kabinett – und damit auch das Bundesinnenministerium! – eine vollständige Entwarnung bedeutet, bleibt allerdings offen.
Jade-Weser-Port kann Elb- und Weservertiefung nicht ersetzen
Deutlicher als im Entwurf wird jetzt im Kapitel zu Elb- und Weservertiefung Überlegungen eine Absage erteilt, der Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven könnte diese überflüssig machen. „Der Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven könnte die diesbezüglichen Leistungen Hamburgs und Bremerhavens nicht ersetzen. Er bildet ein eigenständiges und zusätzliches Angebot in den Logistikketten des zunehmenden Containerumschlags.“
Schifffahrtsgebühren jetzt unter Wettbewerbsgesichtspunkten
Entschärft worden ist der Abschnitt zur Nutzerfinanzierung. Der Bund sagt zu, „auch unter Wettbewerbsgesichtspunkten“ zu prüfen, in welcher Höhe die Befahrungsabgaben am NOK erhoben werden können. Außerdem werde er „die Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Häfen bei seinen Planungen zur Nutzerfinanzierung von Bundeswasserstraßen prüfen.“
Umweltbilanz des Binnenschiff deutlich positiver dargestellt
Aufatmen können die Binnenschiffer: Im Entwurf hieß es im Kapitel zu Schadstoffemissionen noch, dass „Binnenschiffe hinsichtlich einer Veränderung der Antriebstechnik weniger Potenzial als Seeschiffe besitzen“. Jetzt heißt es mit Verweis auf den vorherrschenden Kraftstoffe Gasöl und Diesel: „In der Binnenschifffahrt ist der Umstieg auf schwefelfreie Treibstoffe bereits gelungen.“
Demographischer Wandel aufgegriffen
Völlig neu aufgenommen wurde ein Kapitel zum demographischen Wandel. Dort wird unter anderem angeregt, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam „Demographiefonds“ einrichten, aus denen ältere Arbeitnehmer bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten entlastet werden können. Tariflich vereinbarte Demographiefonds gibt es zum Beispiel in der Chemieindustrie.
Verbände mahnen zügige Umsetzung des Hafenkonzepts an
In ersten Reaktionen zeigten sich die Branchenverbände mit dem Hafenkonzept im Grundsatz zufrieden, mahnten aber einhellig eine zügige Umsetzung an: „Der Ausbau der hafenbezogenen Infrastrukturen ist überfällig und für die deutsche und europäische Wirtschaft von entscheidender Bedeutung“, sagte Daniel Hosseus, Hauptgeschäftsführer des Seehafenverbandes ZDS. „Neben der Bereitstellung von mehr Planungspersonal in den Verwaltungen sind uneingeschränktes Baurecht sowie eine Verschlankung des Planungsrechts erforderlich.“
BÖB hadert immer noch mit Binnenhafen-Kategorisierung
Boris Kluge vom Binnenhafenverband BÖB bedauerte, dass das Gutachten zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Binnenhäfen – in dem die Idee der Binnenhäfen-Hubs wurzelt – nicht ad acta gelegt worden ist. „Dass bei einem so umfassenden Konzept manche Kröte geschluckt werden muss, gehört dazu, wenn sie viele Interessen ausgeglichen werden“, räumte er ein. Insgesamt seien die Sorgen und Nöte der Binnenhäfen aber aufgegriffen worden.
BDB hält Gebührenpläne für nicht ausreichend präzise formuliert
Der Binnenschifffahrtsverband BDB wünschte präzisiere Formulierungen zur Frage von Wasserstraßengebühren. „Wir erwarten, dass die Regierung tatsächlich eine umfassende Einbeziehung sämtlicher Nutzer der Wasserstraßen, also nicht nur der gewerblichen Binnenschifffahrt, vornimmt“, erklärte Verbandspräsident Martin Staats.“ Außerdem sollte sie ihre Gebührenpläne nicht nur im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit der Häfen prüfen, sondern auch im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit der Schifffahrt im Vergleich zu den anderen Verkehrsträgern.
Verkehrsforum mahnt sorgfältige Folgenabschätzung bei Gebühren an
Ähnlich forderte Ulrich Nußbaum, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Verkehrsforums (DVF), für die geplante Anpassung von Gebühren für die Binnenwasserstraßen eine sorgfältige Folgenabschätzung Es dürfe keine Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit geben. Dasselbe gelte für eine mögliche Überprüfung der Befahrensabgaben am Nord-Ostsee-Kanal.
DSLV fordert Verzahnung mit maritimer Agenda und Aktionsplan Güterverkehr
Willem van der Schalk, Vizepräsident des Speditionsverbandes DSLV, forderte die Bundesregierung auf, gemeinsam mit den Bundesländern und der Wirtschaft das Hafenkonzept inhaltlich und zeitlich mit der Maritimen Agenda 2025 und dem Aktionsplan Güterverkehr und Logistik zu verzahnen. „Entscheidend ist nicht so sehr, was auf dem Papier steht, sondern dass die beschlossenen Maßnahmen jetzt auch mit Priorität realisiert werden.“ (roe)
Externer Link: Nationales Hafenkonzept 2015