Falls es irgendjemand verpasst hat: Verkehrsstaatssekretär Enak Ferlemann hat am Donnerstagabend en passant die heiße Phase der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen im Verkehrsbereich eröffnet. Sein anscheinend mit dem Bundesfinanzministerium abstimmter Vorstoß läuft darauf hinaus, dass die Länder einen Mehrwertsteuerpunkt mehr erhalten. Bei Fortschreibung der Steuereinnahmen der letzten Jahre würde das 2015 auf rund 8,4 Mrd. EUR hinauslaufen. Dafür bezahlen die Länder den SPNV künftig aus eigener Tasche. Zusätzlich übernimmt der Bund die bisherige Auftragsverwaltung für die Bundesfernstraßen, bei der die Länder nach eigenem Bekunden wegen der mit 3 Prozent zu niedrig angesetzten Zweckausgabenpauschale draufzahlen.
Geld ohne Zweckbindung wird versickern
Bleiben wir zunächst beim SPNV: 8,4 Mrd. EUR hört sich zunächst nicht schlecht an und ist fast eine Punktlandung beim Wunschbetrag gemäß Kieler Schlüssel. Doch die Verkehrspolitiker sollten sich nicht zu früh freuen.
Wie groß ist nämlich die Wahrscheinlichkeit, dass die Mittel, wenn sie einmal in den Landeskassen angekommen sind, auf Dauer der SPNV-Finanzierung vorbehalten bleiben? Nicht nur dem Bundesfinanzminister sind „klebrige Hände“ eigen, seine Länderkollegen stehen ihm darin in nichts nach. So lasch die Verwendungskontrolle des Bundes für die Regionalisierungsmittel in der Vergangenheit gewesen sein mag: Gravierende Zweckentfremdung hat es nicht gegeben. Die Hemmschwelle, künftig landeseigene Mittel in anderen Politikbereichen versickern zu lassen, dürfte deutlich niedriger sein. Die Verkehrspolitiker der Länder sollten sich also mit der Frage auseinandersetzen, wie sie eine Zweckbindung sichern. Steuern sind ihrem Wesen nach nämlich nicht zweckgebunden (Non-Affektationsprinzip).
Eine Möglichkeit wäre, eine länderübergreifende „Sonderkasse“ einzurichten, in die der abgetretene Mehrwertsteuerpunkt zunächst eingezahlt wird, bevor er nach dem „Kieler Schlüssel“ verteilt wird. Das ließe sich leicht begründen, denn die übrigen Mehrwertsteuereinnahmen werden nach Königsteiner Schlüssel verteilt. Mit einer derart getrennten Ausschüttung wäre immerhin jenes Maß an Transparenz geschaffen, das eine Zweckentfremdung deutlich erschwert.
Infrastruktur dem Wettbewerb aussetzen
Eine weiterer Fallstrick im „Ferlemann-Modell“ sind Anreizstrukturen rund um die Infrastrukturentgelte. Heute muss der Bund zumindest ein wenig darauf achten, dass die Entgeltsteigerungen seines Unternehmens DB die von ihm gezahlten Regionalisierungsmittel nicht völlig auffrisst. Liegt die SPNV-Finanzierung komplett bei den Ländern, muss er von der DB solche Rücksichten nicht mehr einfordern. Angesichts der für die LuFV-Finanzierung notwendigen Dividenden hat der Bund aber ein vitales Interesse an ordentlichen Renditen der Infrastruktursparte. Dass die Entgeltregulierung wirksam gegen das Drehen an der Preisschraube wirkt, erscheint im Lichte vergangener Erfahrungen wenig wahrscheinlich: Ein cleverer Monopolist ist seinem Regulierer immer einen Schritt voraus.
Wirksamer dürfte es sein, die marktwirtschaftlich bewirkte Effizienzsteigerung im Zugbetrieb analog im Infrastrukturbetrieb- und -Erhalt zur Geltung zu bringen: Was spricht dagegen, einige kleinere Regionalnetze für zehn oder 15 Jahre in die Hände privater Betreiber zu legen, um die DB-Infrastruktursparte zumindest einmal einem echten Benchmarking auszusetzen? Die Vergabekompetenz dürfte bei den SPNV-Aufgabenträgern vorhanden sein. In einer Zeit, in der auch andere Strukturen neu sortiert werden, haben die Länder am ehesten Chancen, sich die benötigten Pilotnetze vom Bund „auszuleihen“. Oder, um ein Wort von Ferlemann vom Donnerstagabend aufzugreifen: „Nicht kleines Karo denken, sondern mal die größeren Linien andenken.“ (roe)