- Wiener Abkommen, ECE-Regeln, Zulassungsrecht und StVO ändern
- Haftungsverlagerung durch Unfalldatenspeicher abfedern
- Traditionelle Hersteller müssen „disruptive Innovation“ ernst nehmen
Autonom fahrende Fahrzeuge mit heute üblichen Geschwindigkeiten und Leistungsmerkmalen auf öffentlichen Straßen sind als Marktangebot nicht vor 2030 zu erwarten. Zu diesem Schluss kommt das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in einer umfangreichen industriepolitisch fokussierten Studie für das BMWi. Es widerspricht damit der Einschätzung von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, dass das autonome Fahren deutlich früher Realität wird (siehe hier). Für die Einführung von hochautomatisiertem Fahren (HAF) auf deutschen Autobahnen bis zum Jahr 2020 sehen die Autoren der Studie jedoch keine grundsätzlichen technischen Hindernisse mehr.
Wiener Abkommen, ECE-Regeln, Zulassungsrecht und StVO ändern
Drängendste Herausforderung sei jetzt die Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Hier sei vor allem das Zulassungsrecht gefordert, damit die (internationalen) Verkehrsregeln durch automatisierte Fahrzeuge sicher eingehalten werden.
Wird das Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr geändert – wie es das BMVI anstrebt – , seien zukünftig für die Fahrzeugautomatisierung die ECE-Regelungen für Kraftfahrzeuge maßgebend. Um das HAF zuzulassen, müsse der Geschwindigkeitsbereich für automatisierte Lenkanlagen stark erhöht werden. Von der Pflicht des Fahrers laut StVO, das Fahrzeug jederzeit sicher zu beherrschen, könne abgerückt werden, wenn über das Zulassungsrecht sichergestellt ist, dass das System die Regeln der StVO analog anwenden kann. Langfristig sollte eine internationale Harmonisierung der Verkehrsregeln und -zeichen angestrebt werden.
Haftungsverlagerung durch Unfalldatenspeicher abfedern
Wie es weiter heißt, entstehe durch HAF zwar keine Haftungslücke, es komme aber zu einer Haftungsverlagerung von Haltern zu Herstellern. Um die Verantwortungsbereiche besser abgrenzen zu können, regen die Autoren die Pflicht zu einem Unfalldatenspeicher an. Ethisch-moralisch diskutiert und abschließend durch die die Politik entschieden werden müsste, wie mit Unfällen umgegangen wird, bei denen niemand strafrechtlich verantwortlich ist, weil das System „schuld“ hat. Die Autoren bezeichnen die „derzeit noch langwierigen Abstimmungsprozesse innerhalb des politischen Feldes“ als klaren Nachteil für Deutschland gegenüber anderen Staaten, die auf diesem Feld ebenfalls nach vorne drängen.
Traditionelle Hersteller müssen „disruptive Innovation“ ernst nehmen
Die Autoren warnen vor der Gefahr, dass die traditionellen Automobilhersteller zu evolutionär vorgehen. Vollautomatisiertes und autonomes Fahren weise jedoch grundsätzlich Merkmale einer „disruptiven Innovation“ auf, bei der branchenfremde neue Anbieter schnell Vorsprung herausarbeiten könnten. (roe)