EU-Kommission nimmt sich Abbiegeassistenten vor

  • EU zweifelhaft an Notbremsfunktion
  • Druck auf UNECE wächst
  • Schilderwald soll auf automatisiertes Fahren vorbereitet werden
  • TEN-T-Sicherheitsregeln für weitere Straßen

Lkw und Busse müssen mittelfristig so konstruiert werden, dass die Fahrer besseren direkten Blick auf Fußgänger und Radfahrer haben. Außerdem sollen sie verpflichtend mit Abbiegeassistenten ausgestattet werden – wenn auch zunächst ohne Notbremsfunktion. Das sieht ein Verordnungsvorschlag der EU-Kommission zur Novellierung der Vorschriften für Fahrzeugsicherheit und Sicherheit ungeschützter Verkehrsteilnehmer vor, der in der vergangenen Woche im Rahmen des dritten Mobilitätspakets vorgestellt wurde und nun dem Bundesrat zur Stellungnahme zugegangen ist. Weitere Bestandteile des Pakets sind unter anderem ein Verordnungsvorschlag zur CO2-Reduzierung von Lkw (liegt dem Bundesrat noch nicht vor) und zum automatisierten und vernetzten Fahren.

EU zweifelhaft an Notbremsfunktion

Wie aus dem Verordnungsvorschlag hervorgeht, soll die Neuregelung für die verbesserte Direktsicht vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Verordnung für neue Fahrzeugtypen gelten und acht Jahre nach dem Inkrafttreten für bereits vorher typgenehmigte Fahrzeugtypen.

Zusätzlich müssen zwei Jahre nach dem Inkrafttreten neu typgenehmigte Lkw und Busse über Assistenzsysteme verfügen, die vor ungeschützten Verkehrsteilnehmern vor dem Fahrzeug und an der Beifahrerseite warnen. Eine Notbremsfunktion will die Kommission nicht verlangen. Die Unfallanalyse habe gezeigt, dass Unfälle mit Lkw und Bussen vor allem bei sehr niedrigen Geschwindigkeiten passieren, wo es zweifelhaft sei, dass Notbrems-Assistenzsysteme wirksam sind. „Mit anderen Worten: Heutzutage gibt es keine Systeme, die diese Art des Überfahrens bei geringer Geschwindigkeit wirksam verhindern würden, und es ist ungewiss, ob und wann solche Systeme verfügbar werden.“

Druck auf UNECE wächst

Ein Novum ist, dass die EU ihre Sicherheitsvorschriften notfalls im Alleingang umsetzen will. „Dennoch setzt sich die Kommission engagiert für die Festlegung dieser Anforderungen im Rahmen der EU-Typgenehmigung ein, wenn die Ausarbeitung auf der Ebene der UNECE nicht mit dem notwendigen Tempo vorankommt.“ Bisher scheitert zum Beispiel die verpflichtende Ausstattung mit Abbiegeassistenten an den langwierigen Abstimmungsprozessen in der normgebenden UN-Wirtschaftskommission für Europa.

Außerdem will die EU-Kommission einführen:

  • Fortschrittliche Notbremsassistenten für Pkw
  • Müdigkeitserkennung (alle Fahrzeugklassen)
  • Ablenkungserkennung (alle Fahrzeugklassen)
  • Unfalldatenschreiber (Pkw und leichte Nutzfahrzeuge)
  • Signal zur Notbremsung (alle Fahrzeugklassen)
  • Verletzungsarme Frontpartien zum Schutz von Fußgängern und Radfahrern (Pkw und leichte Nutzfahrzeuge)
  • Geschwindigkeitsassistenten (alle Fahrzeugklassen)
  • Spurhalteassistent (Pkw und leichte Nutzfahrzeuge)
  • Rückfahrkameras oder -Erkennungssysteme (alle Fahrzeugklassen)
  • Erleichterte Installation von Alcolocks

Assistenzsysteme dürfen nur im Stand deaktiviert werden können. Bei jedem Neustart müssen sie sich wieder automatisch aktivieren.

Schilderwald soll auf automatisiertes Fahren vorbereitet werden

Komplementär zur Fahrzeugsicherheit will die Kommission auch die Sicherheit der Straßenverkehrsinfrastruktur verbessern und dazu die Richtlinie von 2008 novellieren. Spurhalteassistenten setzen zum Beispiel eine ordentliche Straßenmarkierung voraus. „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Fahrbahnmarkierungen und Verkehrszeichen ordnungsgemäß gestaltet und instand gehalten werden, sodass sie sowohl von menschlichen Fahrern als auch von Fahrzeugen, die mit Fahrerassistenzsystemen oder einer höheren Automatisierungsstufe ausgestattet sind, leicht und zuverlässig erkannt werden können“, heißt es im Vorschlag. Ergänzend soll die Kommission „allgemeine Leistungsanforderungen“ entwickeln, um die Erkennung von Fahrbahnmarkierungen und Verkehrszeichen zu erleichtern.

TEN-T-Sicherheitsregeln für weitere Straßen

Wesentlicher Inhalt des Vorschlags aus deutscher Sicht dürfte sein, die Sicherheitsmanagement-Vorschriften für die Fernstraßen des TEN-T-Netzes auf alle Autobahnen, außerörtlichen Fernstraßen und Straßen mit EU-Finanzierung anzuwenden. Auf diesen 15 Prozent des Straßennetzes ereignen sich 39 Prozent aller Todesfälle im Verkehr. Auf den TEN-T-Straßen sei es gelungen, die Zahl und Schwere von Unfällen deutlich zu verringern.

Mit der Novelle verbunden sind neue Berichtspflichten der Nationalstaaten an die EU. Bis 2025 muss das neu hinzugekommene Straßennetz erstmals unter Aspekten des Unfallrisikos bewertet werden, anschließend alle fünf Jahre.

Die EU-Kommission schätzt, dass durch die Novelle im Zeitraum 2020 bis 2030 im Vergleich zum Basisszenario mehr als 3200 Menschenleben gerettet und mehr als 20700 schwere Verletzungen vermieden werden können. (roe)

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