Bund, Länder und Verbände streiten über blaue Plakette

  • Neuer Anlauf im Bundesrat
  • Kurswechsel des VDA?
  • Paketdiensten droht weiteres Ungemach

Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Diesel-Fahrverboten ist der Streit über die „blauen Plakette“ wieder mit voller Wucht ausgebrochen und entzweit auch die Bundesregierung. In einem gemeinsamen Pressestatement von Bundesverkehrsminister Christian Schmidt und Bundesumweltministerin Barbara Hendricks betonte Schmidt, dass das Gericht hohe Hürden für die Verhältnismäßigkeit aufgebaut hat. Mit den jetzt eingeleiteten Maßnahmen seien die Stickoxid-Grenzwerte bis 2020 in fast allen Städten erreichbar. Er hoffe, auf Fahrverbote verzichten zu können.

Hendricks schloss sich diesem Ziel an, wies aber auf den möglichen Beitrag einer Hardware-Nachrüstung hin. Sie ließ die Erwartung durchblicken, dass die Autohersteller jetzt bereit sein sollten, die Kosten zu übernehmen. In einem Interview mit dem ZDF sagte sie am Abend weiter, falls es dennoch zu Fahrverboten komme, sei eine „Positivkennzeichnung“ derjenigen Fahrzeuge nötig, die trotzdem einfahren dürfen, nämlich saubere Fahrzeuge. Ausnahmen sollte es für Versorgungsverkehr und Handwerker sowie Anwohner geben.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Mittwoch lediglich, das Thema einer blauen Plakette „wird in der neuen Bundesregierung alsbald aufgegriffen werden“.

Neuer Anlauf im Bundesrat

Der baden-württembergische Landesverkehrsminister Winfried Hermann stellte im Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung ein Diesel-Fahrverbot für Euro-4-Fahrzeuge ab Jahresende in Aussicht, für Euro-5-Fahrzeuge ab Ende 2019. Das Land werde über den Bundesrat einen neuen Anlauf nehmen, eine bundesweit einheitliche blaue Plakette einzuführen.

Die Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klima kündigte unterdessen an, die Möglichkeit von Fahrverboten in die nächste Überarbeitung des Luftreinhalteplanes aufzunehmen.

Kurswechsel des VDA?

Überraschend sprach sich auch der Autoindustrieverband VDA indirekt für eine blaue Plakette aus. Es liege in der Hand der Politik, alles zu unternehmen, um einen Flickenteppich unterschiedlichster Regelungen in den Städten zu vermeiden, teilte der Verband mit. Zielführend wäre sicherlich eine bundeseinheitliche Regelung. „Die vielen Autofahrer, die seit Monaten durch die Fahrverbotsdebatte verunsichert wurden, brauchen rechtliche Klarheit“, ließ sich VDA-Präsident Matthias Wissmann zitieren. Der Verband hob er hervor, dass das Gericht auch verlange, soziale Belange in die Abwägung einzubeziehen.

Paketdiensten droht Ungemach nicht nur wegen Diesel-Fahrverboten

Überaus besorgt zeigten sich der Speditionsverband DSLV und der Paket- und Expressverband BIEK. „Diesel-Fahrverbote für Kurier-, Express- und Paketfahrzeuge würden die Grundversorgung des Handels und der Haushalte durch KEP-Dienste in den Innenstädten lahmlegen“, erklärte der BIEK-Vorsitzende Florian Gerster und plädierte damit indirekt für Ausnahmeregelungen. Der DSLV befürchtet, dass im Falle von Fahrverboten selbst vergleichsweise moderne Lkw zur innerstädtischen Versorgung entwertet werden, speziell durch die – vom Gericht für möglich erachtete – schrittweise Ausdehnung auf Euro-V-Fahrzeuge. Beide Verbände wiesen darauf hin, dass die Branche an alternativen Antrieben interessiert sei und sie auch teste. Es seien aber zu weniggeeignete Fahrzeuge verfügbar und die Anschaffungskosten seien noch zu hoch.

Auf dem Technischen Kongress des VDA erinnerte der Hamburger Verkehrsstaatsrat Andreas Rieckhof allerdings auch noch an die oft übersehene Absichtserklärung im neuen Koalitionsvertrag, es den Kommunen zu ermöglichen, KEP-Fahrzeugen strengere Abgas- und Lärmgrenzwerte aufzuerlegen. (roe)