- Länder fürchten um Synergien
- Selbst Teilprivatisierung wird abgelehnt
- Asfinag als Vorbild, aber aus den Fehlern lernen
- Autobahn- oder Fernstraßengesellschaft?
- Gibt es eine Mehrheit für eine Grundgesetzänderung?
Die Positionen von Bund und Ländern zu einer Bundesfernstraßengesellschaft liegen noch weit auseinander. „Die Auftragsverwaltung hat 60 Jahre lang nicht schlecht funktioniert“, sagte der Verkehrsminister von Mecklenburg-Vorpommern und amtierende Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz (VMK), Christian Pegel, am Montag auf einer Veranstaltung des Deutschen Verkehrsforums (DVF) in Berlin.Er wies darauf hin, dass die bundeseigene Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) ebenfalls „Suboptimalitäten“ aufweise. „Reibungsverluste gibt es überall“, hob er hervor. Pegel empfahl, sich zuerst über die Ziele einer neuen Straßenbaupolitik klar zu werden, und erst danach über geeignete Strukturen zu sprechen. Genau dieses „Abschichten“ der Fragen habe sich die Bodewig-II-Kommission vorgenommen.
Die Verkehrspolitiker auf Bundesebene haben sich hingegen fraktionsübergreifend schon auf eine bundeseigene Verkehrsinfrastrukturgesellschaft festgelegt, wie Verkehrsstaatssekretär Enak Ferlemann und die Grünen-Verkehrsexpertin Valerie Wilms deutlich machten.
Länder fürchten um Synergien
Pegel wies darauf hin, dass das heutige System der Auftragsverwaltung Synergien beim Betriebsdienst für die Bundesfernstraßen Synergien mit dem nachgeordneten Straßennetz ermögliche. Bei einer Trennung müsste ein zweites Netz von Straßenmeistereien geschaffen werden. Die regionale Verankerung der Straßenbauverwaltung vor Ort erleichtere es außerdem, sich zum Beispiel beim Bau von straßenbegleitenden Radwegen schnell mit den Grundstückseigentümern zu einigen.
Der DVF-Präsidiumsvorsitzende Ulrich Nußbaum hielt dem entgegen, dass die Straßenbauverwaltungen in den Ländern nach seiner früheren Erfahrung als Finanzsenator sehr unterschiedlich aufgestellt seien: „Man konnte den Verkehrspolitikern immer viel Geld zur Verfügung stellen, weil man genau wusste, dass sie es nicht schaffen, es auszugeben, und man es daher am Jahresende wieder einsammeln konnte.“
Nußbaum betonte aber auch, dass am Anfang nicht alle Kompetenzen bei einer Verkehrsinfrastrukturgesellschaft gebündelt sein müssen. „Wir wollen funktionierende Systeme in den Länderverwaltungen nicht gefährden.“ Deren Know-How solle auch weiterhin genutzt werden.
Verkehrsstaatssekretär Enak Ferlemann warf den Ländern vor, dass sie derzeit machen, was sie wollen. Aus Bundessicht wichtige Projekte würden gebremst und verschleppt, andere dafür vorangetrieben. „2014 mussten wir erstmals mit Weisungen arbeiten“, beklagte er. Jetzt stelle sich auch noch heraus, dass die Länder nicht die Planungskapazitäten haben, um den Investitionshochlauf des Bundes zu bewältigen.
Selbst Teilprivatisierung wird abgelehnt
Alle Teilnehmer sprachen sich für eine staatseigene Gesellschaft aus – auch Hochtief-Vorstand Nikolaus Graf von Matuschka. Ferlemann stichelte in dieser Frage indirekt gegen das Bundesfinanzministerium, wo auch über eine Privatisierung der Autobahnen nachgedacht wird. Privaten solle es allerdings ermöglicht werden, sich an konkreten Projekten in Form von ÖPP zu beteiligen.
Asfinag als Vorbild, aber aus den Fehlern lernen
Als geeignetes Vorbild bezeichnete Ferlemann die österreichische Autobahngesellschaft Asfinag. Matuschka stimmte im Grundsatz zwar zu, warnte aber auch vor der Wiederholung von Fehlern: So sei die Asfinag nicht gerade schlank aufgestellt. Als nachahmungswürdigen Kern nannte er die Zweckbindung der Mittel, ihre überjährige Verstetigung und die Routine in der Projektabwicklung – für die es in Deutschland in Form der Deges aber auch schon ein Muster gebe. Wilms wiederum betonte, die Bundesfernstraßengesellschaft dürfe – anders als die Asfinag – nicht als Schattenhaushalt angelegt sein. Sie warnte mit Blick auf die Erfahrungen mit der DB davor, eine Aktiengesellschaft zu gründen. Dadurch werde die politische Kontrolle zu sehr erschwert.
Autobahn- oder Fernstraßengesellschaft?
Diffus blieb das Meinungsbild zur künftigen Stellung der heutigen Bundesstraßen. Matuschka sprach sich dafür aus, in die neue Gesellschaft in einem ersten Schritt nur die Autobahnen einzubringen. In einem zweiten Schritt könnten Bundesstraßen mit überregionalem Verbindungscharakter folgen. Wilms forderte, das Bundesfernstraßennetz um Verkehrswege mit rein regionaler Bedeutung zu bereinigen. Nußbaum klammerte die Frage aus und sprach von einer reinen Autobahngesellschaft. Auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hat zuletzt bei einer Reihe von Gelegenheiten für eine reine Autobahngesellschaft ausgesprochen.
Gibt es eine Mehrheit für eine Grundgesetzänderung?
Ferlemann zeigte sich zuversichtlich, im Bundestag die notwendige Zweidrittel-Mehrheit für eine Abschaffung der Länderauftragsverwaltung zu bekommen. Komplizierter sei es im Bundesrat. Er deutete aber an, dass es im Rahmen der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen eine Paketlösung geben könne, die in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird und in der kommenden in Kraft tritt. Pegel trat der Vermutung entgegen, eine Einigung sei nur eine Frage des Preises und der Bund könne einzelne Länder herauskaufen. Er gehe davon aus, dass am Ende die Positionen aller Länder sehr nah beieinander seien. (roe)