Erst am Dienstag ist ein vom Bundesfinanzministerium erstellter Referentenentwurf für die notwendige Grundgesetzänderung in die Ressortabstimmung gegangen. Die Frist für Stellungnahmen läuft bis Freitag, während die Bund-Länder-Gespräche bereits am Donnerstag stattfinden.
Gesetzentwurf mit Lücke an entscheidender Stelle
Dem Entwurf zufolge würde Artikel 90 ins konsolidierter Fassung künftig wie folgt lauten (Änderungen in kursiver Schrift):
(1) Der Bund ist Eigentümer der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs. Das Eigentum ist unveräußerlich.
(2) („Formulierung wird nachgereicht“)
(3) Die Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften verwalten die sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs im Auftrage des Bundes.
(4) Auf Antrag eines Landes kann der Bund sonstige Bundesstraßen des Fernverkehrs, soweit sie im Gebiet dieses Landes liegen, in Bundesverwaltung übernehmen.
Im Begründungsteil des Entwurfs ist zu Absatz 2 davon die Rede, dass sich der Bund nicht nur die Autobahnen greift, sondern auch die autobahnähnlichen Bundesstraßen außerhalb geschlossener Ortslagen und mit direkter Anbindung an eine Autobahn. Das entspräche im wesentlichen dem bis zum 30. Juni 2015 der Lkw-Maut unterworfenen Teil der Bundesstraßen, also rund 1200km.
Zur Infrastrukturgesellschaft heißt es, dass die „Bundesverwaltung“ (also nicht: „Verwaltung des Bundes“) in öffentlich-rechtlicher wie auch in privatrechtrechtlicher Form erfolgen kann. Der Bund „kann“ sich zur Erledigung seiner Aufgaben einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen.
„Blankoscheck“ für Übergangsphase?
Eingefügt werden soll außerdem ein neuer Artikel 143e mit Übergangsvorschriften. Danach werden die künftig vom Bund verwalteten Straßen noch längstens bis Ende 2020 in der Auftragsverwaltung geführt. Der Bund will sich für die Umwandlung in Bundesverwaltung eine ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis einräumen lassen. Für die Umwandlung kann der Bund den Landesbehörden Weisungen erteilen und allgemeine Verwaltungsvorschriften ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen. Aus Länderkreisen ist zu diesem Vorschlag schon Murren zu vernehmen.
Für die Beamten der Bundesautobahnverwaltung wird analog zu Post, Telekom und DB die Möglichkeit geschaffen, sie der Infrastrukturgesellschaft zur Dienstleistung zuzuweisen.
Privatisierung bleibt umstritten
Ausgerechnet zur umstrittenen Frage der Privatisierungsoption schweigt der Gesetzentwurf. Aus Regierungskreisen war am Mittwoch zu hören, dass das BMF einen Zusatz wünsche, wonach die Gesellschaft „mehrheitlich“ in Bundesbesitz bleiben soll. Denkbar sei aber auch, im Grundgesetz gar nichts festzuschreiben und die Eigentumsfrage später einfachgesetzlich zu regeln.
Der einflussreiche Wirtschaftsrat der CDU will ebenfalls eine Privatisierungsoption offenlassen. Er erhofft sich davon zum einen mehr Effizienz als von einer reinen Bundesgesellschaft, zum anderen besseren Schutz vor ständigem Hineinregieren der Politik in einzelne Projekte. Letzteres habe zu Fiaskos wie dem BER maßgeblich beigetragen.
Klar ist nun aber immerhin, dass der Bund unter „Opt out“ eine Fortschreibung der bisherigen Regelung versteht.
Gutachten zu Privatisierungsschranken
Unterdessen empfiehlt ein frisches Gutachten klare Privatisierungsschranken. Erstellt wurde das Gutachten von dem bekannten Trio aus Prof. Thorsten Beckers (TU Berlin) sowie den beiden Juristen Prof. Georg Hermes (Uni Frankfurt/Main) und Holger Weiß im Auftrag des baden-württembergischen Verkehrsministeriums. Ihr Vorschlag für eine Grundgesetzänderung ist wesentlich umfangreicher, soll aber die Umgehung des Privatisierungsverbots verhindern. Wesentliche Punkte sind:
- Ein eigener Satz „Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Privater an der Gesellschaft ist ausgeschlossen.
- Verbindliche Staatsgarantie – damit soll vorgebeugt werden, dass der Bund Zinsen wie für Schulden privater Unternehmen zahlt, am Ende aber doch implizit 100-Prozent-Ausfallsicherheit gewährt
- Hohe Hürden für Teilnetz-ÖPP und Ausschluss von Gesamtnetz-ÖPP, Verbot von ÖPP mit einer Laufzeit von mehr als 30 Jahren.
Die Autoren der Studie warnen, dass eine teilprivatisierte Gesellschaft wahrscheinlich einem Regulierer unterstellt werden müsste. Das Risiko sei hoch, dass die Gesellschaft dann aufgrund ihrer stärkeren Kurzfristorientierung schneller auf versehentliche Fehlanreize des Regulierers reagiere und damit das Interesse der Bürger hintenanstelle. Die Kurzfristorientierung privater Investoren verleite tendenziell auch dazu, die Infrastruktur auf Verschleiß zu fahren.
Entwarnung hingegen gibt es in Richtung Maastricht-Kriterien: Die Autoren halten es für machbar, auch eine nicht privatisierte Autobahngesellschaft so auszugestalten, dass ihre Schulden nicht dem Staat zugerechnet werden.
Fundamentalopposition aus Niedersachsen
Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies stellte vor dem Hintergrund der Privatisierungsdebatte die gesamte Vereinbarung zur Autobahngesellschaft in Frage. „Finanzminister Schäuble will mit der neuen Infrastrukturgesellschaft nicht nur einfach eine Umorganisation der Straßenbauverwaltung“, sagte er am Dienstag. „Er will mindestens eine Teilprivatisierung der besagten Gesellschaft und damit auch unseres Autobahnnetzes, vielleicht sogar des gesamten Bundesfernstraßennetzes.“ Das Autobahnnetz gehöre aber als Teil der Daseinsvorsorge in staatliche Hand. „Es geht unter dem Strich eben nicht um eine Optimierung der Abläufe im Straßenbau, sondern um eine lukrative Anlagemöglichkeit für Banken und Versicherungen.“Jetzt herrsche Klarheit über die wahren Absichten, und damit sei auch die Position des Landes eindeutig: „Wir brauchen keine Infrastrukturgesellschaft, und schon gar nicht eine Gesellschaft in der Hand von Privatkonzernen.“
Skepsis gegenüber einer Privatisierungsoption ließ erwartungsgemäß auch der Bundesrechnungshof durchblicken. „Privates Kapital darf nur dann eingebunden werden, wenn es für den Bund wirtschaftlich ist und den Steuerzahler nicht belastet“, sagte BRH-Präsident vor Journalisten in Berlin. „Ob unter diesen Voraussetzungen die Renditeerwartungen der Privatwirtschaft erreicht werden können, das bleibt abzuwarten.“ (roe)