Nur Maßnahmenbündel kann Abgasdisziplin erzwingen

Peter Mock vom International Council on Clean Transportation (ICCT), das den VW-Skandal mit ins Rollen gebracht hat, empfahl indirekt einen grundlegenden Wechsel der europäischen Typzulassungsphilosophie hin zum US-Modell: Die US-Abgasvorschriften seien zwar fast identisch formuliert wie die EU-Vorschriften, einschließlich der Motorschutz-Klausel. Unterschiede gebe es aber in der Umsetzung:

  • Wer Abschalteinrichtungen aus Gründen des „Motorschutzes“ anwenden will, muss sie vorher anmelden und erläutern; das sei aber im Pkw-Bereich bisher nicht vorgekommen. In der EU müsse hingegen die Behörde begründen, warum sie eine Abschalteinrichtung für illegal hält
  • Die US-Behörden behalten sich das Recht vor, so zu testen, wie sie es für richtig halten – auch außerhalb standardisierter Prüfzyklen
Zweifel an RDE

Mock sagte weiter, bisher seien fünf Grundtypen von Abschalteinrichtungen bekannt: Die Zykluserkennung (VW), „Zeitschaltuhr“ (Fiat), Warmstart-/Kaltstarterkennung (mehrere Hersteller), „Themofenster“ (ebenfalls mehrere Hersteller) und „Ausschlussprinzip“ nach Drehzahl, Luftdruck Temperatur und Geschwindigkeit (Opel). Es seien aber sicherlich noch viel mehr Möglichkeiten denkbar, speziell aufgrund der zunehmenden Sensorausstattung von Autos. Er warnte daher davor, vom geplanten europäischen „Real Driving Emissions“-Verfahren (RDE) einen Ausschluss von Abschalteinrichtungen zu erwarten. Jedes standardisierte Verfahren könne erkannt werden.

Software ist ein flüchtiger Stoff

Der IT-Experte Felix Domke, der erstmals erfolgreich eine Motorsteuerung entschlüsselt hatte, hält die Offenlegung und Analyse der Motorsoftware für einen richtigen Schritt. Der Arbeitsaufwand sei auch zu bewältigen, erst recht dann, wenn die Hersteller gezwungen werden, die Software zu erläutern. Es müsse aber das Risiko gesehen werden, dass später eine nachträglich geänderte Software aufgespielt werde; das sei kaum zu erkennen, und wenn doch, so sei ein Katz- und Maus-Spiel zu erwarten.

HU erweitern

Auf diesen Punkt kam auch Jürgen Bönninger von FSD, der Einrichtung, in der die Prüfrichtlinien für die Prüfdienste festgelegt werden: Es könne mit geringem Aufwand neue Software aufgespielt werden, was unter anderem für illegales Tunen genutzt werde. Bei den nachgebesserten VW-Fahrzeugen sei erstmals vorgesehen, bei der Hauptuntersuchung (HU/„Tüv“) regelmäßig den Softwarestand zu prüfen. Bönninger plädierte zudem dafür, bei der Hauptuntersuchung künftig wieder Abgas am Auspuff echt zu messen, statt sich auf den elektronischen Fehlerspeicher und Sichtprüfung zu verlassen.

„Emissionsethik“ fehlt

Der Schweizer Motoren- und Rußexperte Andreas Mayer hob hervor, dass Abschalteinrichtungen eigentlich nicht nötig seien; offensichtlich scheuten die Autohersteller aber den Entwicklungsaufwand und die Mehrkosten in der Serienproduktion. „Es gibt keinen Fahrzustand, den ein SCR-Katalysator nicht abdecken kann“, betonte er, aber: „Entscheidungen bei Automobilherstellern fallen nicht nach Emissionsethik, sondern nach betriebswirtschaftlicher Logik.“ (roe)

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