In einem neuen Prüfbericht für den Haushaltsausschuss, der dem Verkehrsbrief vorliegt, wirft die Prüfbehörde der Bundesregierung vor, sowohl in ihrer Rolle als Zuwendungsgeber als auch als DB-Eigentümer nur unzureichend die Kostenentwicklung und die Bauqualität zu kontrollieren. Die Argumentation des BMVI, es handele sich um ein „eigenwirtschaftliches Projekt“ der DB, hält der Rechnungshof für falsch. „Es lässt dabei außer Acht, dass die Bauten zu Stuttgart 21 mit Fertigstellung als Schienenwege des Bundes der verfassungsrechtlichen Gewährleistungs- und Finanzierungsverantwortung des Bundes unterliegen“, heißt es.
Erst recht unzutreffend sei die Einordnung als „eigenwirtschaftliches Projekt“, weil die DB alleine dem Bund gehört. „Ihre finanzwirksamen Entscheidungen zu Stuttgart 21 wirken sich mittelbar auf den Bundeshaushalt aus.“ Der Mittelbedarf für S21 könnte dazu führen, dass die DB für andere Projekte mehr Förderung anfordert oder die Dividende kürzt und damit die LuFV gefährdet. Das BMVI als wichtiger Zuwendungsgeber müsse daher künftig seine Überwachungs- und Steuerungsmöglichkeiten konsequent ausschöpfen.
Im Einzelnen bemängelt der Rechnungshof:
- Aufgrund des Systems der „Outputkontrolle“ in der LuFV lasse sich nicht oder nur mit hohem Prüfaufwand nachvollziehen, ob für S21 außer den vereinbarten 497 Mio. EUR weitere LufV-Mittel abgezweigt werden. Zwar habe das BMVI inzwischen einen Prüfer mit der Klärung dieser Frage beauftragt, es sei aber unklar, wie die inzwischen angefallenen Hunderttausende von Belegen zu bewältigen sind. Unklar sei auch, wie die DB bestraft werden kann, wenn mehr Mittel abgezweigt wurden.
- Der Bund als wesentlicher Zuwendungsgeber überwache nicht, inwieweit die Gesamtfinanzierung des Projekts gesichert ist. „Dies widerspricht dem Haushalts- und Zuwendungsrecht.“ Mit Blick auf die von der DB bereits eingeräumten Kostensteigerungen und den Streit über die Aufteilung wird bemängelt, es hätte vor Projektbeginn Klarheit über alle wesentlichen finanziellen Fragen bestehen müssen. Aber auch während der Umsetzung müsse der Bund projektbegleitend überwachen, inwieweit die Gesamtfinanzierung gesichert ist.
- Das BMVI kontrolliere die Qualität der Bauausführung unzureichend. Die Kosten einer möglicherweise vereinfachten und nicht nachhaltigen Bauausführung könnte aber über höhere Erhaltungskosten spätere Haushalte belasten. „Der Bundesrechnungshof rät dem BMVI darauf hinzuwirken, dass die Bundesvertreter/Bundesvertreterin im Aufsichtsrat der Bahn diese Risiken bei der Ausübung ihrer Aufsichtsmandate berücksichtigen“ und droht damit kaum verhüllt persönliche rechtliche Konsequenzen an.
- Die bisherige Veranschlagung der Bundesmittel für das Projekt in verschiedenen Sammeltiteln (Baukostenzuschüsse, LuFV, GVFG-Bundesprogramm) sei nicht transparent und binde die Regierung nicht ausreichend – umso weniger, als es im Verkehrshaushalt verschiedene Titel gegenseitig deckungsfähig sind. Der Rechnungshof plädiert deshalb für eine Einzelveranschlagung aller Ausgaben für Stuttgart 21 in einer eigenen Titelgruppe, um die Budgetkontrolle des Parlaments zu stärken. BMVI und Bundesfinanzministerium lehnten das in einer Stellungnahme ab: Durch einen Extratitel steige die Gefahr einer Doppelveranschlagung, zudem werde die Flexibilität benötigt. Widerwillig stimmte das BMVI aber immerhin einem jährlichen Projektbericht an das Parlament zu, „sofern die Abgeordneten dies wünschten“.
Der aus dem Stuttgarter Umland stammende Grünen-Bahnexperte Matthias Gastel sprach von einem „heftigen Rüffel“ für die Bundesregierung. „Der Bund macht sich durch Wegschauen an einer möglichen Veruntreuung von Haushaltsmitteln, die für den Erhalt von bestehender Schieneninfrastruktur vorgesehen sind, schuldig“, sagte er zur LuFV-Problematik. Die Regierung müsse endlich dafür sorgen, dass Haushaltsmittel bestimmungsgemäß verwendet werden und dabei auch überprüfen, inwieweit die Gesamtfinanzierung von Stuttgart 21 gesichert ist.
Weiterer vertraulicher Bericht zur Eigentümerrolle
Der Rechnungshof hat auch noch einen weitere Bericht zu S21 verfasst, der sich mit der Wahrnehmung der unternehmerischen Kontrolle der DB durch den Alleinaktionär Bund befasst. Dieser Bericht ist wegen geheimer Geschäftsdaten allerdings vertraulich und soll nur den Mitgliedern des für die Bundesbeteiligungen zuständigen „Bundesfinanzierungsgremiums“ vorgelegt werden. (roe)