Die vom baden-württembergischen Verkehrsministerium in Auftrag gegebene simulationsbasierte Untersuchung kommt zum Schluss, dass schon mit 220 bis 285 Mio. EUR und dem Einsatz von Neigetechnikzügen die Fahrzeit zwischen Stuttgart und Zürich von derzeit knapp drei Stunden um 19 Minuten verkürzt werden könnte. Für Verbindungen, die über Zürich oder Stuttgart hinausgehen, ergibt sich dank besserer Einbindung in die Taktknoten sogar eine Reisezeitverkürzung um eine halbe Stunde. Mit dem Pkw sind für Stuttgart-Zürich je nach Routenplaner ca. 2:20 bis 2:45h anzusetzen. Der Fernbus benötigt vier Stunden.
Im BVWP 2030 ist die Gäubahn als potenzieller Bedarf enthalten, Kostenschätzung und Bewertung stehen noch aus. Im BVWP 2003 war der Ausbau der Gäubahn mit 160 Mio. EUR veranschlagt. Um die 1996 mit der Schweiz vereinbarte Fahrzeit von 2:15h zu erreichen, seien mehrere echte Neubauabschnitte notwendig und Investitionen von mehr als 1 Mrd. EUR, heißt es im Gutachten.
Politischer Knackpunkt ist Anschluss von Singen
Die Kostendifferenz von 220 bis 285 Mio. EUR ergibt sich aus zwei Varianten: In der Variante B.0 wird der Bau einer Verbindungskurve westlich des Bahnhofs Singen unterstellt, wodurch die Fernzüge am Bahnhof Singen vorbeigeführt würden. In der Variante A.0 würden sie im Bahnhof Singen kopfmachen; um – vereinfacht ausgedrückt – diesen Fahrzeitverlust wieder herauszuholen, müsste die Infrastruktur in anderen Abschnitten mit höherem Aufwand ertüchtigt werden. „Es bleibt in der politischen Diskussion im Land zu entscheiden, ob mit der Variante A.0 eine Variante ohne Singener Kurve und einem dadurch höheren Infrastrukturausbau sowie einer schlechteren Betriebsqualität umgesetzt werden soll oder mit der Variante B.0 die Vorteile einer Singener Kurve neben dem Güterverkehr auch für den Fernverkehr Stuttgart-Zürich genutzt werden sollen“, schreiben die Gutachter.
Die Stadt Singen hat sich in der Vergangenheit dagegen ausgesprochen, Personenzüge über eine Verbindungskurve – ohne Halt im Hauptbahnhof – fahren zu lassen.
Schwerpunkt auf „kleinen“ Maßnahmen
Für den Ausbau der Strecke schlagen die Gutachter einen Stufenplan aus vier Paketen vor, die alle auch eigenständig Nutzen bringen, sei es für die Fahrplanstabilität oder den SPNV. Ein Ansatzpunkt für die Infrastrukturmaßnahmen sind kurze Abschnitte mit Geschwindigkeitsreduzierungen auf 70 und 80km/h, die durch das Abbremsen und Beschleunigen viel Fahrzeit kosten. Überweigend handelt es sich um enge Kurven, die begradigt werden sollen. Ein weiterer Ansatzpunkt sind die eingleisigen Abschnitte, die den Fahrplan heute in enges Korsett zwingen. Unterstellt wird in der Untersuchung, dass „Stuttgart 21“ sowie der korrespondierende Streckenausbau in der Schweiz zumindest gleichzeitig abgeschlossen werden.
Als Fahrzeug für den Fernverkehr haben die Gutachter den Schweizer Neigetechniktriebzug ETR 610 zugrundegelegt, der verlässlich funktioniert, genügend Beschleunigungsvermögen hat und auch bogenschnell fahren darf – anders als der DB-Triebzug ET 411/415.
Das baden-württembergische Verkehrsministerium wird das Gutachten in der kommenden Woche auf seiner Website veröffentlichen. (roe)
Ergänzt 15.9.2016:
Externer Link: Gutachten zum Ausbau der Gäubahn