Vor zwei Jahren glaubten nur vier Prozent der Führungskräfte in Reedereien an autonome Schifffahrt. Die am Dienstag veröffentlichte Reederstudie 2016 der Beraterfirma PwC ergab außerdem, dass die digitalen Vorboten dieses vielleicht doch noch ein wenig utopischen Szenarios bereits eine große Herausforderung für die Reeder bedeuten. Nach Technologien zur lückenlosen Sendungsverfolgung auf hoher See ist die Durchdringung der Seeschifffahrt mit dem Internet der Dinge ganz nah. Das gilt zum Beispiel für Diagnose und Wartung von Schiffen in Echtzeit aus der Ferne. Damit rechnen laut PwC 87 Prozent der Führungskräfte der Branche. Dagegen verwiesen sie zu 90 Prozent direkte Investitionen der Internetkonzerne in eigene Schiffe, vergleichbar mit den autonomen Google-Autos, ins Reich der Spekulation.
Insgesamt verändere die Digitalisierung tiefgreifend die Geschäftsmodelle der Seeschifffahrt, erklärten die PwC-Berater. Sie schrieben den Reedern ins Auftragsbuch, ihr Selbstverständnis im Zuge der digitalen Herausforderungen nicht länger nur auf den Schiffstransport zu beschränken, sondern „ihr Dienstleistungsportfolio zu vertiefen und die Logistikkette umfassender abzudecken – nicht nur auf See, sondern auch an Land“, wie es Claus Brandt, der Leiter des Kompetenzzentrums maritime Wirtschaft bei PwC formulierte. Der Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Ralf Nagel, versicherte in einer Stellungnahme: „Digitalisierung, Finanzierung, Umweltschutz: Diese Themen werden von den Führungskräften in einem anhaltend schwierigen Marktumfeld angepackt“, weil sie über die Zukunftsfähigkeit der deutschen Handelsschifffahrt entschieden. Nagel ließ es sich nicht nehmen, die deutschen Banken wegen ihrer Zurückhaltung bei der Schiffsfinanzierung zu kritisieren und von der Bundesregierung eine Strategie für den maritimen Standort Deutschland einzufordern. Er lobte zugleich die Erhöhung des Lohnsteuereinbehalts für die an Bord beschäftigten Seeleute und die Anpassung der Schiffsbesetzungsverordnung mit Wirkung vom 1. Juni. Das habe „seit Anfang Juni rund ein Dutzend zusätzlicher Schiffe unter die deutsche Flagge gebracht“, meldete der VDR.
Die Beraterfirma räumte ein, dass das Marktumfeld problematisch sei. Nur ein Drittel der Reeder rechne mit steigenden Erlösen. Das liege sowohl an den steigenden Umweltauflagen als auch an der schwierigen Kreditfinanzierung. Bei der Verbesserung der Umweltbilanz ihrer Flotten tun sich die Reeder schwer, besonders bei der möglichen Umstellung auf Flüssigerdgas (LNG), weil sie die Weitergabe der entstehenden Kosten an die Kunden für schwierig bis unmöglich halten. 86 Prozent gehen davon aus, dass der Anteil direkt investierender ausländischer Fonds an der Finanzierung der Schifffahrtsindustrie steigt. (tr)