Polen präzisiert seine Pläne für die Oderschifffahrt

Deutschland muss seine Vorstellungen von einer weitgehend sich selbst überlassenen Oder möglicherweise revidieren. Das polnische Ministerium für Seewirtschaft und Binnenschifffahrt (MGM) stellte am Donnerstag auf einer Veranstaltung des Odervereins in Slubice seine Pläne für die Wiederbelebung der Binnenschifffahrt vor.

Vorgesehen ist, die Binnenwasserstraßen europäischer Bedeutung, darunter auch die Oder, mindestens auf Klasse IV zu ertüchtigen (das entspricht ungefähr dem Europaschiff), möglichst aber für Klasse Va. Alles darunter sei hinausgeworfenes Geld, machte Przemyslaw Zukowski vom MGM klar.

Mit der Ertüchtigung der Wasserstraßen soll es möglich werden, den Anteil der Binnenschifffahrt am Gütertransport von aktuell 0,4 Prozent deutlich zu erhöhen und so den in Polen mit 84 Prozent hohen Lkw-Anteil zu reduzieren.

WSV lässt Zweifel an polnischen Zeitplänen durchblicken

Aktuell machen viele Sandbänke die Güterschifffahrt oberhalb von Schwedt den größten Teil des Jahres unwirtschaftlich. Selbst die für die Eisbrecher benötigte Mindesttiefe von 1,80m ist nicht hinreichend gewährleistet. Noch in diesem Jahr soll der Auftrag für eine Machbarkeitsstudie zur Ertüchtigung der Oder vergeben werden, kündigte Zukowski an. Er betonte, dass Polen das Regierungsabkommen mit Deutschland – das hauptsächlich die bauliche Unterhaltung zum Gegenstand hat – nicht unterlaufen will.

Hans Bärthel von der WSV in Magdeburg vermied jede Stellungnahme zu den polnischen Plänen. Er machte aber deutlich, dass schon die Beseitigung der dringendsten Engpässe auf deutscher Seite planerisch extrem aufwendig sei. Die Sanierung eines Uferabschnittes auf einer Länge von vier oder fünf früheren Buhnen werde vom Start des Planung bis zur Fertigstellung sieben Jahre gedauert haben – einschließlich der Einrichtung eines neuen Wohlfühlbereichs für den „Baltischen Goldsteinbeißer“. „Das Projekt Reitwein zeigt uns, dass wir als Ingenieure nicht allein unterwegs sind.“

Derzeit werde hausintern geprüft, ob für die Stromregelungskonzeption nicht auch noch eine Strategische Umweltprüfung und eine FFH-Verträglichkeitsprüfung notwendig sind. „Das kann eine gewisse Tragweite haben, was die Umsetzung betrifft“, sagte er an die Adresse seines polnischen Kollegen Andrzej Kreft, der zuvor einen Abschluss der Engpassbeseitigung bis 2028 in Aussicht gestellt hatte. Bärthel wollte sich daher auch nicht auf Termine festlegen.

Neue Staustufen in Polen geplant

Polen selbst schreckt für den innerpolnischen Teil der Oder auch nicht vor dem Bau von Staustufen zurück. Die seit Jahren im Bau befindliche Staustufe Malczyce soll 2017 endlich fertiggestellt werden, sagte Zukowski. Die Wasserstraßenverwaltung sei aufgefordert worden, mindestens zwei weitere Staustufen vorzuschlagen. Langfristig will das MGMiZS die Oder durch das schlesisch-mährische Industrierevier hindurch an March und Donau anbinden.

Um dem Zwang zu einer Strategischen Umweltprüfung aus dem Weg zu gehen, habe die Regierung Mitte Juni keinen projektscharfen „Masterplan“ verabschiedet, sondern nur ein Grundsatzpapier mit Leitlinien. Konflikte mit dem bisher für die Binnenschifffahrt zuständigen Umweltministerium erwartet Zukowski nur im Detail. Unter der neuen Regierung sei es nicht mehr nur auf Umweltschutz ausgerichtet, sondern auch auf Umweltnutzung.

Finanzierung auch durch Wasserkraftwerke

Für die Finanzierung setzt das MGMiZS zum einen auf EU-Mittel. Um diesen Weg zu öffnen, will Polen noch in diesem Jahr den AGN-Übereinkommen über die europäischen Hauptbinnenwasserstraßen beitreten. Zum anderen sollen Energiekonzerne dafür gewonnen werden, Staustufen für die Stromerzeugung zu bauen und im Gegenzug für Investitionen in die Schiffbarkeit der Flüsse aufzukommen.

Im übrigen müsse ohnehin in den Hochwasserschutz investiert werden. Das könne dann mit der Ertüchtigung für die Schifffahrt verbunden werden. Rechne man die direkten Infrastrukturschäden durch die Hochwasser seit 1997 auf ein Jahr herunter, finanziere sich selbst eine Staustufe an der wesentlich breiteren Weichsel für knapp 900 Mio. EUR binnen eines Jahres von selbst. (roe)

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