ANALYSE: Kommunen müssen bei Bundesstraßenmaut zittern

Hintergrund ist, dass laut §5 des Bundesfernstraßengesetzes in Städten mit mehr als 80.000 Einwohnern die Baulast für die Bundesstraßen bei den Kommunen liegt.

Grundsätzlich plausibel erscheint zunächst die Absicht des Bundes, diese Kommunen an den Einnahmen aus der Maut entsprechend ihrem Streckenanteil zu beteiligen, wie es in §11 Absatz 3 des BFStrMÄG vorgeschlagen wird. Und ehrlich: Es gäbe schlimmere Modelle – zum Beispiel eine Beteiligung entsprechend der Verkehrsleistung. Das wäre eine Einladung an die Kommunen, mögliche Ausweichstrecken möglichst unattraktiv zu machen, um ihre Einnahmen zu steigern.

Steilvorlage für zweite Mautlüge

Problematisch erscheint jedoch die Absicht, das den Kommunen zustehende Mautaufkommen über die Länder einzusteuern. Daran ändert auch nichts die Auflage, es „in vollem Umfang zweckgebunden für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur für die Bundesfernstraßen zu verwenden.“ Die Erfahrung lässt erwarten, dass die Länder dann ihre Finanzzuweisungen an die Kommunen entsprechend kürzen, so dass netto kein zusätzliches Geld zur Verfügung steht, nur die Kommunen vor der Aufgabe stünden, die Zweckbindung trotzdem nachzuweisen. Warum sollten die Länder aus der „Mautlüge“ des Bundes von 2005ff nicht lernen?

Bisher lässt die deutsche Finanzververfassung es allerdings nicht zu, dass der Bund Geld direkt an die Kommunen gibt. Eine Änderung ist auch nicht zu erwarten, denn die Länder müssten zustimmen. Aus ihrer Sicht gibt es dafür keine guten Gründe: Solange die Futtertröge au dem Weg vom Bund zu den Kommunen bei ihnen zwischengelagert werden, können sie daran naschen.

Wie mit jährlichen Zuweisungen umgehen?

Hinzu kommt ein ganz praktisches Problem bei der Verwendung dieser jährlich ausgeschütteten Mitteln: Größere Erhaltungs- und Ersatzinvestitionen, die nur alle paar Jahre anfallen, lassen sich so nicht darstellen. Auf höherer Aggregationsebene gleichen sich regional wechselnde Investitionsschwerpunkte aus, aber für eine 80.001-Einwohner-Kommune mit vielleicht nur ein oder zwei Bundesstraßen wird es schwierig, jedes Jahr ein passendes Investitionsprojekt zurechtzuschneiden. Abgesehen davon wären die Nutzer wohl kaum davon begeistert, jedes Jahr mit einer neuen Minibaustelle konfrontiert zu werden.

Schön wäre es daher, wenn die Kommunen ihre Investitionsmittel „ansparen“ könnten. Doch kommt man damit nicht in gefährliche Nähe des Wortes „Fonds“, das bei Haushaltspolitikern regelmäßig Pickel verursacht? Beruhigend ist, dass wenigstens die Kosten für Betriebsdienst und laufende Instandhaltung jedes Jahr anfallen. Schwankungen ergeben sich allerdings auch hier, Stichwort Winterdienst.

Abstufung als Patentlösung?

Jedem Konstrukt, das Gelder an die Kommunen verschiebt, haftet allerdings ein großer Nachteil ein: Finanzierungs- und Ausführungsverantwortung liegen ein Stück weit auseinander. Angesichts der Diskussion um die Bundesfernstraßengesellschaft, die unter anderem mit genau diesem Missstand aufräumen soll, verwundert es, dass das BMVI jetzt eine neue Baustelle dieser Art schaffen will.

In Fachkreisen sind daher Stimmen zu hören – wenn auch bisher nur vereinzelt -, die aus Anlass der Bundesstraßenmaut das Prinzip von Bundesstraßen in kommunaler Baulast grundsätzlich in Frage stellen. Die Regelung wurde 1934 offenbar geschaffen, um dem Generalinspekteur für das deutsche Straßenwesen das Durchregieren auf kommunale Straßen zu ermöglichen, ohne dem Reich die Kosten aufzubürden. Sie ist dann über das „Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs“ von 1951 bis ins Bundesfernstraßengesetz von 1953 durchgeschleppt worden.

Wäre der Anteil des überregionalen Verkehrs auf den Bundesstraßen in Städten mit mehr 80.000 Einwohner entscheidend, spräche wahrscheinlich viel dafür, diese Strecken flächendeckend abzustufen. Für die Kommunen wäre es finanziell kaum ein Verlust gegenüber dem Ist-Zustand ohne Mauteinnahmen. Ausnahmen sind die Fälle, in denen der Bund einen Zuschuss zum Ausbau der Ortsdurchfahrten gewährt.

Allerdings wüchse damit das Risiko, dass die Kommunen ihre „Bundesstraßen“-Ortsdurchfahrten so umgestalten, dass zum Beispiel der Schwerverkehr auf Umwege verdrängt wird. Die Stimmen der Straßenanlieger hätten lokalen Politiker sicher in der Tasche. Aber liegt eine solche Verdrängung im Interesse des Bundes?

Auch wenn der Bund von seiner Weisungshoheit in der Vergangenheit nur selten Gebrauch gemacht hat, übt allein schon die die Möglichkeit eine disziplinierende Wirkung aus. Der aktuelle Streit um die Tempolimit-Versuche auf Autobahnen in Baden-Württemberg belegt das. (roe)

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