Mittelstandstaugliche ÖPP müssen kleiner ausfallen

Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Prof. Tanja Kessel von der TU Braunschweig im Auftrag des Baugewerbeverbandes ZDB, die in der vergangenen Woche in Berlin vorgestellt und diskutiert wurde. ZDB-Präsident Hartmut Löwenstein erinnerte dabei an die Zusage im Koalitionsvertrag, ÖPP mittelstandsfreundlicher auszugestalten.

Kessel definiert als „Mittelstand“ als Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern, 100 Mio. EUR Jahresumsatz und weniger als 50 Mio. EUR Bilanzsumme. Bei einem ÖPP-Projekt mit vierjähriger Bauphase, vier Konsortialunternehmen und maximal 10 Prozent Anteil am Unternehmens-Gesamtumsatz ergebe sich als maximale Bausumme 160 Mio. EUR. Bisher habe nur eines der Autobahn-ÖPP des Bundes diesen Voraussetzungen genügt, und zwar der Ausbau der A9 an der Landesgrenze Thüringen-Bayern: Dort habe das Bauvolumen 140 Mio. EUR für 19km Strecke umfasst. Für das bisherige Durchschnitts-ÖPP hingegen habe ein Unternehmen mindestens 200 Mio. EUR Jahresumsatz aufweisen müssen.

Forfaitierung oder Sicherheiten?

Keine eindeutige Lösung kann Kessel für eine mittelstandsfreundliche Finanzierung anbieten. Eine Möglichkeit sieht sie in der Forfaitierung mit Einredeverzicht: Das beteiligte Bauunternehmen verkauft nach Abnahme des Baus seine Forderungen gegen den Staat an den bisherigen Fremdkapitalgeber, zum Beispiel eine Bank. Damit verbleibe zwar das Risiko während der Bauphase beim Unternehmen, danach sei es aber wieder von dieser Belastung frei. Vorteil sei, dass die Bank von der guten Bonität des Staates profitiere und sich günstiger refinanzieren können. Nachteil sei, dass Hebel des Staates bei Schlechtleistung in der Betriebsphase reduziert werde.

Betriebsdienst herauslösen?

Ein weiteres Hindernis für den Mittelstand ist der bisher mit Straßenbau-ÖPP verbundene Betriebsdienst. Kessel schlägt vor, schon in der Ausschreibung vorzugeben, dass der Betriebsdienst direkt beim Landesbetrieb verbleibt oder der Auftragnehmer nur verpflichtet ist, die Qualität der Aufgabenerfüllung durch den Landesbetrieb sicherzustellen. Derartige Modelle lässt aktuell auch Nordrhein-Westfalen untersuchen.

Als ebenfalls schwierig, aber zumindest für einen Teil der Unternehmen überwindbar stellen die höheren Kosten für Angebotslegung, juristische Beratung und der Aufwand für die Finanzierung dar.

Verzicht auf Mittelstand jetzt gefährdet Erhaltung in der Zukunft

In der anschließenden Diskussion warnten die mittelständischen Bauunternehmer Wolfgang Schubert-Raab (Lichtenfels) und Hans-Georg Stutz (Kirchheim-Kemmerode) vor den langfristigen Folgen für den Bundesfernstraßenbau, falls der Staat zu sehr auf großvolumige ÖPP setzt. Zum einen bestehe die Gefahr für die Straßenbauverwaltung selbst, dass ihr nach Auslaufen eines ÖPP-Vertrages Detailkenntnisse zur Strecke fehlen. „Wir werden in 30 Jahren nicht in der Lage sein, diese Strecken zurückzuholen, weil es schlicht an der Kompetenz des Bauherren fehlt“, sagte Schubert-Raab.

Falls in einer Region ÖPP-Autobahnen dominierten, sei außerdem zu befürchten, dass die auf Autobahnen spezialisierten mittelständischen Unternehmen während der Projektlaufzeit einfach vom Markt verschwinden. (roe)

Externer Link: Studie „ÖPP-Infrastrukturprojekte und Mittelstand“

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