„Gemessen an der BVWP-Grundkonzeption hat Dobrindt in erstaunlichem Maß Wort gehalten“, ist hinter vorgehaltener Hand sogar aus Grünen-Kreisen zu hören. Und da die Grünen die Grundkonzeption seinerzeit grundsätzlich für gut befunden haben, ist das wohl als höchstmögliches Lob zu bewerten.
Plan ist nur geringfügig überzeichnet
Eine der Grundprobleme des BVWP 2003 war die maßlose Überzeichnung mit nicht finanzierbaren Projekten. Hier ist das BMVI der Grundkonzeption treu geblieben: Dividiert man das Investitionsvolumen, entfallen auf die Jahre 2016 bis 2030 im Jahresdurchschnitt 15,1 Mrd. EUR. Laut Finanzplanung führt der Investitionshochlauf bis 2018/19 zu einer Investitionslinie von 14,3 bis 14,4 Mio. EUR. Es steht allerdings noch in den Sternen, ob sich der Bundestag bei der Verabschiedung der Ausbaugesetze ebenso diszipliniert zeigt oder wieder ein „Basargeschacher“ der Wahlkreisabgeordneten ins Haus steht. Wenn die parlamentarische Beratung im Herbst beginnt, setzt auch schon der Vorwahlkampf ein.
„Erhalt vor Neubau“ nach Verkehrsträger unterschiedlich gehandhabt
Während im Durchschnitt rund 69 Prozent der echten Verkehrswegeinvestitionen 2016-2030 – ohne Lärmschutz und Betriebsgebäude – auf den Erhalt entfallen, sieht der Anteil bezogen auf die einzelnen Verkehrsträger sehr unterschiedlich aus: Bei der Straße sind es nach Verkehrsbrief-Berechnungen nur gut 65 Prozent, bei der Wasserstraße 86 Prozent. Die Schiene liegt bei 69 Prozent. Bei den Erhaltungsinvestitionen sind auch die Erhaltungsanteile von Ausbauprojekten enthalten. Bei der Wasserstraße kommt der Sanierungsstau besonders deutlich zum Tragen: Für etwa 18 Prozent der Anlagen sei binnen der nächsten zehn Jahre eine Grundinstandsetzung oder ein Ersatzneubau fällig, heißt es. So seien zum Beispiel 85 Prozent der Schleusen nur noch in „ausreichendem“ oder schlechterem Zustand.
Verwunderlich ist, dass im Bereich Straße der Ertüchtigungsbedarf für die Brücken mit lediglich 13 Mrd. EUR veranschlagt wird. In einem Bericht zum Nachrechnungsprogramm (siehe hier) vom November 2015 hatte das BMVI allein den bis dahin festgestellten Sanierungsbedarf mit 16,4 Mrd. EUR beziffert.
Altlasten engen Spielräume ein
Wie schon in früheren Verkehrswegeplänen wird der Spielraum für neue Projekte durch laufende und fest disponierte Projekte eingeschränkt. Bei der Straße entfallen darauf 45 Prozent des gesamten Neubauvolumens, bei Schiene und Wasserstraße jeweils rund ein Drittel.
Eine Priorisierung, die nicht so genannt wird
Den Ansatz, aus der Masse der Projekte des vordringlichen Bedarfs diejenigen Projekte zu priorisieren, die besonders hohe verkehrliche Bedeutung haben, hat das BMVI mutig durchgezogen. Dass der „VB+“ nun „VB-E“ heißt, ändert inhaltlich nichts (siehe hier), grenzt aber klarer ab: Für eine Ortsumfahrung, die „nur“ eine lästige, aber nicht überlastete Ortsdurchfahrt entschärft, hätten Wahlkreisabgeordnete leichter ein „VB+“ einfordern können – mit VB-„E“ ist das deutlich schwieriger zu verargumentieren.
Dennoch ist auffällig, dass der Anteil der VB-E-Projekte am Projektvolumen bei der Straße je nach Basis mit 20 bis 30 Prozent deutlich höher liegt als bei Schiene und Wasserstraße. Dort liegt die Spanne bei 12 bis 17 Prozent.
Länderquote – ja oder nein?
Im Vorfeld wurde immer wieder gefragt, ob sich das BMVI von den Länderquoten gemäß Königsteiner Schlüssel gelöst hat. Das lässt mit jetzt einem klaren „Ja“ beantworten. Egal, ob die Gesamtausgaben für laufende/fest disponierte Projekte plus VB und VB-E betrachtet oder nur die Neubauanteile am VB/VB-E betrachtet werden, ergeben sich beträchtliche Abweichungen vom Königsteiner Schlüssel. Vom Volumen her bedeutendster „Gewinner“ ist Hessen, „Verlierer“ sind vor allem die Ostländer und das Saarland.

D-Takt bremst Festlegungen für die Schiene
Bei der Schiene rächt sich, dass wichtige Themen wie der Mittelrhein-Korridor, die Alpha-E-Variante und der Deutschlandtakt erst während des schon laufenden Bewertungsprozesses eingebracht wurden. In den Vordringlichen Bedarf wurden daher in einer „1. Phase“ Projekte bewertet und aufgenommen, die unabhängig vom Deutschlandtakt-Konzept die größten Engpässe beseitigen oder dringende Fahrzeitverkürzungen ermöglichen. In einer noch ausstehenden „2. Phase“ werden die Großknoten Frankfurt, Hamburg, Köln, Mannheim und Stuttgart sowie weitere Projekte untersucht und auf den Deutschlandtakt hin optimiert. Deswegen gibt es eine umfangreiche Kategorie mit Projekten des „Potenziellen Bedarfs“. Zwischen den Zeilen wird angedeutet, dass die schließlich ausgewählten Vorhaben erst nachträglich in das Bundesschienenwegeausbaugesetz aufgenommen werden sollen.
Projekte verschwunden?
In den nächsten Tagen müssen allerdings noch einige Fragen beantwortet werden. So taucht das jüngst ausgeschriebene ÖPP-Projekt zum Ausbau der A24/A10 im Nordwesten Berlins überhaupt nicht auf. Merkwürdig mutet auch an, dass der großspurig als eines der ÖPP der neuen Generation angekündigte Ausbau A6 zwischen den Autobahnkreuzen Weinsberg und Feuchtwangen/Crailsheim nur unter „weiterer Bedarf mit Planungsrecht“ rangiert – und von ÖPP ist dort auch nicht mehr die Rede. (roe)