In deutlich offenerer Form als im schriftlichen Zwischenbericht sind bei der Präsentation der Zwischenergebnisse des Lang-Lkw-Feldversuchs in der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) am Donnerstag auch kritische Punkte und noch offene Fragen angesprochen worden.
Kurze Nothaltebuchten und Konflikte beim Abbiegen
Ein sicherheitsrelevantes Problem stellen nach Ansicht von Prof. Christian Lippold von der TU Dresden die kurzen Nothaltebuchten in den Tunnels dar. Bei Lang-Lkw mit Tandemachs-Anhänger (Typ 2), Dolly-Achse (Typ 3) oder Doppelsattelzügen (Typ 4) ragten die Fahrzeugenden 90cm bis 1,90m in die Fahrbahn hinein. Vergleichsweise unproblematisch seien überlanger Gliederzug (Typ 5) und verlängerter Trailer (Typ 1), wo die Fahrzeugenden 20-50cm in die Fahrbahn hineinragten – übrigens genauso wie beim normalen Sattelzug. Lippold sprach sich deshalb dafür aus, bei der anstehenden Überarbeitung der Richtlinien für die Anlagen von Autobahnen (RAA) die Nothaltebuchten unabhängig vom Lang-Lkw zu verlängern.
Konflikte sieht Lippold auch beim Abbiegen an Landstraßenkreuzungen. So fährt der Zug mit Tandemachs-Anhänger beim Rechtsabbiegen entweder über den inneren Fahrbahnrand oder in die Gegenfahrbahn. Bei Linksabbiegen überstreichen Züge mit Tandemachsanhänger und überlange Gliederzüge andere Fahrbahnen.
In normgerecht gebauten Kreisverkehren ist sehr exaktes Fahren notwendig, damit die Fahrbahnränder nicht überfahren werden. In der Praxis dürften die von Ex-Verkehrsminister Peter Ramsauer angesprochenen Geranien also häufiger in Mitleidenschaft gezogen werden.
Geeignete Autobahn-Stellplätze fehlen
Als ungelöstes Problem bezeichneten sowohl Lippold als auch der bei den BASt für den Lang-Lkw-Feldversuch zuständige Projekt Marco Irzik die Stellplätze an Autobahnen. Sie seien für maximal 21m lange Fahrzeuge ausgelegt. Zudem könnten Lang-Lkw in einen freien Stellplatz zwischen zwei anderen Lkw weder konfliktfrei einfahren noch ihn verlassen. Derzeit sei das noch kein gravierendes Problem, weil bei den meist kurzen Entfernungen Ruehpausen nicht notwendig sei. Eine schnelle Lösung konnten beide nicht anbieten.
Überholen unkritisch
Als nichtexistent stellte sich das im Vorfeld vor allem vom ADAC vorgebrachte Problem des sicheren Überholens auf Landstraßen heraus. Wie Matthias Zimmermann vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) berichtete, seien die Lang-Lkw im Durchschnitt etwas langsamer unterwegs als normale Lkw, so dass der Überholvorgang nicht länger dauere als beim Normal-Lkw. Begünstigend komme hinzu, dass die meisten Überholenden schneller fuhren als sonst üblich. Eine Begründung dafür nannte Zimmermann nicht. Die Lang-Lkw sind aber am Heck mit einem auffälligen Warnschild ausgestattet.
Mangels ausreichend Daten konnten keine verwertbaren Erkenntnisse gewonnen werden, ob Lang-Lkw Kreuzungen rechtzeitig genug räumen, bevor der querende Verkehr Grün bekommt. Die Lang-Lkw-Fahrer hätten ein sehr defensives Verhalten an den Tag gelegt und bei Gelb eher gebremst als die Normal-Lkw.
Modalitäten eines Regelbetriebs offen
Keine belastbaren Aussagen gab es zu der Frage, wie es konkret nach dem Auslaufen des Feldversuchs mit dem Lang-Lkw weiter geht. Anke Leue vom BMVI plädierte zwar vehement für einen Regelbetrieb, vermied aber jegliche Festlegung. BASt-Vizepräsident Michael Rohloff sagte in seinem Schlusswort, die BASt würde „ganz gerne mal verschiedene Dinge durchspielen“, zum Beispiel ein Positivnetz aus den Bundesautobahnen und einem „wie auch immer gearteten nachgelagerten Netz“ und einer Regelung für die letzte Meile. (roe)