Rechnungshof und BMVI nähern sich bei ÖPP an

  • BMVI will Zinsstrukturkurve anpassen können
  • BRH will Nutzen aus mittelstandsfreundlicher Vergabe bewerten
  • Fehlanreize zugunsten ÖPP bestehen laut BRH fort
  • BMVI geht über Länderquoten-Frage hinweg
  • „ÖPP sollte nicht zum Ausweichen vor Personalmangel dienen“
  • BRH und BMVI bei zahlreichen Frage gleicher Meinung

Bundesverkehrsministerium und Bundesrechnungshof kommen sich bei ihrer Bewertung von ÖPP-Projekten im Straßenbau näher. Unüberbrückbare Differenzen gibt es vor allem bei den Zinsprognosen für eine alternative konventionelle Finanzierung und bei der mittelstandsfreundlichen Losaufteilung. Das geht aus unter Beteiligung des Rechnungshofes (BRH) erstellten Bericht des BMVI an den Bundestags-Rechnungsprüfungsausschuss hervor.

Dessen Vorsitzende, die SPD-Haushaltspolitikerin Bettina Hagedorn, hob im Gespräch mit dem Verkehrsbrief als Quintessenz hervor, dass immer noch ein Konsens von BMVI, Bundesfinanzministerium und BRH für die vergleichende Wirtschaftlichkeitsuntersuchung von ÖPP und konventioneller Realisierung fehle. Der Bericht soll am 29. Januar im Ausschuss beraten werden.

BMVI will Zinsstrukturkurve anpassen können

Bei der Berechnung des „Public Service Comparator“ (PSC), in dem für die vergleichende Wirtschaftlichkeitsuntersuchung von ÖPP eine konventionelle Realisierung simuliert wird, wird unter anderem eine Zinsstrukturkurve für die notwendige Verschuldung der öffentlichen Hand unterstellt. Der BRH will dafür die aktuelle Zinsstrukturkurve zu einem bestimmten Stichtag unverändert übernehmen – wie auch das Bundesfinanzministerium. Zinsänderungsrisiken bleiben damit außer Betracht.

Das BMVI hingegen will „in extremen Zinssituationen“ die aktuelle Zinsstrukturkurve mit einem langfristigen Zinsstrukturverlauf nach oben oder unten korrigieren. Die SPD-Haushaltspolitikerin Bettina Hagedorn schloss sich im Gespräch mit dem Verkehrsbrief der Vermutung an, dass damit in der aktuellen außergewöhnlichen Niedrigzinsphase mit Nullzinsen für Bundesanleihen damit die konventionelle Realisierung zumindest auf dem Papier verteuert würde. Die ÖPP-Realisierung würde sich daher besser darstellen.

Ausgeräumt wurde zwischen BMVI und BRH ein Konflikt um die Diskontierung nach der Kapitalwertmethode, um die Kosten von ÖPP und konventioneller Realisierung trotz zeitlich unterschiedlicher Zahlungsströme vergleichbar zu machen: Künftig wird einheitlich die Stichtags-Zinsstrukturkurve statt der vom BMVI bevorzugten langfristigen Durchschnitts-Zinsstrukturkurve herangezogen.

BRH will Nutzen aus mittelstandsfreundlicher Vergabe bewerten

Uneinig sind sich beide Seiten auch über die Vorgabe aus dem Vergaberecht, mittelstandsfreundlich zu vergeben. Bei der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung müsse der Nutzenvorteil aus einer früheren Fertigstellung bei ÖPP gleichwertig dem Nutzen aus mittelstandsfreundlichen Losgrößen bei konventioneller Realisierung gegenübergestellt werden, fordert der BRH. Das BMVI argumentiert, das Vergaberecht erlaube ausdrücklich in Ausnahmefällen, von der Fach- und Teillosvergabe abzugehen. Daher müsse der Nutzen aus einer mittelstandsfreundlichen Vergabe nicht gleichwertig in die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung einfließen.

Hagedorn widersprach: Bei ÖPP seien zwar auch Mittelständler beteiligt, aber nur als Nachunternehmer. Die Gewinne würden woanders gemacht. Das BMVI und auch das BMF seien in der Pflicht, geeignete Modelle für eine quantifizierte Nutzenbetrachtung zu entwickeln.

Fehlanreize zugunsten ÖPP bestehen laut BRH fort

Wie schon früher kritisiert der BRH, dass ÖPP dazu verleiten, Projekte umzusetzen, die eigentlich nicht finanzierbar wären. Das BMVI hält dem entgegen, dass die zukünftigen Zahlungen für ÖPP-Projekte schon seit 2007 transparent in den Haushalten ausgewiesen werden müssten – anders als im konventionell realisierten Straßenbau.

BMVI geht über Länderquoten-Frage hinweg

Unbeantwortet bleibt der Vorwurf des BRH, den Ländern würden ÖPP dadurch schmackhaft gemacht, dass sie nicht auf die „Länderquote“ angerechnet werden. Stattdessen hebt das BMVI in seinem Bericht hervor, dass auch der BRH befürworte, „Projekte mit hervorgehobener gesamtwirtschaftlicher Bedeutung“ außerhalb der Länderquote zu finanzieren.

„ÖPP sollte nicht zum Ausweichen vor Personalmangel dienen“

Indirekt thematisiert wird die Tendenz, Großvorhaben als ÖPP zu verwirklichen, weil es in den Länderverwaltungen zu wenig Planungspersonal gibt. „Der BRH ist der Auffassung, dass mit einer angemessenen Personalausstattung der Straßenbauverwaltung in der konventionellen Umsetzung Terminsicherheit und Verfügbarkeit ebenso gut und zuverlässig zu gewährleisten sein müsste, wie in der ÖPP-Variante“, heißt es.

Das BMVI hält dem entgegen, dass es keinen Einfluss auf die Personalausstattung der Länder hat. „Deshalb werden dem monetären Nutzenvergleich der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung die Verfügbarkeits- und Bauablaufplanungen der zuständigen Straßenbauverwaltung zu Grunde gelegt, die diese auf Basis der realistisch einplanbaren Personalkapazitäten erstellt.“

BRH und BMVI bei zahlreichen Frage gleicher Meinung

Einig sind sich BMVI und Rechnungshof in folgenden Punkten:

  • ÖPP können wichtige Impulse für die Verwaltung setzen: Mit intensiver Projektvorbereitung intensiver und frühzeitiger Durchführungsplanung; mit Risikobetrachtung; mit Lebenszyklusbetrachtung und damit dem Blick auf die Folgekosten.
  • Für eine bessere Abbildung des öffentlichen Vergleichsmaßstabes sollten die wesentlichen Daten vergleichbarer konventioneller Beschaffungen einer systematischen und zielgerichteten Auswertung zugänglich gemacht werden.
  • Der in der Vergangenheit zwischen BRH und BMVI bestehende Dissens zur Mauteinnahmeprognose (A-Modell) ist angesichts der Wechsels zum Verfügbarkeitsmodell (V-Modell) mit seiner verkehrsmengenunabhängigen Vergütung nicht mehr von Bedeutung.
  • In der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung müssen auch Risiken bewertet werden. Dazu sei jedoch eine bessere Datengrundlage notwendig, für das das Controllingsystem für den Bundesfernstraßenbau ausgeweitet werden müsste.
  • Es gibt derzeit kein hinreichend gesichertes Verfahren, um den Restwert einer Straße am Ende der Vertragslaufzeit zu bestimmen. (roe)

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