Hillgruber: Pkw-Maut geht ohne Bundesrat

Für die Einführung der Pkw-Maut ist keine Zustimmung des Bundesrates notwendig. Diese Ansicht vertritt Prof. Christian Hillgruber in seiner schriftlichen Stellungnahme für die Anhörung des Bundestags-Verkehrsausschusses zum Gesetzentwurf für die Infrastrukturabgabe am Mittwoch. Der Bund greife mit der Übertragung von zusätzlichen Aufgaben bei der Fahrzeugzulassung nicht in die Verwaltungsorganisation der Länder ein. Damit sei auch keine Zustimmung der Länderkammer erforderlich. Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf eine Zustimmungserfordernis festgestellt.

Kurzzeitvignetten laut Hillgruber nicht zu teuer

Hillgruber sieht anders als Prof. Friedemann Kainer auch in den Preisen für die Kurzzeitvignetten kein Problem. Kainer hatte darauf hingewiesen, dass der Tagespreis für die Zehntagesvignette das 29-Fache des Tagespreises für die günstigste Jahresvignette betrage und damit mehr als drei Mal so hoch wie es die EU-Vorgaben zulassen. Hillgruber entgegnet, dass die EU seinerzeit lediglich Vignettensysteme mit Fixpreisen für alle Vignetten gleich welcher Gültigkeitsdauer vor Augen hatte.

Kompatibilität mit EU-Recht weiter heiß umstritten

Während Hillgruber bei der Kombination aus Pkw-Maut und Inländerentlastung über die Kfz-Steuer keine Konflikte mit dem EU-Recht sieht, plädiert der Hamburger Verwaltungsrechtler Holger Schwemer für Vorsicht. Er hält das Vorgehen zwar nicht für Diskriminierung, räumt aber ein, dass es den Eindruck einer Diskriminierung erzeugen kann. „Dem möglichen Eindruck, dass der Gesetzgeber seine wahren Absichten nicht transparent gemacht hat, kann er entgegentreten, indem er die Gesetzesvorhaben Steuersenkung und Infrastrukturabgabe zeitlich entkoppelt.“

Schwemer stellt weiter fest, dass der Gesetzgeber mit der jetzigen Regelung der Infrastrukturabgabe einen ersten Schritt unternimmt, um sich langfristig von der steuerbezogenen Finanzierung des Straßenbaus zu lösen. „Es liegt auf der Hand, dass dieser Prozess nur schrittweise erfolgen kann.“ Er empfiehlt daher, die Umstellung von Kfz-Steuer zur Maut weiter zu betreiben wird und dadurch dem Eindruck entgegenzuwirken, dass es sich nicht um eine bloße Umverteilung zulasten von Ausländern handelt.

Grundlegender Widerspruch kommt von Prof. Franz C. Mayer von der Universität Bielefeld. „Die Einführung einer Infrastrukturabgabe für alle bei gleichzeitiger Entlastung der Inländer wäre eine qualifizierte Verletzung von Unionsrecht“, schreibt er. Neben Strafzahlungen für Deutschland in einem Vertragsverletzungsverfahren drohten auch Schadensersatzansprüche durch die betroffenen Unionsbürger. Wollte Deutschland diese Folgen vermeiden, sollte die Pkw-Maut ohne gleichzeitige Entlastung der Inländer eingeführt werden oder die Kfz-Steuerreform zumindest zeitlich entkoppelt werden.

Während die beiden Rechtssachverständigen in der Anhörung des Finanzausschusses die Ansicht verraten, dass die „Stillhalteklausel“ in Artikel 92 des Lissabon-Vertrages überholt sein dürfte, sieht Mayer dafür keine Anzeichen. Daher könnten beispielsweise Pkw-Kurierdienste auf Basis dieses Artikels gegen die geplante Regelung vorgehen. Auch die Dienstleistungsfreiheit könnte als beeinträchtigt angesehen werden – zum Beispiel durch einen Klempner aus dem EU-Ausland, der nun durch die Infrastrukturabgabe höhere Kosten als seine deutschen Konkurrenten tragen muss.

Falls es zu einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland kommt, rechnet Mayer auf Basis der bisherigen Erfahrungen mit einer Entscheidung des EuGH rund zwei Jahre nach der Verkündung der Gesetze im Bundesgesetzblatt. (roe)

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