Analyse: Bodewig-Reform versus Fernstraßengesellschaft

  • Mangelnde Sanktionsmöglichkeiten
  • Akzeptanz der Bundesgesellschaft in den Ländern fraglich
  • Sind Länder wirklich zu Risikoübernahme bereit?
  • Personalstabilität spricht für Reform statt Revolution
  • Starke Zweifel an Zeitschienenvergleich von Bodewig

„Hätte das Reformkonzept der Bodewig-II-Kommission vor drei oder vier Jahren auf dem Tisch gelegen, müssten wir uns jetzt nicht über eine Bundesfernstraßengesellschaft unterhalten“, sagte sinngemäß dieser Tage ein Verbandsvertreter hinter vorgehaltener Hand gegenüber dem Verkehrsbrief. Das hat sich geändert: Jeder Vorschlag, der auf eine evolutionäre Weiterentwicklung der Auftragsverwaltung zielt, wird sich am revolutionären Alternativkonzept einer Bundesfernstraßengesellschaft messen lassen müssen. Wie schneidet das Bodewigsche Reformkonzept dabei ab?

Mangelnde Sanktionsmöglichkeiten

In Fachkreisen wird vor allem bezweifelt, ob der Bund trotz Besteller-Ersteller-Prinzip ausreichende Sanktionsmöglichkeiten hat, falls die Länder ihrer Erstellerfunktion nicht wie vertraglich vereinbart nachkommen. Im Prozessoptimierungsbericht der Bodewig-II-Kommission heißt es dazu, dass in der heutigen Rechtslage nur „außerordentlich gewährte Zahlungen“ ohne weiteres zurückgefordert werden könnten – konkret Planungskosten „und sonstige im Rahmen der Bestellung einer Leistung gewährten Sachkosten“. Das heißt implizit: Durch Fehlplanung verschwendete Investitionsmittel wären für den Bund verloren, Pönalen sind ebenfalls nicht möglich. Da der Bund auch nicht die Möglichkeit hat, auf einen anderen Ersteller auszuweichen – die grundgesetzlich verankerte Auftragsverwaltung gilt ja fort! – ist sein Drohpotenzial stark eingeschränkt.

Eine privatwirtschaftlich organisierte Bundesautobahngesellschaft hätte da mehr Freiheiten. Sie könnte zumindest bei den nicht-hoheitlichen Aufgaben zwischen verschiedenen Erstellern wählen und ein normales kommerzielles Verhältnis pflegen. Die Bundesgesellschaft selbst wäre allerdings keinem Wettbewerb ausgesetzt. Das muss nicht zwangsläufig zu Verhältnissen wie in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) führen. Aber beim Besteller-Ersteller-Prinzip hätte der Bund zumindest die Möglichkeit, ein Benchmarking der Länderverwaltungen vorzunehmen.

Akzeptanz der Bundesgesellschaft in den Ländern fraglich

Ein potenzielles Problem bei der Bundesfernstraßengesellschaft wäre allerdings – in Abhängigkeit von dem Maß, wie feingliedrig sie in den Regionen aufgestellt ist – die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben, zum Beispiel bei Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren: Verfügt sie über ausreichend Regionalkompetenz, wird sie vor Ort als „eine von uns“ wahrgenommen oder als Eindringling? Gerade bei der Planfeststellung haben die Landesbehörden allerhand Möglichkeiten zu nichtjustiziabler Obstruktion. Hier sind die Landesstraßenbauverwaltungen derzeit klar im Vorteil.

Sind Länder wirklich zu Risikoübernahme bereit?

Selbst wenn es gelingen sollte, im Reformmodell ein ausgewogenes Machtverhältnis zu konstruieren, ist fraglich, ob die Länder tatsächlich bereit sind, Risiken aus dem Besteller-Ersteller-Prinzip zu übernehmen. Was halten wohl die Landesfinanzminister, Landtags-Haushaltsausschüsse und Landesrechnungshöfe von Vereinbarungen, die finanzielle Risiken für „ihre“ Straßenbauverwaltungen beinhalten? Und sind die Länder wirklich bereit, sich einem engmaschigen Controlling durch den Bund zu unterwerfen? In Fachkreisen wird auf die Entflechtungsmittel verwiesen, wo die allerwenigsten Länder bisher bereit waren, landesgesetzlich eine Zweckbindung für den Verkehr festzuschreiben.

Fast wie eine Kleinigkeit am Rande mutet da die Frage an, ob es rein rechtlich überhaupt möglich ist, dass „der Bund“ mit „den Ländern“ Quasi-Werkverträge abschließen kann. Juristisch fundierte Erkenntnisse gibt es bisher offenbar nicht – jedoch sollte es sich bei ausreichend politischem Willen ermöglichen lassen.

Personalstabilität spricht für Reform statt Revolution

Eine der Stärken jedes evolutionären Konzeptes ist, dass es weniger Unruhe in die Mitarbeiterschaft hineinträgt und den Investitionshochlauf weniger gefährdet. Eine privatwirtschaftliche Bundesfernstraßengesellschaft, die sich oberhalb des Tarifgefüges des öffentlichen Dienstes ansiedeln könnte, würde eine Abwerbungsspirale in Gang setzen, bei der die öffentliche Hand als Ganzes nur verlieren kann.

Starke Zweifel an Zeitschienenvergleich von Bodewig

Auf allergrößte Skepsis stößt der Vergleich der Reformdauer im Bodewig-Bericht: Für die Reform der Auftragsverwaltung werden dort bekanntlich zwei Jahre veranschlagt, für den Aufbau der Bundesautobahngesellschaft zehn Jahre. „Da bin ich echt sauer“, sagte ein Verbandsvertreter hinter vorgehaltener Hand, „wenn das so schnell gehen soll, warum wurde es dann nicht schon längst gemacht?“ Er hält die zehn Jahre für maßlos übertrieben und die zwei Jahre für deutlich untertrieben. Allerdings: Die jüngste Erfahrung lehrt, dass auch ähnliche Reformprozesse sehr unterschiedlich lange dauern können: Der Umbau der WSV hat vom Startschuss bis zur zumindest formalen Gründung der GDWS drei Jahre gedauert. Der Aufbau der Generalzolldirektion hat gerade einmal 14 Monate in Anspruch genommen. (roe)

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