BAG legt „Marktanalyse des Fernbuslinienverkehrs 2015“ vor:
- Fernbus erzeugt nur wenig zusätzliche Fahrten
- Wettbewerb Bus-Schiene schlägt auf Luftverkehr durch
- Preiskampf zwischen Busbetreibern geht weiter
- Ansprüche an Haltestellen sind bescheiden – nur ÖPNV muss sein
- Kunden fordern zunehmend Fahrgastrechte ein
- Mehr Verstöße gegen Lenk- und Ruhezeiten
Es gibt nach wie vor nur widersprüchliche und unvollständige Daten zur Kannibalisierung des Schienenpersonenverkehrs durch den Fernbus. Der Anteil der Buskunden, die mit der Eisenbahn gefahren wären, wenn es den Fernbus nicht gäbe, wird je nach Untersuchung mit 30 bis 55 Prozent beziffert. Das geht aus der Anfang der Woche veröffentlichten „Marktanalyse des Fernbuslinienverkehrs 2015“ des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) hervor. Die Aussagekraft wird jedoch dadurch eingeschränkt, dass die Befragten meist mehrere alternative Verkehrsmittel benennen konnten.
Fernbus erzeugt nur wenig zusätzliche Fahrten
In einer noch breiteren Spanne bewegt sich der Anteil der Umsteiger vom eigenen Pkw mit 23 bis 60 Prozent. 15 bis 26 Prozent hätten ohne Fernbus möglicherweise Mitfahrgelegenheiten genutzt. Der Anteil des „induzierten Verkehrs“ – also durch das neue Angebot zusätzlich erzeugte Nachfrage – wird mit 4 bis 10 Prozent beziffert. Das Busgewerbe selbst sieht eher am oberen Ende der Spanne.
Wettbewerb Bus-Schiene schlägt auf Luftverkehr durch
Völlig widersprüchlich sind die Angaben zu Umsteigern aus dem Luftverkehr: Laut zwei Studien hätten sich 4 bis 10 Prozent der Befragten alternativ auch die Benutzung des Flugzeugs vorstellen können. Vertreter der Luftverkehrsbranche selbst schätzten gegenüber dem BAG die Zahl wegen der deutlichen Reisezeitunterschiede jedoch als „vergleichsweise gering“ ein.
Sie beobachten jedoch einen „Kaskadeneffekt“ durch verstärkte Sonderangebote des DB-Fernverkehrs: Damit sollen zwar primär Fernbuskunden zurückgewonnen werden sollen, es profitieren aber auch potenzielle Fluggäste.
Preiskampf zwischen Busbetreibern geht weiter
Die Hoffnung der Bahnbranche, dass die Busfahrpreise nach der ersten Welle der Marktkonsiolidierung steigen, hat sich nicht erfüllt. Im Gegenteil: Bei einer Stichprobe des BAG Anfang September für die Strecken Berlin-Hamburg und Hamburg-Köln lagen die Preise deutlich unter denen von 2014. Der Kilometererlös. „Unter den getroffenen Annahmen (Strecke, Wochentag, Entfernung) lag das untere Ende der zu beobachtenden Preisspannen auf beiden Strecken bei allen Fernbusanbietern weiterhin unterhalb der Kostendeckungsgrenze.“
Nach BAG-Angaben benötigen die Unternehmen zur Kostendeckung bei durchschnitllicher Auslastung einen Erlös von 5 bis 6 Cent je Fahrgastkilometer. Tatsächlich gingen die Erlöse schon bei der Stichprobe bis herunter zu 1,26 Cent/km (Megabus). Nur Meinfernbus/Flixbus erzielte vereinzelt Erlöse über 7 Cent. Tatsächlich bietet Megabus sogar Kontingente mit Fahrten für einen Euro an.
Ansprüche an Haltestellen sind bescheiden – nur ÖPNV muss sein
Bemerkenswert – speziell angesichts der Verbannung des Fernbusses aus Köln – sind die Anforderungen der Kunden an die Bushaltestellen oder Busbahnhöfe: 60 bis 70 Prozent kommen per ÖPNV zum Fernbus. Einer Umfrage von Flixbus zufolge sind für 49 Prozent die Nähe zum ÖPNV und für 37 Prozent die Nähe zum Bahnhof wichtigstes Standortmerkmal. „Außerhalb der Stadtzentren gelegene Haltestellen würden den Anforderungen der Kunden meist weder in Bezug auf die Anbindung, noch mit Blick auf die häufig zusätzlich anfallenden Fahrtkosten genügen“, berichtet das BAG aus den Gesprächen mit den Betreibern.
Die Ansprüche an die Ausstattung der Haltestellen sind bescheiden: Wichtigstes Ausstattungsmerkmal ist für knapp die Hälfte ein Wetterschutz, gut ein Viertel legt höchsten Wert auf Fahrplaninformation. Toiletten und Sitzmöglichkeiten sind nur für jeweils gut 10 Prozent die wichtigsten Ausstattungsmerkmale.
Kunden fordern zunehmend Fahrgastrechte ein
Von September 2014 bis August 2015 gingen beim Eisenbahnbundesamt mehr als acht Mal so viele Fahrgastrechte-Beschwerden ein (484) wie im Vorjahreszeitraum. Zu den Gründen für die hohe Steigerungsrate macht das BAG keine Angaben; zu vermuten ist zum einen, dass erst jetzt die endgültig nicht gelösten Fälle vorgelegt werden; zum anderen dürften vielen Buskunden der Anfangszeit ihre Fahrgastrechte nicht bekannt gewesen sein.
Hauptanlass waren Verspätungen über 120 Minuten oder Fahrtausfälle verbunden mit einem fehlenden Angebot zur Fahrpreisrückerstattung/Hotelübernachtung oder unzureichender Reisendeninformation.
Mehr Verstöße gegen Lenk- und Ruhezeiten
Bedenklich erscheint, dass sich die Beanstandungsquote bei den BAG-Kontrollen deutscher Fernbusse im ersten Halbjahr 2015 gegenüber dem Gesamtjahr 2014 von 14 auf 28 Prozent verdoppelt hat. Bei den BAG-Kontrollen geht es um die Einhaltuung von Lenk- und Ruhezeiten sowie die ordnungsgemäße Verwendung von Digitacho („Fahrtenschreiber“) und den zugehörigen Fahrerkarten. (roe)
Externer Link: Marktanalyse des Fernbuslinienverkehrs 2015