Experten uneins über Wege zu mehr Abgasehrlichkeit

Anhörung im Bundestags-Verkehrsausschuss:

  • Umwelthilfe: Es gibt saubere Diesel deutscher Hersteller – für USA
  • SPD befürwortet mehr Kompetenzen für KBA
  • Dekra: RDE-Verfahren darf nicht reproduzierbar sein
  • VDA und Linke streiten über Abmahndrohung
  • ADAC: Konkurrenz der Tester mit Realbedingungen steigt
  • Wilms: OBD-Software offenlegen
  • Umwelthilfe hat weiteren Verdachtsfall auf dem Prüfstand

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert für Deutschland eine von Wirtschaft und Weisungen unabhängige Kontrollbehörde für die Automobilindustrie wie in den USA. Das erklärte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch am Montag in der Anhörung des Bundestags-Verkehrsausschusses zum Skandal um Abgaswertmanipulationen (siehe auch hier). „Wir brauchen eine Kultur des Nachkontrollierens“, sagte er mit Blick auf die USA, wo zum Beispiel die Differenz zwischen den Verbrauchswerten und den Laborwerten inzwischen nur noch 2 Prozent betrage, während die Schere in Deutschland inzwischen bei rund 40 Prozent betrage.

Umwelthilfe: Es gibt saubere Diesel deutscher Hersteller – für USA

Die Erfahrung aus den USA zeigt laut Resch außerdem, dass selbst die dortigen strengen NOx-Grenzwerte von den deutschen Herstellern eingehalten werden können. Betrachte man die Netto-Verkaufspreise diesseits und jenseits des Atlantik, sei das Argument höherer Kosten nicht nachzuvollziehen. Der vom EU-Expertenausschuss TCMV angestrebte Konformitätsfaktor von 2,1 für das RDE-Verfahren sei daher viel zu hoch angesetzt. Er werbe dafür, schnell die sauberen Fahrzeuge für den US-Markt in Europa zu verkaufen.

SPD befürwortet mehr Kompetenzen für KBA

Aus der SPD-Fraktion war nach der Anhörung zu vernehmen, dass das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) mit zusätzlichen Kompetenzen ausgestattet werden sollte. KBA-Präsident Ekhard Zinke hatte zuvor Vorwürfe zurückgewiesen, die Behörde habe angesichts häufiger Hinweise auf Manipulationen versagt. Das KBA dürfe nur prüfen, ob die Vorschriften für die Typgenehmigungen eingehalten werden, nicht darüber hinaus. „Nachprüfung war bisher nicht mandatiert“, betonte er. „Unsere Möglichkeiten sind durch das Typgenehmigungsverfahren vorgegeben.“ Bei den Prüfungen hat sich das KBA bisher auf die technischen Dienste gestützt. Er könne sich aber auch vorstellen, künftig auf eigene portable Emissionsmesssysteme (PEMS) zurückzugreifen.

Dekra: RDE-Verfahren darf nicht reproduzierbar sein

Strittig blieb, inwieweit das RDE-Verfahren im Detail ausgestaltet werden soll. Während sich Ulrich Eichhorn vom Automobilindustrieverband VDA indirekt für möglichst klare Vorgaben aussprach, forderte Erik Pellmann von der Dekra, dass das RDE-Verfahren gerade nicht reproduzierbar sein darf. Nur mit RDE ließen sich illegale Abschalteinrichtungen zuverlässig aufdecken.

VDA und Linke streiten über Abmahndrohung

Einen lautstarken Disput gab es rund um die Frage, ob Messwerte aus dem Realbetrieb in die Verkaufsangaben der Automobilindustrie einfließen sollten. Eichhorn sagte, Händler und Hersteller dürften keine anderen Werte als die der Labortests veröffentlichen, weil sie sonst abgemahnt werden könnten. Sabine Leidig, verkehrspolitische Sprecherin der Linken, wertete das als Drohung gegen Hersteller und Händler, die sich zu unliebsamen Messwerten bekennen.

ADAC: Konkurrenz der Tester mit Realbedingungen steigt

Reinhard Kolke, Leiter des ADAC-Technikzentrums, sprach sich dafür aus, die Feldüberwachung unter realen Messbedingungen weitestmöglich auszudehnen und schlug dafür die Form eines wissenschaftlichen Tests vor. Dafür sei dann keine Rechtsänderung notwendig. Im übrigen steuere der Automobilsektor „auf einen Zustand zu, wo Tester miteinander konkurrieren“. Druck auf die Industrie entstehe auch dadurch, dass große Flottenbetreiber bei Neukäufen inzwischen mit dem ADAC-Ecotest bei den Herstellern vorstellig werden.

Wilms: OBD-Software offenlegen

Die Grünen-Verkehrsexpertin Valerie Wilms forderte im Gespräch mit dem Verkehrsbrief, die Hersteller müssten künftig die OBD-Software (On Board Diagnose) offenlegen. Resch hatte der Automobilindustrie vorgeworfen, dass die OBD-Warnfunktion für überhöhte NOx-Werte oft unwirksam sei und Überschreitungen um 60-70 Prozent toleriere. Er forderte daher, die eigenständige Abgasuntersuchung mit Messung am Auspuff wieder einzuführen.

Umwelthilfe hat weiteren Verdachtsfall auf dem Prüfstand

Resch zeigte sich überzeugt, dass es außer bei VW noch weitere Betrugsfälle mit illegalen Abschalteinrichtungen gibt. Bei einem eigenen Labortest mit einem ungenannten Fahrzeug in einer Schweizer Prüfstelle seien massiv in die Höhe gegangen, sobald die Hinterräder – die normalerweise beim Labortest nicht bewegt werden – mitgedreht worden seien. Resch kritisierte in diesem Zusammenhang das Interessengeflecht zwischen den deutschen technischen Diensten und der Automobilindustrie. Kein deutscher Dienst sei bereit gewesen, für die DUH Tests auf illegale Abschalteinrichtungen vorzunehmen. (roe)

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